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Eine Frage des Respekts

Eine Präsentation. Eine undankbare Aufgabe, würde ich sie nennen. Schätzungsweise liegen leider fünfzig Prozent anteilig bei der Zuhörerschaft, ob eine Präsentation sich nun als gelungen bezeichnen darf oder nicht. Denn wenn kein Interesse im Publikum vorherrscht, dann nützt auch alles Gestrampel am Rednerpult nichts. Und die Interessen-/Aufmerksamkeitsspanne des digitalen Menschen ist heutzutage zeitlich doch äußerst begrenzt (oder werden irgendwo noch Fernseher ohne Fernbedienung hergestellt?). Daher: in der Kürze liegt die Würze (s.u.). Aber selbst die schönste und am schnellsten wachsende aller Blumen fruchtet nicht, fällt ihr Krumen auf verdörrten Acker. So. In der Regel lauscht niemand so ganz unvorbereitet einem Referat. Das Thema der Veranstaltung ist meist bekannt und normalerweise gibt es zur Vorbereitung der Sitzung ja auch noch ein paar Seiten Lektüre dazu. Also kann man als Referent davon ausgehen, dass günstigstenfalls ungefähr die Hälfte der Anwesenden nicht Gefahr läuft vollkommen in einen Bottich kalten Nasses zu tauchen. Daran kann man ja anknüpfen. Dann ist man sehr gut beraten, eine kleine Power Point Präsentation in seinen Vortrag einzubinden. Am besten schön mit bunten Bildern (große Buchstaben haben sich hier auch sehr bewährt – eine Auflage von tägl. über 3 Mio. spricht da Bände). So kann man über die dem Menschen angeborene Neugier nochmals zusätzlich ca. 10-20% Zuhörer mobilisieren und – quasi semiotisch – an die Thematik fesseln. Gut machen sich auch Bilder und Graphiken auf dem Handout. Mit Platz zum „Selber-was-dazu-Malen“, bestenfalls sogar für Notizen (persönlich finde ich, dass das der größte Lohn während eines und für ein Referat ist, wenn sich tatsächlich jemand ob des gehaltenen Vortrages Notizen macht; und damit meine ich keine Willst-du-mit-mir-gehen-Zettel/Einkaufs-/To-do-Listen/o.ä., sondern akustisch aufgenommene Informationen, des Niederschreibens für würdig befunden, welche dann eventuell sogar noch zu Rückfragen führen; wenn ich das mal höchstselbst als Referent bei mehr als zwei Personen bemerke, heule ich wahrscheinlich glattweg vor Rührung Rotz und Wasser). Wenn man ganz gewitzt ist, es ist eine Kunst für sich, dann baut man auch noch kleine Mitmachaufgaben mit ein. Nichts anstrengendes, aber eine gelöste Aufgabe deren kleines Aha-Erlebnis rückschlüssig auf das Thema zuführt, kann dir schon teilweise über neunzig Prozent Zuhörerschaft einbringen. Gewiefte Kenner des Fachs führen diesen Kniff im letzten Drittel der Präsentation ins Feld, um mit der größtmöglichen Anzahl von aufmerksamen Zuhöhrerinnen und Zuhörern eine Punktlandung hin zum Resümee der eigenen Ausführungen hinzulegen. Man rufe sich hierzu immer wieder den guten Herodot ins Gedächtnis: „Den Anfang eurer Rede haben wir wieder vergessen und das Letzte nicht verstanden.“ Will sagen: wenn du sie (fast) alle aufmerksam zumindest mit zum Fazit nimmst, hast du deine Sache gut gemacht.

Sicher wird man sich früher oder später mal in einem Vortrag wiederfinden und feststellen, dass der Rednerin/dem Redner aber jedwede Fähigkeit im Bereich Entertainment so was von abgeht. Toll ist das nicht. Allerdings ist es auch nicht unbedingt notwendig, jeden Vortrag spannend zu gestalten, wenn es rein um die Vermittlung von Wissen oder um qualifizierte Darstellungen aktueller Forschungsstände geht. Außerdem leben Präsentationen ja auch von Ihrem Thema. „Wie ich vom Strand nicht nach Hause fand oder Oh, guck an, die Sonne“ ist vielleicht vielversprechender im Bereich der Unterhaltsamkeiten als „Phraseologismen in der Sportpublizistik“. Kommt natürlich auf den eigenen Interessenschwerpunkt an (s.o.). Eigentlich hätte ich hier an dieser Stelle viel lieber ein Beispiel aus der Biochemie genannt, aber wie gesagt: wo die Liebe hinfällt. Wenn der Vortrag auch trocken ist, schöner, bequemer, kompakter und schneller erschließt man sich sicher kein (dann auch schon fertig aufbereitetes) Themenfeld. Natürlich fällt es auch nicht jedem Menschen leicht, vor Publikum zu sprechen. Wenn man sich trotz Unsicherheit aber dennoch bemüht, die Kernaussagen verständlich darzustellen, ist das ja auch gar nicht weiter schlimm. Man wächst schließlich mit seinen Aufgaben. Und grade deshalb bin ich der Meinung, dass man im Studium – selbst wenn einen das Thema nicht anspricht – den Kommolitoninnen und Kommolitonen gegenüber so fair sein muß, über eventuelle Unzulänglichkeiten hinwegzusehen und ein positives Feedback in Form von Aufmerksamkeit geben sollte. Eine Frage des gegenseitigen Respekts. Anschließend eine ehrliche Kritik und unsichere Menschen gehen das nächste Mal schon etwas positiver bestärkt an eine solche Aufgabe heran. Harsches Niedermachen (sich bitte auch mal immer vorstellen wie und vor allem ob man es selbst besser machen würde und das „wie“ dann ruhig teilen!) oder ein Auftritt vor einer Herde Kuhköppe animiert nun mal nicht unbedingt zur Leistungssteigerung bzw. zum Angstabbau.

Am ätzendsten ist es, wenn nach spät. fünf Minuten allen klar ist, dass die Referentin/der Referent auch nicht mehr weiß, als man selbst [scheiss Anwesenheitspflicht]. Man schämt sich doch fremd, wenn einem das (immerhin!) vorliegende Handout vorgelesen wird und fühlt sich durch das entgegengebachte Misstrauen gegenüber den eigenen Fähigkeiten (hier: Lesen) herabgewürdigt. Also nee, echt jetzt mal, geht gar nicht. M.E. ist das die sicherste Methode eine Präsentation so unerträglich wie nur möglich zu machen.

Fazit: „Ich behaupte, dass eine mittelmäßige Rede unter der Gewalt eines vollendeten Vortrages mehr Eindruck macht als die vollendetste, bei der der Vortrag mangelt“ (Quintilianus) oder eben doch reden und wissen worüber man spricht und so geil abstylen. Beides gut; ich tendiere privat zur ersten Variante ansonsten (studitechnisch) eher zu letzterem.



3 Comments

  1.   Anne wrote:

    Hey,
    ja da hast du Recht, eine gelungene Präsentation hängt immer von vielen Faktoren ab und die Berücksichtigung von allen Aspekten ist nicht immer so einfach.
    Viele Grüße

    Dienstag, Januar 18, 2011 at 20:12 | Permalink
  2.   Svenja wrote:

    Ha! Wie passend, ich bastel grad selbst an nem Vortrag, da kommt mir Deine – im übrigen äußerst gelungene und unterhaltsame – Darstellung der Faktoren, die eine wohlgefällige Präsentation von einer solchen bar dieser Vorzüge unterscheiden doch gerade recht!
    Wie was wo? Biochemie? WAS machst Du noch mal genau? Sollte ich da eine verwandte, Naturwissenschaften UND Sprache liebende Seele entdeckt haben? 😉

    Donnerstag, Januar 20, 2011 at 14:19 | Permalink
  3.   Jürgen wrote:

    Danke. Wenn’s auch noch was nützt, freu ich mich doch doppelt.
    Nebenbei, ich mach Geschichte VF. Logischer Empirismus, Wissenschaftsgeschichte, damit muss ich (über)leben, denn für reine NW mangelt es mir leider an mathematisch-formalistischer Begabung. Biochemie, Neurophysiologie, Schrödingers Katze, solange es in Worte zu fassen ist…

    Dienstag, Januar 25, 2011 at 21:04 | Permalink

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