Warum tun ich Lehrkräfte im Umgang mit einer heterogenisierten Schüler*innenschaft und einer individualisierten Öffnung des Unterrichts schwer? Wie würden Sie sich selbst zu dieser Anforderung positionieren?

Das Hauptargument der Lehrkräfte entgegen eines heterogenen Unterrichts ist das Argument, dass die Unterrichtsvorbereitung aufwendiger ist, wenn Leistungsheterogenität im Unterricht berücksichtigt wird.  Es muss vorbereitend für unterschiedlich leistungsstarke Schüler*innen an den individuellen Leistungsstandard angepasstes Unterrichtsmaterial zusammengestellt werden.  So wie schon bei Schulpraktikanten häufig zu erkennen ist, dass die Klasse als homogene Einheit betrachtet wird, „Die Klasse hat … gelernt…“ (Reh, Sabine, 2005, S. 84), setzt sich die fehlende individualisierte Sichtweise der Lehrkräfte auf die Klasse fort. Grenzen werden den Lehrkräften, die tatsächlich eine Individualisierung des Unterrichts anstreben, schnell gesetzt, denn ein Unterrichten eines Schülers, der z.B. in Französisch durch Schulwechsel inhaltlich so nachhängt, dass ein erfolgreiches Lernen in diesem Fach in einer Gy-Klasse nicht möglich ist, hat nicht die Möglichkeit, nur diesen Fachunterricht in der parallelen Sekundarschulklasse zu besuchen, weil das unser deutsches Schulsystem so nicht vorsieht (vgl. Reh, Sabine, 2005, S. 82). Eine Möglichkeit des individualisierten Lernens in der Klasse könnte z.B. das Lernen an Stationen sein, bei dem alle Schüler*innen sich für eine bestimmte, vorher von der Lehrperson festgelegte Zeitdauer jeweils individualisiert in kleinen Gruppen mit je einer Aufgabe innerhalb eines Projekts beschäftigen. Eine Zuordnung der Kleingruppen zu Lernteams durch die Lehrperson kann den individuellen Lernerfolg optimieren, indem z.B. auf eine bestimmte Zusammensetzung von leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schüler*innen innerhalb der Lernteams geachtet wird (vgl. Reh, Sabine, 2005, S. 82). So könnte sich auch die Lehrperson viel eigene Vorbereitungszeit ersparen, indem sich die Schüler*innen Sachverhalte gegenseitig erklären und voneinander lernen. Bei großen Lerngruppen, wie sie im Sekundarschulbereich üblich sind, würde ich die Methode des Stationenlernens so oft wie möglich anwenden, weil der individuelle Lernzuwachs hier am höchsten ist, wenn die Zusammensetzung der Lerngruppe durch die Lehrperson vorbestimmt wird. Aufgrund der wachsenden Leistungsunterschiede innerhalb der Jahrgangsklassen wird es zunehmend unverzichtbar, dass ein individualisierter, heterogenisierter Unterricht stattfindet und Lehrpersonen das Bewußtsein dafür entwickeln, die Vielfalt der Köpfe im Klassenverband (vgl. Reh, Sabine, 2005, S. 84) wahrzunehmen. Ich persönlich nutze gerne Unterrichtsmethoden, in denen die Schüler*innen selbst aktiv sein und z.B. Regel  herausfinden müssen, z.B. in Rollenspielen, Dialogen etc., in der Bewegungsaktivität untereinander. Bei Anwendung dieser Methoden zeigt sich nach meinen Erfahrungen, dass der individualisierte Lernerfolg deutlich höher ist als z.B. beim Frontalunterricht, wo den Schüler*innen die Antworten durch die Lehrperson vorgegeben werden.

Beitrag zum 9. Vorlesungstermin: Ermitteln Sie in einer Lehrbuchreihe Ihrer Wahl Aufgaben, die Ihrer Ansicht nach besonders Jungen oder besonders Mädchen ansprechen. Versuchen Sie diese Aufgabe(n) mit einer umgekehrten Gender-Orientierung umzuformulieren.

Aufgabe zum 9. Vorlesungstermin: Ermitteln Sie in einer Lehrbuchreihe Ihrer Wahl Aufgaben, die Ihrer Ansicht nach besonders Jungen oder besonders Mädchen ansprechen. Versuchen  Sie diese Aufgabe(n) mit einer umgekehrten Gender-Orientierung umzuformulieren.

Deutschbuch 6

In den folgenden Aufgaben im Buch werden mehr die Jungen angesprochen. Folgende Änderungen würde ich an den Aufgabenstellungen vornehmen, um auch die Mädchen anzusprechen:

Seite 21, Aufgabe 1b

Originalfrage: Überlegt gemeinsam, wie Ruben Klaus beistehen und der Geschichte zu einem guten Ende verhelfen könnte. Notiert eure Ideen in Stichworten.

Geändert: Überlegt gemeinsam, wie Luisa, eine Klassenkameradin, Klaus beistehen und der Geschichte zu einem guten Ende verhelfen könnte. Notiert eure Ideen in Stichworten.

Seite 87, Aufgabe 1b

Originalfrage: Manfred und Amal sind gute Freunde. Woran lässt sich das erkennen? Sucht entsprechende Textstellen.

Geändert: Kann Gesine erkennen, dass Manfred und Amal gute Freunde sind? Sucht entsprechende Textstellen.

Seite 130, Aufgabe Nr. 4

Originalfrage: Grendel wird im Text als Unhold (Z.35) und als Ungeheuer (Z.109) bezeichnet. Wie stellt ihr euch Grendel vor? Beschreibt oder zeichnet ihn.

Geändert: Grendel wird im Text als Unhold (Z.35) und als Ungeheuer (Z.109) bezeichnet. Wie würdet ihr euch Grendel als weibliche Person vorstellen? Beschreibt oder zeichnet sie.

Deutschbuch 7

In den folgenden Aufgaben im Buch werden mehr die Jungen angesprochen. Folgende Änderungen würde ich an den Aufgabenstellungen vornehmen, um auch die Mädchen anzusprechen:

Seite 19 Aufgabe 1a

Originalfrage: Lest den Aufruf und die Notizen von Martin zum „Pillow Fight Day“.

Geändert: Lest den Aufruf und die Notizen von Martin zum „Pillow Fight Day“. Wir würde Luisa, Martins Klassenkameradin, von dem Ereignis berichten?

Seite 95 Aufgabe 6

Originalfrage: Stellt euch vor, ihr seid ein Mitschüler und bekommt Barrys Verhalten gegenüber Ismael mit. Schreibt einen Tagebucheintrag, in dem ihr auf das Verhalten von Barry und Ismael eingeht.

Geändert: Stellt euch vor, ihr seid in der Klasse und bekommt Barrys Verhalten gegenüber Ismael mit. Schreibt einen Tagebucheintrag, in dem ihr auf das Verhalten von Barry und Ismael eingeht.

Seite 115 Aufgabe 1a

Originalfrage: Wie endet die Geschichte? Entscheidet euch spontan für einen Schluss (A, B oder C).

Geändert: Wie endet die Geschichte, wenn der Junge in der Geschichte ein Mädchen wäre? Entscheidet euch spontan für einen Schluss (A, B oder C).

 

Lehrbuchreihe: Deutschbuch 6 und Deutschbuch 7

Sprach- und Lesebuch Gymnasium

Cornelsen Verlag, Berlin

1.Auflage 2012 und 1. Auflage 2013

Beitrag zum 7. Vorlesungstermin: Wie kann ein gemeinsamer Deutschunterricht gelingen, an dem auch Kinder und Jugendliche mit begrenztem Zugang zur Schriftsprache teilnehmen?

Ein gemeinsamer Deutschunterricht findet jenseits von Elternwünschen und Erwartungen in der Klasse unter den SuS statt. Hier kann es mittelfristig zu Problemen in der Klasse führen, wenn auch die geduldigsten leistungsstarken SuS in jeder Stunde neuer Stoffeinführung diesen immer wieder den leistungsschwächeren SuS erklären sollen, z.B. weil die Lehrperson das erwartet.

Lösungen bieten hier nicht nur die Einbindung von Heterogenität der SuS durch Einbringen unterschiedlicher persönlicher Erfahrungen differenter Lebenswelten, welche die SUS seit frühester Kindheit erfahren, sondern auch die Berücksichtigung von Lerntypen. Als ideal sehe ich eine Kombination von beidem.

So können z.B. bildliche Eindrücke in der Schriftsprache leistungsschwächere SuS schon ab dem Grundschulalter motivieren, gedanklich auch weiter dem Unterricht zu folgen. Lernen über den visuellen Eindruck wird heute schon in der Kita vermittelt, oder auch später beim Fremdsprachenerwerb zur Wortschatzerweiterung.  Konkret hier motiviert Lernen über Bilder zum Text SuS mit begrenztem Zugang zur Schriftsprache konzeptionell mündlich zunächst die persönlichen Eindrücke zu formulieren wie andere SuS in der Klasse auch. Diese SuS fühlen sich in der Beteiligung am Unterrichtsgespräch mittels Bildbesprechung zum neuen Text von Anfang an gleich gut in der Leistung und dies wird sicher auch von den anderen SuS so wahrgenommen. Diese Methode kann bereits in der Grundschule ab dem ersten Kontakt mit dem Schreiben angewendet werden, um diese SuS im Lernprozess zu halten.

Ein gemeinsamer Deutschunterricht kann ebenso gelingen über den Höreindruck. Auch mittels des Hörens kann sich die Lehrperson das Interesse dieser SuS, die oft schon negativ durch Ihre Probleme in der Schriftlichkeit vorgeprägt sind und ggf.  gar nicht mehr mitschreiben, bewahren. Man denke an die heutigen Hörbücher, oder ganz traditionell, dass die Lehrperson den neuen Text vorliest und den SuS dazu Verständnisfragen stellt, um die Auseinandersetzung mit dem neuen Stoff anzuregen und zur Vertiefungsphase überzugehen.

Im Übergang vom Bild bzw. dem Hören zur Schrift können farbige Mind Maps das Interesse der schriftlich im Ausdruck lernschwächeren Schüler halten, die z.B. nach Substandiven, Verben, oder thematisch verschieden angeordnet sind, und wo im Übergang noch das Bild hinzutreten kann. Beachtet sollte in jedem Fall, dass SuS sehr wohl in der Lage sind, sich mit dem Bild eine Buchstabenkombination zu merken, die daneben erscheint.  Vokabellernen über Bilder ist im Fremdsprachenerwerb eine bekannte Methode, die auch im Deutschunterricht gelingen wird.

Ganz wichtig ist ausserdem, die Heterogenität der SuS zu beachten, z.B. wenn in Klasse 5 Märchen unterrichtet werden. Märchen werden in Kulturen verschieden dargestellt und es ist eine Bereicherung für alle SuS, wenn z.B. neben einer Mind Map mit Wörtern wie Zauberlehrling oder Rumpelstilzchen Begriffe erscheinen, die SuS aus ihren Kulturen einbringen. Ergänzend könnte dazu ggf. auch ein Märchen aus einer anderen Kultur, die SuS in der Klasse kennen, und es in der Sprache der Kinder untereinander vermitteln können, gelesen oder wenigstens angelesen werden. So kann Deutschunterricht mit Freude und Respekt aller SuS untereinander gelingen, weil dann auch die lernstarken SuS bemerken, dass sie nicht immer die Lernstarken sind und dass es noch auf andere Wissensdinge im Leben ankommt ausser gut schreiben können.