Filmkritik zu Stereo

Marina Wahl

Diese Kritik wird sich in zwei Abschnitte aufteilen: In den ersten Absatz ist eine „Spoiler-freie“ Kritik zu finden, in dem zweiten Abschnitt werden weitere, jedoch tiefer in den Film greifende Aspekte aufgegriffen, die nicht von vorne herein zu erkennen sind. Denn jeder Satz, der zu weit in die Geschichte des Filmes greift, ist ein Satz zu viel.

1. Stereo ist ein Psychothriller von Maximilian Erlenwein. Im Fokus der Kamera steht Erik (gespielt von Jürgen Vogel). Es handelt sich bei ihm um einen Motorradmechaniker, der auf dem Land seine eigene kleine perfekte Welt aufgebaut hat. Mit seiner Freundin Julia (gespielt von: Petra Schmidt-Schaller) und deren Tochter Linda (gespielt von: Helena Schönfelder) führt er ein idyllisches Leben. Bis eine weitere Persönlichkeit in sein Leben tritt: Henry (gespielt von: Moritz Bleibtreu).

Bei Stereo handelt es sich um einen faszinierend erzählten Film. Er wartet mit Wendungen auf, die nicht immer vorhersehbar sind. Doch keine von ihnen erscheint als überflüssig oder gar an den Haaren herbeigezogen. Es wirkt stimmig und nicht überflüssig.

Jürgen Vogels Rolle des Eriks ist eine greifbare Figur, die trotz einiger Mysterien in seiner Vergangenheit, für den Zuschauer zugänglich bleibt. Er ist der bodenständige Mechaniker, an dessen Fersen die Kamera, die ersten Minuten hängt. Denselben Zugang verschafft der Film bei der bestehenden Liebesbeziehung zwischen Julia und Erik. Es wird sich Zeit genommen, dem Zuschauer glaubhaft vermittelt, dass zwischen diesen beiden Charakteren etwas tieferes als die bloße Schauspielerfreundschaft, von Jürgen Vogel und Petra Schmidt-Schaller, steht. Die Beziehung wird einem wichtig und so wird auch jede Spannung, die zwischen dem Liebespaar erzeugt wird, eine Spannung, die sich auf dem Zuschauer übertragen kann.

Ebenso nahbar bleibt der Film bei seinen subtil gesetzten Witzen. An einer Stelle spielt der Film auf ein weitverbreitetes Klischee an – eines, welches für jeden Zuschauer greifbar wirkt. Doch nicht jeder der lockeren Sprüche kann die erhofften Lacher erzeugen – das muss es bei diesem Film jedoch auch nicht. Das Hauptaugenmerk eines Psychothrillers sollte und liegt nicht auf den Witzen. Stereo schafft es, die Geschichte so mysteriös wie möglich erscheinen zu lassen, ohne dass es am Ende zu viele Fantasie-Elemente oder unlogische Schlüsse gezogen werden müssen, um am Schluss zu einem konsequenten Ende zu kommen.

2. Hinter Stereo verbirgt sich mehr. Nicht nur der Umgang mit einem vermeintlich psychisch kranken Menschen, der sich mit zwei Persönlichkeiten beschäftigen muss, sondern auch der lange Weg um aus der kriminellen Szene auszusteigen. Dabei handelt es sich um zwei Themen, die für normale Zuschauer schwer zu arbeiten sind. Jedoch ist der Film nicht ganz unbehaftet – mit dem Ausstieg aus der kriminellen Szene bedienen sie sich einigen Klischees – „Jeder, der mich kennt, muss sterben“. Es handelt sich dabei, keinesfalls um eine ständige Tätigkeit, die so auf das reale Leben abzubilden ist, sondern um ein Klischee, welches oft in Filmen verarbeitet worden ist. Doch Stereo wird dadurch zu keinem schlechteren Film. Er hat keine Absicht einen realen Ausstieg aus der Szene zu zeigen, sondern seine Geschichte von Erik – oder eher Zille – zu erzählen.

Dieselbe Problematik kann bei der vermeintlichen gespaltenen Persönlichkeit angewendet werden – wobei es sich hier jedoch nicht um die psychische Krankheit handelt. Henry steht viel mehr für die symbolischen Zwiespalt, den die beiden Persönlichkeiten haben. Erik, der aus dem Trauma des ermordeten Bruders geboren wurde, und der schon beständige Zille. Der Film weiß mit dem Schuldbewusstsein von Erik umzugehen, ohne dass dieses penetrant erwähnt werden muss. Visuell, mit einigen starken Szenen wird das Trauma von Erik umrissen. Wenn dies geschehen ist – bietet der Film in seinen vorherigen Dialogen sogar einen Wiederschaufaktor. Die Dialoge sind darauf ausgelegt, dass das Trauma angedeutet wird und doch so subtil versteckt, dass ihnen keine größere Bedeutung zu gerechnet werden kann, wenn es sich um das erste Schauen handelt.

Stereo bleibt somit nicht nur oberflächlich betrachtet ein gut erzählter Film, sondern weiß auch in seiner tieferen Thematik mit seinen Bildern und Wirkungen umzugehen.

Titel: Stereo | Regie: Maximilian Erlenwein | FSK: 6 | Laufzeit: 95 Minuten | Genre: Psychothriller | Land: Deutschland | Jahr: 2014

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