Mittwoch
21. Januar 2026 – kleiner Hörsaal Universität Bremen (HS1010 Keksdose)
Programm
Am Mittwoch haben alle Filme einen speziellen Fokus auf das Thema „Ecologies and Futures“
Film 1 – Minding Sands
Laura van Erp, Sierra Leone
Niederlande, 2024 (30 Min.)
In Sierra Leone ist Sand nicht nur für den Staat ein wichtiges Material, sondern auch für die Bewohner:innen. Als unverzichtbarer Rohstoff für den Ausbau der Städte schafft er in den Sandminen zahlreiche Arbeitsplätze. Gleichzeitig steht der Abbau der Strände im Konflikt mit dem Bestreben des Staates, Tourist:innen mit eben diesen Stränden anzuziehen. Der Film begleitet Menschen, die in den Minen arbeiten, gibt Einblicke in ihren Alltag und lässt sie von den Herausforderungen und Chancen ihrer Tätigkeit erzählen.
Laura van Erp ist eine niederländische Filmemacherin und Anthropologin, die ihren Masterabschluss in Visueller Anthropologie an der Universität Amsterdam absolvierte. Minding Sands war ihr Debütfilm, der an den Stränden Sierra Leones gedreht wurde. Dort lebte und arbeitete sie ebenfalls. Van Erp beschäftigt, wie eng Umwelt- und Gesellschaftsfragen ineinandergreifen. Mit ihren Filmen versucht sie, die vielschichtige Wirklichkeit des Anthropozäns greifbar zu machen. Mit Minding Sands gewann sie 2024 den “Best Student Film Award” beim International Festival of Ethnological Film in Belgrad.
Film 2 – Meeting Point Eliá
Hannah Hertzberg, Nimal Bourloud & Lienke Roos
Griechenland, 2025, (9 Min.)
Uralt und doch lebendig, verwurzelt im Viertel Agii Anargyri, nördlich des Stadtzentrums, steht der älteste Olivenbaum Athens – tief verankert in Erinnerung, Geschichte und Ort. Der Film folgt den Linien und Oberflächen des Baumes sowie seinen alltäglichen Beziehungen zu nicht-menschlichen Bewohner:innen, Nachbar:innen und Passant:innen.
Der Film entstand im Rahmen der Ethnofest Summer School über einen Zeitraum von drei Wochen.
Hannah Hertzberg hat kürzlich ihr Studium der Global Studies an der Universität Maastricht abgeschlossen. Sie engagiert sich in interkulturellen Projekten und sozialen Initiativen und hat ein starkes Interesse an den Themen Migration und Gemeinschaftsaufbau/Community Building. Mit einem besonderen Fokus auf partizipative Forschungsmethoden und visuelles Storytelling sucht Hannah nach Wegen, akademisches Wissen greifbarer und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Sie möchte mit ihrer Arbeit weiterhin kreative, kollaborative Ansätze erkunden, um zu Projekten beizutragen, die Dialog, Bewusstsein und sozialen Wandel fördern.
Nimal Bourloud absolvierte einen Master in Sozialanthropologie sowie Deutscher Sprache und Literatur an der Universität Bern, Schweiz. Sein besonderes Interesse gilt der kollaborativen und audiovisuellen Forschung, Fragen der Repräsentation, Archive, Dekolonialisierung und Vermittlung. In den letzten Jahren hat Nimal Filmvorführungen und andere öffentliche Kulturveranstaltungen in Bern kuratiert und organisiert. Im Jahr 2021 war er Mitinitiator des ersten EthnoKino Film Festivals und ist danach Teil des Filmkollektivs ciné liminal geworden. Im Jahr 2024 leitete er die Veranstaltungsreihe „Arctic Voices. Indigenous Perspectives on Pasts, Presents and Futures“ (www.arcticvoices.ch) und arbeitete als Vermittler in der Ausstellung „Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus“ am Historischen Museum Bern.
Lienke Roos ist eine Filmemacherin aus den Niederlanden. Nach ihrem Abschluss in Liberal Arts im Jahr 2017 beschäftigte sie sich zum ersten Mal mit dem dokumentarischen Filmemachen. Ihr Kurzdokumentarfilm „The Bridge“ porträtiert eine kleine Stadt in den Niederlanden, die von ethnischen Spannungen aufgewühlt wird, und gewann beim LimburgFilmFestival den Preis „best new filmmaker“. Im September 2022 begann Lienke ein Masterstudium in Visueller Anthropologie in Aarhus mit dem Ziel, Mittel zur Vertiefung ihrer Vision zu finden und das Filmemachen auf einer anderen Ebene zu erkunden. In ihrer Arbeit schätzt sie die Intimität, die entsteht, wenn sie präsent ist und in die Essenz des Lebens der Menschen eintaucht. Um weitere Tools für diesen Bereich zu erlangen, begann sie im September dieses Jahres einen Master in Spiritual Care.
Film 3 – Against Forgetting
Azad Azizyan
Kurdistan/Vereinigte Staaten, 2024 (22 Min.)
Der Film erzählt die Geschichte von vier Teilnehmer:innen in Diyarbakır, einer Stadt im nördlichen Kurdistan, die sich mitten in politischen Umbrüchen befindet. Im September 2016 setzte der türkische Präsident dort Treuhänder ein, die die gewählten Bürgermeister:innen pro-kurdischer Gemeinden ersetzten und damit die lokale Selbstverwaltung entmachteten. Trotz dieser Situation engagieren sich die Mitwirkenden dafür, die kurdische Kultur über Land, Körper, Essen und Musik lebendig zu halten. Im Verlauf ihrer Erzählungen wird deutlich, wie sie die Widrigkeiten staatlicher Repression und kultureller Beharrlichkeit in ihrem Alltag bewältigen.
Azad Azizyan ist ein kurdisch-amerikanischer Dokumentarfilmer, der mit seinen Arbeiten die Grenzen des dokumentarischen Erzählens erweitert. In enger Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus Kurdistan und der Diaspora widmet er sich dem kollektiven kurdischen Gedächtnis, das traditionell von Generation zu Generation mündlich weitergegeben wird. Des Weiteren engagiert er sich bei kurdischen Filmfestivals weltweit, um die internationale Sichtbarkeit des kurdischen Kinos zu erhöhen.
Film 4 – Grave Diggers for Hire
Nguyen Anh
Vietnam, 2025 (33 Min.)
“Grave Diggers for Hire” begleitet Binh und Ngoc, zwei Männer, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Gräber zu pflegen und das „Bốc Mộ“-Ritual durchzuführen – ein traditioneller vietnamesischer Brauch, bei dem menschliche Überreste ausgegraben, gereinigt und wieder beigesetzt werden. Gemeinsam mit ihren Söhnen behandeln sie die Verstorbenen mit Sorgfalt und Humor und erhalten so eine schwindende Verbindung zwischen den Lebenden und ihren Vorfahren. Da Einäscherungen in Vietnam immer häufiger werden, verschwindet diese Praxis langsam.
Der Film bietet eine ruhige, beobachtende Perspektive auf eine fragile Tradition, die von Glauben, Biologie und kulturellem Wandel geprägt ist und leistet so einen Beitrag zur visuellen Anthropologie, indem er Ritual und Alltag gleichermaßen genau betrachtet.
Nguyen Anh (geb. 1995, in der Nähe von Hanoi) schloss 2018 ihr Grafikdesign-Studium ab. Nach fast sieben Jahren wechselte sie schließlich zur Dokumentarfilmproduktion und nahm mit 29 Jahren am “Varan Vietnam Workshop” teil. Dies markierte den Beginn ihrer Erforschung des dokumentarischen Erzählens als neuen, kreativen Weg.
Film 5 – Angry Spirits
Iris Pakulla
Mongolei, 2024 (01:34 Min.)
Der Film Angry Spirits begleitet Ainur, eine junge Tänzerin aus Ulaanbaatar, die das Gefühl hat, von dunklen Mächten verfolgt zu werden. Auf Rat von Schamanen reist sie zurück in die Wüste Gobi, um Kontakt zu den Geistern der Natur und den Ahnen ihres Stammes aufzunehmen. Dort wird sie mit den Folgen von Umweltzerstörung durch Bergbau und Industrialisierung konfrontiert. Der Film mischt dokumentarische Szenen mit inszenierten Traumsequenzen und zeigt, wie Ainur mit ihren inneren Konflikten umgeht und nach Heilung sucht. Zugleich wird deutlich, wie eng das Leben der Menschen mit der Natur und ihren Traditionen verbunden ist.
Iris Pakulla ist Anthropologin und Filmemacherin, die 2024 an der University of Cambridge promovierte. Viele Jahre lebte und forschte sie in der Mongolei und untersuchte dabei Themen wie Umwelt, Extraktivismus, Arbeit und politische Partizipation. Die Premiere von Angry Spirits fand im April 2025 in Hamburg statt und markierte den Beginn der Kinotour. Schon vor Angry Spirits arbeitete Pakulla an Projekten wie Gods of Molenbeek (2019) und The Queen of Silence (2022), die international ausgestrahlt und auf Festivals präsentiert wurden.