Eine wichtige Frage, die beim Thema Inklusion gestellt wird, ist ob Inklusion wirklich alle meint. Sollen alle SuS in ein einheitliches Schulsystem integriert werden oder soll es Ausnahmen geben? Wenn wir annehmen, dass Inklusion nicht alle meint und somit einige SuS ausgesondert werden, müssen wir mit der Bildung von Restschulen oder Restklassen rechnen. Diese bilden ein Sammelbecken für Kinder, die nicht in den Regelunterricht integriert werden konnten. Der große Nachteil dieser Restklassen besteht darin, dass sich die Kinder an keinen Vorbildern orientieren können. Sie befinden sich nur unter „ihresgleichen“ und interagieren gar nicht oder kaum mit den übrigen SuS. Somit können sie sich nicht an normalem Verhalten orientieren, um daraus eine Verbesserung ihrer Situation zu erreichen. Umgekehrt wird dadurch den übrigen SuS die Möglichkeit genommen, Toleranz und Verständnis für SuS mit besonderem Förderungsbedürfnis zu entwickeln.

Die grobe Diagnose „Wahrnehmung und Entwicklung“ kann ein breites Feld von Beeinträchtigungen abdecken. Darunter können Störungen der optischen oder akustischen Wahrnehmung sowie Auffälligkeiten bei der Kontaktaufnahme und der sozialen Empathie fallen.Der „Förderschwerpunkt Lernen“ beinhaltet die große Palette des Lern- und Arbeitsverhaltens. Darunter fallen Probleme mit der Konzentration, der Aufmerksamkeit oder der Belastbarkeit.Da diese Förderbedürfnisse erst mal sehr unspezifisch sind, müssen weitere individuelle Information über das Kind eingeholt werden. Information über seine genaue Verhaltensweise und sein Lernverhalten. Diese Informationen können von den Eltern, der ehemaligen Schule und dem Kind selbst eingeholt werden.

Es ist notwendig, sich individuell über jeder Kind mit besonderem Förderbedürfnis zu informieren. Dazu sollte man in engem Austausch mit den Eltern stehen, da sie ein großes Interesse an einem gelungenen Unterricht besitzen. Man muss sich klar machen, dass es keine Paradetherapie für SuS mit speziellem Förderbedürfnis gibt und eine Verallgemeinerung nur zu Stigmatisierung führt. Neben den Eltern, sollten auch Sonderpädagogen soweit möglich zu Rate gezogen werden.

Wenn man von Inklusion spricht, sind nicht nur SuS mit körperlichen oder geistigen Behinderungen gemeint, sonder alle Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf. Es gilt diese Kinder gemeinsam mit den anderen SuS zu unterrichten und zu fördern. Auf welche Art und Weise diese sehr heterogene Gruppe zusammengeführt werden soll, gibt es noch keinen allgemeinen Konsens. Vielmehr existieren drei Diskussionslinien:

In der ersten Linie sollen alle SuS, egal ob stark förderungsbedürftig oder nicht, einen gemeinsamen Regelunterricht besuchen. Die Betonung liegt hier insbesondere auf den Menschenrechten und der großen Heterogenität des resultierenden Schulsystems.

Die zweite Linie vertritt die Vorstellung eines Parallelsystems, indem SuS mit speziellem Förderungsbedarf eine getrennte Schule besuchen. Allerdings finden dabei laufend Projekte statt, in denen die SuS mit und ohne speziellen Förderungsbedarf zusammen lernen und unterrichtet werden.

Die dritte Linie richtet sich gegen ein Parallelsystem und kritisiert gleichzeitig die erste Linie. So würden bei einem umfassenden Systemwechsel die SuS vernachlässigt werden.

Des weiteren muss auch zwischen dem medizinischen und dem sozialen Modell der Behinderung differenziert werden;

Das medizinische Modell sieht die Behinderung als Teil der Person, welche nun die beste Förderung und Hilfe bekommen soll. Dagegen betrachtet das soziale Modell die Behinderung als Folge sozialer Ausgrenzung; die behinderte Person wird durch die Gesellschaft „behindert gemacht“.

Während meiner Schulzeit habe ich wenig Erfahrung mit dem Thema Inklusion gemacht. Lediglich ein Schüler mit ADHS besuchte mit mir die 5. und 6. Klassen. Die Lehrkräfte machten uns vorher klar, dass der neue Schüler etwas anders ist und nicht wie die anderen SuS behandelt werden sollte. Dies war keinesfalls im negativen Sinne gemeint, doch führte es dazu, dass der Schüler eine Art „Sonderstempel“ erhielt.

An der Schule waren die Meinungen zum Thema Inklusion sehr gemischt. Es fiel allerdings stark auf, dass gerade ältere Lehrkräfte einen kompletten Systemwechsel ablehnten oder sich für eine eingeschränkte Inklusion aussprachen.

Ich befürworte die Idee, dass sowohl SuS mit und ohne speziellem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden sollten. Allerdings befürchte ich, dass dieser Systemwechsel nur unzureichend oder gar nicht eintreten wird. Der gewaltige Fachkräftemangel und die erhöhten Anforderungen an die Lehrkräfte sind in absehbarer Zeit nicht zu bewältigen.

Besonders interessant wäre es zu beobachten, wie die Lehrkraft mit den förderungsbedürftigen SuS umgehen. Wird ihnen zu viel oder zu wenig Beachtung geschenkt oder werden sie sogar bevorzugt/benachteiligt? Akzeptieren alle SuS den gemeinsamen Unterricht? Lässt sich tatsächlich jedes Kind inkludieren oder gibt es einfach SuS, die separat unterrichtet werden müssen?

Eine der wohl größten Hürden für einen frisch eingewanderten Menschen, ist der Erwerb der dortigen Sprache. Doch auch das Schulsystem steht vor einer großen Aufgabe; der des Seiteneinstiegs. Darunter fallen Kinder mit geringen oder gar keinen Deutschkenntnissen, deren Schullaufbahn in einem anderen Land begonnen hat und eventuell Lücken aufweist. Solche Kinder benötigen eine besondere Förderung um die neue Sprache effektiv zu lernen.

Das Land Bremen setzt bei der Bewältigung dieser Aufgabe auf das teilintegrative Modell; dies bedeutet, dass die Seiteneinsteiger erst in Vorkursen alphabetisiert werden und die elementaren Strukturen der neuen Sprache erhalten. Nach Abschluss des einjährigen Vorkurses, der unbenotet ausfällt, werden die Kinder in den regulären Unterricht übernommen.

Ich selbst habe keine Erfahrungen mit Seiteneinsteigern gemacht, da es in meiner Schullaufbahn wenig Neuzugänge gab und diese allesamt bereits Teil des deutschen Schulsystems waren. Allerdings erhalte ich regelmäßig Informationen von meiner Mutter, die selbst Lehrerin an einer Gesamtschule ist und dort einen DaZ-Kurs leitet. So beschrieb sie mir, dass der Aufwand, sowohl von der Lehrkraft als auch von den Schülern deutlich größer sei als in einer konventionellen Klasse. Es muss sehr viel mehr auf die individuellen SuS eingegangen werden, weswegen Binnendifferenzierung der Schlüssel zum Erfolg ist. So gibt es in diesem Kurs ein 12-jähriges Mädchen, welches kein halbes Jahr in Deutschland lebt und in ihrem Herkunftsland eine mangelhafte Bildung erhielt. Nur mit größter Mühe gelingt es ihr dem Unterricht zu folgen und frisch Erlerntes wird schnell wieder vergessen. Die Lehrerin muss ihr den Großteil ihrer Aufmerksamkeit schenken, damit sie nicht komplett zurückgelassen wird. Doch solche Kinder sind die Ausnahme. Laut meiner Mutter lernt der Großteil des Kurses schnell und ist besonders engagiert die deutsche Sprache zu erlernen. Obwohl die SuS aus sehr verschiedenen Ländern kommen und unterschiedliche kognitive Fähigkeiten besitzen, zeigen sie sehr ähnliche Lernerfolge. Gesonderte Aufgaben gibt es nur für die oben erwähnten schwächeren SuS. Dies ist allerdings nicht die Regel; einer ihrer Kollegen unterrichtet einen anderen DaZ-Kurs, der so ziemlich das Gegenteil zu ihrem darstellt. Dieser Kollege bietet seinen SuS meistens unterschiedlich anspruchsvolle Aufgaben an und muss in einem noch stärkeren Umfang auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen.

Neben dem Vorkurs unterrichtet meine Mutter auch einige reguläre Klassen, in die SuS aus den Vorkursen dazugekommen sind. Ihre Erfahrungen mit diesen SuS sind äußerst gemischt. So gibt es einige Kinder, die schnell zum Niveau der Regelklasse aufgeschlossen haben und keine individuelle Behandlung benötigen. Oftmals stellte sich heraus, dass diese Kinder in ihrem Herkunftsland eine angemessene Bildung erhielten und ein relativ stabiles soziales Umfeld besitzen. Auf der anderen Seite existieren auch zahlreiche Gegenbeispiele. Gerade SuS mit großen Lücken in ihrer Schullaufbahn, haben enorme Schwierigkeiten Texte zu lesen. Dabei kann von Verstehen des Gelesenen keine Rede sein. Der Vorkurs wird von meiner Mutter als notwendig und hilfreich erachtet, reicht allerdings noch längst nicht aus. Die Erfahrungen decken sich weitestgehend mit den empirischen Daten. Die Seiteneinsteiger können innerhalb eines Jahres signifikante Verbesserungen verzeichnen, liegen aber auch im Folgejahr unter den Regelschülern. Bei den höheren Klassen sieht man jedoch, dass dieser Unterschied immer kleiner wird.