Alles was du willst (2017)
Alles was du willst (Originaltitel: Tutto quello che vuoi) ist ein klassischer Feel-Good-Movie. Das ist ein Label, das bei vielen ambivalente Assoziationen hervorruft, in diesem Fall aber durchaus positiv gemeint ist. Es ist der viel bemühte schmale Grat zwischen berührender Emotionalität und Kitsch, den dieser Film so souverän bestreitet, dass man ihm dieses Kunststück zu keiner Zeit anmerkt. Die Erdung dabei sind überzeugend gespielte, authentische Dialoge. Für Regie und das Drehbuch ist Francesco Bruni verantwortlich.
Alessandro (Andrea Carpenzano) ist 22 Jahre alt. Er hat viel Zeit und die verbringt er bevorzugt mit seinen Freunden in der Stammkneipe. Anderer Zeitvertreib sind Fußball gucken (forza Roma), Playstation spielen und Kiffen. Wie seine Freunde hat er weder Abschluss noch Arbeit. Und so richtig Lust dazu hat er auch nicht. Alessandro lebt mit seinem Vater (Antonio Gerardi) und dessen Freundin Regina (Andrea Lehotská) in einer kleinen Wohnung. Das Verhältnis zu Vater und Stiefmutter ist belastet: Der Vater findet keinen Zugang zu seinem Sohn und weiß damit nicht umzugehen, wirkt überfordert. Regina hat durch den frühen Tod der leiblichen Mutter Alessandros einen besonders schweren Stand bei ihm und muss aufgrund ihrer slowakischen Herkunft Beleidigungen über sich ergehen lassen („Zigeuner“). Als sein Vater damit droht ihn rauszuschmeißen, nimmt er widerwillig einen Job an. Er soll täglich mit dem 85 jährigen Giorgio (Giuliano Montaldo) spazieren gehen. Zwischen den beiden entsteht nun eine Beziehung, die zugegebenermaßen, nicht sonderlich überraschend ist – der häufige Verweis auf Ziemlich beste Freunde, wenn von diesem Film die Rede ist kommt nicht von ungefähr. Gegensätze prallen aufeinander, sie ergänzen sich, sie profitieren voneinander, eine Freundschaft entsteht. Trotz aller Vorhersehbarkeit langweilt der Film dabei keineswegs. Alleine der von Giuliano Montaldo (selbst ein preisgekrönter Regisseur) gespielte Charakter des Giorgio macht den Film sehenswert. Giorgio ist ein Dichter, der es zu einem beträchtlichen Vermögen und Ruhm gebracht hat. Seine Frau ist vor fünf Jahren verstorben und einsetzendes Alzheimer macht ihn zunehmend von fremder Hilfe abhängig. Giuliano Montaldo überzeugt dabei in allen Stimmungslagen mit Tiefe in seinem Spiel: melancholisch, verwirrt, meistens humorvoll, immer mit Grazie.
Angenehm ist auch das Tempo, in dem diese Geschichte erzählt wird. Zu keiner Zeit schreitet die Handlung überhastet oder zu schleppend voran. Besonders die Entwicklung, die Alessandro Persönlichkeit im Laufe des Films nimmt wird nachvollziehbar und angenehm subtil erzählt. Es ist eine sensibel ausgewogene Mischung aus handlungstreibenden Szenen und vermeintlich banalen, alltäglichen Szenen. Letztere sind dabei keineswegs belanglos, sondern leisten ihren Beitrag zu einer plausibel erzählten Entwicklung, die nie erzwungen wirkt. Auch das Tempo innerhalb der Szenen, erzeugt durch Kameraeinstellungen, Schnitt und Musik, ist mit Feingefühl an die Art der jeweiligen Szenen angepasst. Es gibt hektische Szenen schneller Dialoge und langsame Szenen in kompletter Stille. Besonders der Mut zur Tonlosigkeit und der sparsame, aber dadurch effektive Einsatz von Musik, sticht positiv hervor und trägt dazu bei, dass der Film nie in den Kitsch abrutscht. Alles was du willst endet, ich denke so viel kann man verraten mit einem bittersüßen Happy-End. Und das macht Sinn, weil das Wort bittersüß die Atmosphäre des gesamten Films recht zutreffend beschreibt. In Alles was du willst ist nie alles gut, oder alles schlecht. Es bleibt diffus, mit Überhang zum Optimismus. Ein bisschen sinnbildlich für dieses Gefühl (zumindest für nicht-italienische Zuschauer und unter der Voraussetzung von Italien als Sehnsuchtsort) ist die im Film vorherrschende Szenerie: Italien unter grauem Himmel.
Von Luca Cesari
Alles was du willst | I | 2017 | Komödie | Francesco Bruni | 106 Min. | Andrea Carpenzano, Giuliano Montaldo, Donatella Finocchiaro, Emanuele Propizio, Arturo Bruni, Antonio Gerardi, Andrea Lehotska, Raffaella Lebboroni, Riccardo Vitiello, Carolina Pavone | FSK unbekannt