Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung

 

  • An Ihrer Schule gibt es eine – wie üblich sehr heterogen besetzte – Vorklasse, in welcher sogenannte Seiteneinsteiger*innen Deutsch lernen und auf die Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden. Für einige wird nun der Übergang diskutiert. Ein Großteil der Lehrkräfte plädiert – mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden (bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse – sie an eine Realschule zu überweisen, obwohl die Schüler*innen hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer Vorbildung eigentlich die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen und gerne an der Schule bleiben würden. Nehmen Sie auf Basis der Vorlesung Stellung dazu.

Ich denke, dass die SchülerInnen in der Klassengemeinschaft verbleiben sollten. Bei guten Ausgangsvoraussetzungen können allgemeinsprachliche Kompetenzen innerhalb von sechs Monaten erworben werden. Da das Erlernen der Bildungssprache ein Prozess ist, der sich über Jahre vollziehen kann, sollten die SchülerInnen zusätzliche Zeit und Möglichkeiten dafür bekommen. Neben dem Unterricht am Gymnasium könnte es beispielsweise eine zusätzliche Sprachförderung am Nachmittag geben, damit alle SchülerInnen den Unterrichtsstoff in vollem Ausmaß lernen und verstehen können. Es gibt auch die Möglichkeit, dass sich SchülerInnen während des Unterrichts gegenseitig helfen, indem man Tandempartner bildet. So können Muttersprachler SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache bei Bedarf den Unterrichtsinhalt näher erklären. Auf diese Weise fördert man zum einen die Klassengemeinschaft, und der Lehrstoff wird sowohl in Bildungssprache, als auch im allgemeinen Sprachgebrauch vermittelt.

  • Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und(oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung

Während meiner gesamten Schulzeit waren SchülerInnen mit mehrsprachigem Hintergrund in meiner Klasse oder in meinen Kursen. Während ich dies in der Grundschule und der Mittelstufe noch stärker wahrnahm, erinnere ich mich nur an wenige mehrsprachige SchülerInnen auf dem Gymnasium.

Von der Grundschule an bis hin zur Oberstufe waren in meinem schulischen Umfeld Kinder mit Migrationshintergrund. Manche davon in anderen Ländern geboren, andere in Deutschland mit Verwandtschaft aus dem Ausland. Häufig kam es allerdings vor, dass auch Kinder, die in Deutschland geboren wurden mit einer anderen Erstsprache aufwuchsen. Da das Lernen in der Grundschule noch sehr spielerisch geprägt war, habe ich als Schülerin die Sprachbarriere dort zu SchülerInnen mit geringeren Deutschkenntnissen nicht als problematisch wahrgenommen. Im Rückblick ist es aber doch auffällig, dass verhältnismäßig viele meiner Klassenkameraden mit Deutsch als Zweit- oder Drittsprache eine Klasse in der Grundschule wiederholen mussten. Als dann in späteren Schuljahren der Leistungsdruck stieg und Noten in den Vordergrund rückten, sowie der bevorstehende Schulwechsel zeigte sich, dass viele der SchülerInnen ohne Deutsch als Erstsprache den Wechsel aufs Gymnasium nicht schafften.

Von der siebten bis zur zwölften Klasse waren andere mehrsprachige SchülerInnen in meinem Umfeld. Viele beherrschten Deutsch als Bildungssprache besser als manch ein Muttersprachler. Im Unterricht wurde die Mehrsprachigkeit nicht bewusst gefördert bzw. genutzt, nur in den Pausen fiel auf, dass sich in der jeweiligen Muttersprache unterhalten wurde. Ich empfand tatsächlich immer ein wenig Neid, da sie spielerisch zwischen Sprachen wechseln konnten und so u.a. über Themen sprechen konnten, ohne dass andere sie verstanden.

  • Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?

Ich sehe Mehrsprachigkeit im Allgemeinen eher als eine Bereicherung/Chance für eine Klasse, als ein Hindernis, weshalb ich versuchen werde es mir zur Aufgabe zu machen andere Sprachen in den Unterricht zu integrieren. Die Schwierigkeit hierbei wird meine eigene Unkenntnis sein. Z.B. kann ich, wenn Schüler eine mir fremde Sprache sprechen, nicht beurteilen, ob sie über unterrichtsrelevante Themen sprechen. Was wissenschaftliche Quellen betrifft können mehrsprachige SchülerInnen sicherlich Einblicke in andere Blickwinkel ermöglichen.

  • Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein. Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können?

Es ist notwendig, dass alle SchülerInnen die Bildungssprache erlernen, um dem Unterricht richtig folgen zu können. Deutsch-Muttersprachler können dabei vieles aus ihrem alltäglichen Sprachgebrauch ableiten, während mehrsprachige SchülerInnen selten die Bildungssprache und ihre Grammatik von ihrer Erstsprache ableiten können. Das erhöht de Lernaufwand um einiges. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man das Verständnis dafür in unserer Gesellschaft erbringt, was im Idealfall schon während der Schulzeit geschieht. Es sollte Förderunterricht für SchülerInnen mit Deutsch als Zweit- oder Drittsprache nach der regulären Unterrichtszeit geben, in dem auch Hausaufgaben und Unterrichtsfragen besprochen werden können. Außerdem sollte Mehrsprachigkeit im Unterricht zum Vorteil aller gesehen und eingebunden werden.

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