Mittwoch

25. Januar 2023 – kleiner Hörsaal HS 1010 (Keksdose)

Programm

Der Mittwoch ist in zwei Blöcke geteilt. Wir zeigen zunächst drei experimentelle Filme und widmen uns dann dem Thema Museum und Archiv

Film 1 – A Family Portrait

Dieser Film erkundet die sinnliche Beziehung zwischen Entfernung und Erinnerung und welche Rolle sie in dem Leben eines*einer Einwander*in spielt. Nachdem ich eines Abends in Deutschland ein Familienportrait auf meinem Handy gefunden habe, verspürte ich eine Sehnsucht nach meiner Heimat. Ich wollte einen Film darüber machen. Aber wie kannst Du über dein Familienportrait reden, ohne über die Realität derer zu reden, die sie bewohnen? Sie sind die Summe der Menschen und der Umgebung, von der sie stammen. Indem ich die Archivaufnahmen von meiner Heimat benutzte, möchte ich das Publikum auf eine Reise mitnehmen, auf der es meine Stadt kennenlernt, die Menschen, die Wirtschaft, den Verkehr, und meine Nachbarschaft, die alle zu meinem Zuhause führen, wo dieses Familienportrait gemacht wurde.

Shubham Sharma studierte Journalismus und Massenkommunikation an der IP University Delhi und absolvierte einen Master in Visueller Anthropologie an der Universität Münster. Er hat mehrere unabhängige Kurzfilme gedreht, die auf Festivals auf ganzen Welt gezeigt wurden, sowie: New York Independent International Film Festival, BLOW-UP International Arthouse und war Gewinner des Preises für den besten Experimentalfilm beim „EuroKino“ Czech International Independent Film Festival. Offiziell ausgewählt auf dem Asian Film Festival LA Hollywood, dem Paus Film Festival und gewann eine besondere Erwähnung der Jury für Kurzfilm bei den TOTO Awards 2021.

Film 2 – Usambara Violet

Einige Topfpflanzen, merkwürdige Stunden des Wachseins und der Blick aus meinem Fenster. Ein heliotropischer Film aus dem Lockdown in Budapest. Ursprünglich als eine Meditation über Isolation und Erholung gedacht, ist der Film eine Aufzeichnung meiner schwach beleuchteten Stunden in Innenräumen während dem Lockdown im Frühjahr in Budapest. Ich habe Zuflucht in Stilleben, materiellen Überresten und dämmrigen Nachrichten gesucht, um die Fremdartigkeit des Alltäglichen zu betonen, aber es war meine Korrespondenz mit Freunden in der Heimat, die zum Herzstück der Komposition wurde. Rückblickend habe ich als Ausländer, der noch dabei war, seine Beziehung zu einer neuen Stadt zu ergründen, vielleicht ungewollt den Beginn der Anpassung nachgezeichnet, indem ich das Hier, das Anderswo und das Nirgendwo einander gegenüberstellte.

Aman Wadhan ist ein indischer Filmemacher und unabhängiger Forscher, der derzeit in Ungarn lebt. Er ist Absolvent des Film and Television Institute of India und der Universität für Theater- und Filmkunst (SzFE) in Budapest. In seinen wenigen Kurzfilmen, die noch weitgehend unbekannt sind, hat er einen souveränen poetischen Ausdruck entwickelt, der sich durch Wärme, Intimität und Sinnesfreuden auszeichnet. Zu seinen Filmen gehören Letter from Korlai (2015), Usambara Violet (2020) und Portrait of Omar at 23 (2020).

Film 3 – Under the White Mask

Basierend auf Ausschnitten von “Under the Black Mask”, einem Film aus dem Jahr 1958 von Paul Haesaerts, wird in diesem Film neu gedacht, was die Masken, hier als Subjekte, zu sagen hätten. Die Rede “Über den Kolonialismus” von Aimé Césaire wird zum ersten Mal in Lingala gesprochen. Die Rede und somit auch der Film dienen als kritischer Spiegel für Europa.

Matthias De Groof (1981), ist ein Filmemacher und Wissenschaftler aus Belgien. Seine preisgekrönten Filme “Lobi Kuna” (2018) und “Palimpsest of the Africa Museum” (2019) wurden unter anderem beim IFFR, Le FIFA und der Berlinale ausgewählt. Sein herausgegebenes Buch “Lumumba in the Arts” (2020) erreichte die Top-100 der “books to escape the news”. Er war unter anderem an der New York University’s Tisch School of the Arts und an der Waseda University in Tokio tätig.

Film 4 – We are all Kanaken

In dem Essayfilm “Wir sind alle Kanaken” zeigt Kervin Saint Pere die komplexen Bedeutungsebenen, die mit dem Begriff “Kanake” verbunden sind und die durch den europäischen Kolonialismus gewaltsam aufgezwungen wurden. Die Aneignung des Begriffs ist eng mit den rassistischen Praktiken des europäischen Kolonialismus im Globalen Süden verbunden und dient bis heute der Legitimierung von Gewalt und der Entmenschlichung. Der Film ist so angelegt, dass der*die Betrachter*in nicht mehr die Menschen sieht, die auf “Gewaltszenen” reduziert werden, sondern diejenigen, die an diesen Formen der Kategorisierung und abwertenden Beurteilung beteiligt sind: Nämlich die Europäer.

Kervin Saint Pere wurde in Peru geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Er ist bildender Künstler und Forscher, der sich vor allem mit audiovisuellen Medien, Migration, Repräsentation, sowie mit Archiven aus einer dekolonialen Perspektive beschäftigt.

Film 5 – Fragl. Herkunft

Eine Vase, ein Buch, ein Armreif, eine Haarlocke. Christian Riemenschneider untersucht Objekte wie diese und versucht herauszufinden, ob sie während des deutschen Nationalsozialismus und der Kolonialzeit unrechtmäßig enteignet und an Museen abgegeben wurden. Der Film “Fragl. Herkunft” erkundet ihre fragmentarischen Geschichten und gibt Einblicke in die Ermittlungsmethoden und die Restitutionsarbeit der Provenienzforschung in Südniedersachsen.

Janek Totaro und Johannes Kohout sind deutsche Dokumentarfilmer und visuelle Anthropologen (M.A.). Im Jahr 2019 gründeten sie die Göttinger Produktionsfirma AKINEMA (Deutschland). Christian Riemenschneider, der Darsteller im Film, arbeitet als Provenienzforscher für den Landschaftsverband Südniedersachsen e.V..

Film 6 – Ghosted

Gesammelt, katalogisiert und kategorisiert. Sortiert und gelagert, um in einem Holzschrank ausgestellt zu werden oder im Dunkeln zu schlummern. Aber kann man einen Geist oder ein Gespenst wirklich einschließen? Die Gegenwart wird immer von der Vergangenheit heimgesucht werden. Der im Rahmen der CAV-Sommerschule “Beyond Observational Cinema” produzierte Film “Ghosted” erforscht die Vorstellungen, die sich um die Objekte im ethnografischen Museum von Neuenburg (Schweiz) ranken, sowie die gespenstische koloniale Vergangenheit der Stadt im Allgemeinen.

Paloma Gude macht einen Master in Anthropologie und Geschichte an der Universität Neuchâtel. Filippo Bozzini macht einen Master in Anthropologie und Soziologie am Graduate Institute of Geneva. Nimal Bourloud macht einen Master der Sozialanthropologie an der Universität Bern.

Film 7 – Bariz

Warnung – Darstellung von Polizeigewalt

Sommer 2015, Paris, Stadtviertel La Chapelle. Hunderte von Exilanten, die kürzlich aus Ostafrika gekommen sind, überleben auf der Straße. Sie werden gewaltsam von der Polizei verfolgt, jedoch von einer großen Gruppe von Anwohnern unterstützt. Von Polizeirazzien bis zur “humanitären Evakuierung”, gefälschten Wohnungsangeboten und gescheiterten Versprechungen versuchten die Behörden, sie zu vertreiben, zum Schweigen zu bringen und sie unsichtbar zu machen, wogegen sie sich mit der Organisation von Versammlungen und Protestmärschen wehren. Einige Monate später, nachdem sie endlich die ihnen zustehende Unterkunft erhalten haben, kehren zwei junge Männer aus dem Sudan an den Ort zurück, an dem sie zuerst gelandet sind, und erzählen von ihrer Ankunft in Paris während dieser Unruhen. Während die ehemaligen Lager heute von Zäunen umgeben sind, ist “Bariz” ein Versuch, eine Spur dieses außergewöhnlichen Moments der Solidarität zu hinterlassen, die von den Migranten selbst erzählt wird.

Nicolas Jaoul ist Anthropologe am “Centre national de la recherche scientifique” (CNRS) und hat sich auf die Politik der unterprivilegierten Minderheiten in Indien spezialisiert. Er hat in Nanterre die Lehren von Jean Rouch studiert und ist daran interessiert, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Kino und Ethnographie sowohl theoretisch als auch praktisch zu erforschen. Im Jahr 2020 veröffentlichte er “Bariz”, um die Migrationspolitik zu dokumentieren.