Abschlussreflexion

  1. Im Rückblick auf die gesamte Vorlesung zum Umgang mit Heterogenität in der Schule, fällt auf, dass mein Bild vom an die Lehrkraft gekoppelten (personenbezogenen) Umgang mit Heterogenität bereits in der zweiten Sitzung maßgeblich verändert worden ist. Das eigentliche Problem liegt weitaus tiefer in der bestehenden Struktur unseres Bildungssystems, das durch eine starke nationale Orientierung ein homogenes Raster festlegt, indem es die deutsche Kultur als Grundlage eines jeden Unterrichts nimmt. So kommt es häufig zu einer schnellen Verknüpfung von einem geringen Bildungsstatus und Migrationshintergrund. Verstärkt wird dieses Phänomen auch durch eine Kategorisierung des Lernniveaus („innere Differenzierung“, „äußere Differenzierung“). Es entsteht eine Art Teufelskreis auf einem schmalen Grat zwischen Exklusion, Inklusion und Integration, wobei Bildung als Menschenrecht häufig aus dem Fokus verschwindet. Anhand von acht Förderschwerpunkten legen Administrative Vereinbarungen den sonderpädagogischen Förderbedarf von Jugendlichen und Kindern fest. Das entspricht der sogenannten outcome-Orientierung (zu erreichende Kompetenzen), die als allgemeines Ziel gilt. Standardisierungen dieser Art (und vergleichbare) erschweren es ein flexibles Schulsystem zu bewahren in Anbetracht der vielen verschiedenen Voraussetzungen und Begabungen seitens der SchülerInnen. Ihre Lern-, Sprach-, motorische und emotionale-soziale Entwicklung kann erst durch und mithilfe von Vielfalt gefördert werden. Die lebensweltlichen Assoziationen der Schülerschaft sollten hierbei durch einen fachlichen Kontext, der viele Perspektiven umfasst, erweitert werden. Besonders deutlich wird das bei dem Phänomen der (inneren) Mehrsprachigkeit. Für die Gesamtheit aller SchülerInnen bedeutet der Eintritt in die Schule auch die Einführung einer andersartigen Sprache – der Bildungssprache. In der Regel unterscheidet sich diese formelle Register von ihrem alltäglichen Sprachgebrauch und ist entscheidend für den Erwerb fachlicher Kompetenzen. Um nun im spezifischen auf die Didaktik meiner beiden Fächer (Kunst und Biologie) zu sprechen zu kommen, so wird es für mich später besonders wichtig sein den Eigenwert der individuellen Vorerfahrungen, der Schülervorstellungen bezüglich bestimmter Sachverhalte und der individuellen Wahrnehmungsweisen und Assoziationen zu schätzen und diese in die Unterrichtsplanung einzubeziehen. Individuelle Differenzen (besonders auf kultureller Ebene) werde ich keineswegs als Defizit, sondern vielmehr als Ressource behandeln. Des Weiteren halte ich es für wichtig in jeder Art von Unterricht eine gendersensible Perspektive zu bewahren. Beispielsweise möchte ich im Kunstunterricht darauf achtgeben, dass bei der Auswahl von Kunstwerken oder Aufgabenstellungen keine Geschlechterstereotypen reproduziert werden. Auch im aufklärenden Biologieunterricht (z.B. Sexualkunde) ist besondere Vorsicht diesbezüglich geboten. Für alle SchülerInnen sollte ein Identifikationsangebot (in allen Bereichen) bestehen. Um Motivation im Unterricht aufrechtzuerhalten ist es wichtig vermehrt Handlungs-produktionsorientierte Ansätze anzuwenden, bei denen Eigenaktivität und Kreativität der Klasse im Fokus stehen.

 

  1. Es gibt zwei erziehungswissenschaftliche Fragen, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind, und die mich weiterhin beschäftigt haben. Einerseits die Leitfrage der sechsten Sitzung in der Ringvorlesung: „Meint Inklusion wirklich alle? – Aktuelle Diskussionslinien und praktische Umsetzung“, und andererseits die der siebten Sitzung: „Auf dem Weg zu einer Schule für alle – gemeinsames Lernen am gemeinsamen Gegenstand oder gemeinsame Lernsituationen?“. Obwohl ich mit beiden Thematiken zunächst größtenteils Positives assoziiert habe, entwickelte ich in der weiteren Auseinandersetzung eine kritischere bzw. deutlich differenziertere Meinung. Vor allem, dass eine Interaktion in Form von Sonderbehandlung und die zugrundeliegende Organisation durch Ausbildung spezifischer Schultypen (Sonderschulen) sich negativ auswirken kann und teilweise zu starker Exklusion führt war mir neu. Diese und ähnliche Aspekte ins Bewusstsein gerufen, möchte ich mich tiefgreifender mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die Einstufung / Beurteilung von SchülerInnen anhand der acht Förderschwerpunkte zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gerechtfertigt ist. Des Weiteren interessiert mich die Wirkung von Inklusion sehr. Empirische Studien darüber, inwieweit Sensibilisierung gegenüber Berührungsängsten und Vorurteilung in inklusiven Klassen stattfindet und die Sicht betroffener SchülerInnen stellen spannende Anhaltspunkte dar. Ich bin auch interessiert daran Methoden zu lernen, die mir helfen Informationen über das Verhalten eines Kindes/Jugendlichen, sein soziales Umfeld und seine eigentliche Lebenswirklichkeit ohne Vorurteile auszuwerten. Dabei geht es mir darum individualisierte Lern- / Lehrmethoden für den Unterricht zu finden.

 

  1. Für mich persönlich wird es im späteren Beruf auf jeden Fall eine große Herausforderung sein, dem Druck allen SchülerInnen in jeder Situation grecht zu werden (oder die zumindest zu wollen). In der vierten Sitzung der Ringvorlesung wurde ein Fallbeispiel vorgestellt. Es ging dabei um eine Lehrerin und Ihre SchülerInnen Tarkan und Nele. Schon beim ersten Lesen wurde mir klar, dass ich mich im späteren Leben als Lehrerin beziehungsweise bereits beim Orientierungspraktikum sehr ähnlichen Situationen gegenübersehen werde. Die Wirkung solcher Fälle sind für mich und wahrscheinlich auch andere nicht leicht zu erschließen. Ohne schlechte Absichten trennt die Lehrkraft den Schüler oder die Schülerin durch das Einzelgespräch räumlich von seinen MitschülerInnen, um eine Aufgabe zu lösen. Auf diese Weise erfährt das betroffene Kind eine Sonderbehandlung, die zusätzlich durch eine vereinfachte Aufgabenstellung verstärkt wird. Verdeutlicht wird dieses Empfinden z.B. in der Situation mit Nele, welche Tarkan im kurzen Gespräch mit der Lehrerin als kreative Schülerin gegenübersteht. Die Auswahl und das Angebot individuell angepasster Lernmöglichkeiten, die auf einer vorherigen Erfassung der verschiedenen Lernvoraussetzungen der SchülerInnen beruhen, klingt in der Theorie nach einem guten Konzept. Es bezieht sich auf die Logik, die mit einer heterogenen Schülerschaft einhergeht und angewandt werden sollte, allerdings wirkt das Konzept im angeführten Fallbeispiel als ambivalente kompensatorische Hilfe und veruracht interne Ausgrenzung. Es besteht folglich eine Herausforderung für die Lehrkraft, deren Anforderungen sich durch eine Steigerung der Komplexität im Unterrichts vervielfältigen. Sie muss ihre analytischen Fähigkeiten anwenden, um den Förderbedarf der einzelnen SchülerInnen zu erkennen und auf ihn einzugehen. Das Einteilen in und anwenden von verschiedenen Kategorien stellen in diesem Zusammenhang eine Problematik dar. Besonders wenn man sich mit der Frage auseinandersetzt, ob alle SchülerInnen individuell gefördert werden sollten, oder ob nur für die Leistungsschwächeren eine abhelfende Förderung geboten werden soll. Mir liegt etwas daran immer wieder das Gespräch und den Kontakt mit SchülerInnen, ehemaligen Lehrkräften und SonderpädagogInnen zu suchen, um verschiedenste Ideen, Perspektiven, Anregungen und Meinungen zu sammeln, sowie um unterschiedliche didaktische Methoden berücksichtigen zu können. Ich muss darauf achten, dass ich einen zu hohen Selbstanspruch vorbeuge und mir immer wieder vergegenwärtigen, dass es keinen idealen Lern-/Lehrweg gibt.

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