Beitrag zum 13. Vorlesungstermin am 15.07.2014 – Prof. Dr. Kenngott

In multikulturellen Klassengemeinschaften, in denen die kulturelle Vielfalt im Klassenraum in allen didaktischen Prozessen präsent ist und durch die Unterrichtenden Berücksichtigung finden sollte, lassen sich kulturelle und religiöse Zuschreibungen in den einzelnen Fächern auf unterschiedliche Weise reduzieren. Dazu möchte ich hier zwei Beispiele aus dem Schulalltag benennen.

Zunächst ein Beispiel aus dem Französischunterricht. Bei der Darstellung von Einkaufsdialogen auf dem Wochenmarkt sagten mehrere SuS, die Rolle des Händlers könne ein libanesischer Schüler übernehmen, weil er „das im Blut habe“.  Nun ist es die Sache der Lehrkraft, wie darauf reagiert wird, abhängig von der Klassenatmosphäre.  In diesem Fall herrschte eine lockere Klassenatmosphäre und der betreffende Schüler hat die Tendenz zum „Klassenclown“, er liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Daher nahm er die Aufforderung der anderen SuS locker auf, sprang nach vorne und übernahm gross gestikulierend und damit alle Aufmerksamkeit auf sich ziehend die ihm zugedachte Rolle. Danach wurde die sowohl kulturell als auch religiös bedingte Zuschreibung auf den Schüler von der Lerngruppe nicht weiter thematisiert und alle hatten viel echten Spass an der Art der Darstellung, auf jeden Fall war es nichts Negatives, kein „Auslachen“.

Ein weiteres Beispiel aus dem Sportunterricht. Im Sommer ist Leichtatlethik in dem Fach ein wichtiger Punkt. Eine Schülerin, die zwar am Sportunterricht teilnimmt, jedoch immer sehr bedeckt bekleidet, was von den anderen SuS akzeptiert wird, hielt sich aufgrund persönlicher Unsicherheit in anderen Bereichen des Schulsports immer sehr im Hintergrund. Diese Schülerin ist sehr laufstark, so dass sie bei Staffelläufen von jeder Schülergruppe sofort gewählt wird und auch immer die Gruppe, in der sie läuft, gewinnt. Zusätzlich erreicht diese Schülerin insgesamt in Leichtathletik das beste Klassenergebnis, was für ihre persönliche Entwicklung und ihre Position in der Klassengemeinschaft sehr wichtig ist. So wird ihre in anderen Fächern und didaktischen Situationen nicht immer zu überwindende leichte „Aussenposition“ in der Klasse im Schulfach Sport durch gemeinsames Erleben der SuS miteinander reduziert bis hin zur Unmerklichkeit.

Kulturelle und religiöse Zuschreibungen entstehen in meinen Beispielen sowohl durch persönliches Verhalten des Schülers selbst als auch durch die besondere Art sich zu kleiden bei der Schülerin. Beides wird bei entsprechender Aufmerksamkeit und angemessener Reaktion der Lehrkraft in der Situation reduziert und im besten Falle sogar positiv umgewandelt.

 

Wie kann sich religiöse Diversität in der Schule positiv abbilden ohne in „religiöses Othering“ zu verfallen?

Religiöse Diversität kann sich in der Schule in verschiedenen Bereichen des schulischen Lebens abbilden. Da ist in jedem Falle der Religionsunterricht als Forum, in dem die SuS (Schüler und Schülerinnen) an verschiedene Formen des interkulturellen religiösen Zusammenlebens herangeführt werden.  Es werden Texte verschiedener Religionsgemeinschaften gelesen und besprochen und im Idealfall von Kindern aus der Klasse, die diesen Religionsgemeinschaften angehören, direkt kommentiert, eine Kenntniserweiterung für alle SuS.

Weiterhin können im gemeinsamen Morgengebet in der Klasse z.B. verschiedene Gebetsformen der SuS, wie eine andere Arm- und Handhaltung beim Gebet, einfach berücksichtigt werden und dies kann gleichzeitig eine positive Vermittlung religiöser Diversität in der Klasse sein. Im Idealfall können SuS, deren Religionszugehörigkeit besondere Gebetsformen erfordert, dafür einen besonderen Raum, der z.B. Raum der Stille, genannt werden kann, angeboten werden. Wichtig ist dabei, das dieser Raum für alle SuS geöffnet ist , z.B. allen als Meditationsraum dient und eben auch SuS besonderer Religionszugehörigkeit für ihre Religionsausübung.  So kann viel positive Offenheit für religiöse Diversität in der Schule aufgebaut werden.  Religiöse Diversität bedeutet auch immer einen anderen kulturellen Hintergrund in der Klasse einzuführen und den anderen SuS positiv im täglichen Miteinander zu vermitteln. Dies sollte im Idealfall ab der Grundschule geschehen, um Offenheit gegenüber anderen Religionen als selbstverständlich im Erziehungsbild wirken zu lassen.

Hinweisen möchte ich weiterhin auf besondere Schulformen, wie z.B. Privatschulen religiöser Träger, in denen religiöse Diversität vom Selbstverständnis der Schulform her betrachtet stärker in Erscheinung tritt als an staatlichen Schulen, in denen es abhängig von einzelnen Bundesländern keinen Religionsunterricht gibt. Konkret an katholischen Schulen werden die religiösen Feiertage immer stärker im Schuljahreskreis erlebt und zelebriert, z.B. Pfingsten, Fronleichnam, die Fastenzeit etc. wie an staatlichen Schulen desselben Bundeslandes, z.B. im Bundesland Bremen.

Einschränkend im Bezug auf die religiöse Diversität an staatlichen Schulen möchte ich ergänzen, dass im Bundesland Bayern an staatlichen Schulen ein positives religiöses Miteinander sicher stärker gepflegt wird als an staatlichen Schulen z.B. in Niedersachsen, wo die Abbildung religiöser Diversität in der Schule nicht den Stellenwert hat.