RV03 / Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding / Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen


1.Erläutern Sie den Einfluss von Intelligenz und Vorwissen auf den Lernerfolg. In welchem Verhältnis stehen diese beiden Heterogenitätsdimensionen? Was muss man tun, um ihren jeweiligen Einfluss empirisch zu untersuchen? Und was bedeuten die Befunde für Schule und Unterricht? 

Der Einfluss von Intelligenz und Vorwissen im Lernerfolg ist enorm hoch, dennoch ist das Vorwissen entscheidender für den Lernerfolg. In der Studie von Schneider, Körkel & Weinert wurden Kinder gebeten eine Fußballgeschichte, welche ihnen zuvor erzählt wurde, so detailliert und präzise wie möglich wiederzugeben. Diese Kinder wurden dann in vier unterschiedliche Gruppen eingeteilt: Intelligent ohne Vorwissen, Intelligent mit Vorwissen, geringere Intelligenz ohne Vorwissen und abschließend geringe Intelligenz mit Vorwissen (die Einteilung in Intelligent und weniger Intelligent wurde zuvor mit einem Intelligenztest gemessen). Nach der Befragung ist deutlich geworden, dass Kinder mit Vorwissen deutlich besser dazu in der Lage waren, die erzählte Geschichte wiederzugeben (vgl. Schneider, Körke & Weinert 1989: 307f.).
Für den Unterricht in Schule könnte somit ein neues Verständnis dafür entstehen, wie wichtig die Reflexion über vorhandenes oder nicht vorhandenes Vorwissen innerhalb der Schülerschaft ist. Als Lehrkraft selbst muss man vorsichtig seinen Schülern nicht ein gewisses Vorwissen zu unterstellen aufgrund von Nationalität, Sexualität oder dessen Aussehen. Die Möglichkeiten Vorwissen in bestimmten Bereichen zu haben hängt oft mit materiellen-, familiäreren- und auch räumlichen Möglichkeiten zusammen, die ein Teil der Kinder hat, andere jedoch nicht haben.

2.Einige Befunde der heutigen Sitzung waren für Sie möglicherweise überraschend. Oder Sie sehen einige der Forschungsergebnisse kritisch in Bezug auf Schule und Unterricht. Welche (Forschungs-)Fragen ergeben sich daraus (z.B. für Ihr nächstes Praktikum)? Und wie können Sie diese Fragen beantworten?

Die ganze Thematik war für mich völlig neu, ich habe mir nicht viele Gedanken zu dem Thema gemacht ob nun Intelligenz oder Vorwissen „wichtiger“ für den Lernerfolg ist. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Vorwissen eine so große Rolle für den Lernprozess spielt und als entscheidender gegenüber der Intelligenz betrachtet werden kann. In einem Schulpraktikum bin ich darauf gespannt, ob ich dieser Aussage überhaupt grundsätzlich zustimmen würde. Mit meinem zweiten Fach Sportwissenschaft würde diese Aussage grundsätzlich Sinn ergeben, jedoch sehe ich dies voranging in der Praxis zutreffen (Wer bereits im Verein Fußball spielt, hat es selbstverständlich keine Probleme damit auch im Sportunterricht Fußball zuspielen).

 

3. Am Ende des Vortrags wurden zwei verschiedene Adaptionsmodelle (Weinert, 1997; Leutner, 1992) dargestellt. Finden Sie zu jeder der in den Modellen genannten Reaktionsmöglichkeiten bzw. Adaptionsformen Praxisbeispiele.

Die Adaptionsmodelle von Weinert können nach passiv, substitutiv, aktiv und proaktiv kategorisiert werden. Bei der passiven Reaktionsform sollen lern – und Leistungsunterschiede ignoriert während bei der substitutiven Reaktionsform die Lernenden an den Unterricht angepasst werden sollen durch Förder- oder Trainingsmaßnahmen. Zur substitutiven Reaktionsform gehört es außerdem dazu Schüler*innen durch selektierte Maßnahmen in bestimmte Schulformen zuzuweisen, dies wird bspw. durch die Einteilung in Gymnasium, Sonderschule oder Stadtteilschule vorgenommen. Bei der aktiven Reaktionsform soll ein möglichst hoher Lernerfolg bei den Schülern*innen erzielt werden indem man bspw. versucht Inhalte/Fragen/Bespiele aus dem Unterricht so auf die Kinder abzustimmen, dass sie sich selbst angesprochen fühlen und somit Bezug zu sich selbst sehen. Bei der Proaktiven Reaktionsform geht es darum eine gezielte Förderung von einzelnen Schülern im adaptiven Unterricht zu ermöglichen. Hierbei könnten ähnliche Ansätze wie bei der aktiven Reaktionsform verwendet werden, damit einzelnen Kindern das gegeben wird, was sie brauchen wie bspw. kleine Pausen, wenn sie diese benötigen.

 

Literatur:

Leutner, D. (1992). Adaptive Lehrsysteme. Instruktionspsychologische Grundlagen und experimentelle Analysen.
Weinheim: Beltz.

Schneider, W., Körkel, J., & Weinert, F. E. (1989). Domain-specific knowledge and memory performance: A comparison of high- and low-aptitude children. Journal of Educational Psychology, 81, 306–312.

 


Eine Antwort zu “RV03 / Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding / Die kognitiven Dimensionen von Lernerfolg: Intelligenz vs. Vorwissen”

  1. Ich finde auch, dass die Vorlesung und die darin vorgestellten Studien von Schneider, Körkel und Weinert veranschaulichen konnten, dass Intelligenz und Vorwissen im Lernerfolg undenklich sind. Wobei es Intelligenz wohl nicht ohne Vorwissen gibt und Vorwissen nicht ohne Intelligenz. Es war schon früh (1905) bekannt, dass Intelligenz den allgemeinen Schulerfolg vorhersagen kann (vgl. Binet & Simon, 1905), Dabei gehen viele davon aus, dass vor allem Attribute wie z.B. Schnelligkeit in einer Aufgabenlösung Merkmale seien („Smart is fast“) wobei interessanterweise eine Studie von Sternberg et al. (1981) herausgefunden hat, dass in vielen südamerikanischen Ländern hingegen intelligente Leute fast nie mit solchen Attributen in Verbindung gebracht werden. Da scheint es also kulturelle Unterschiede mit der Auffassung von Intelligenz zu geben. Die Studie von Schneider, Körkel und Weinert veranschaulicht auf jeden Fall gut das die Bedeutung von Vorwissen im Lernerfolg vielleicht bisher ein wenig unterschätzt wurde.
    Ich finde es gut, dass du nochmal darauf hingewiesen hast, dass Lehrkräfte aufpassen müssen, ihren S*S kein/ein Vorwissen zu unterstellen aufgrund von Nationalitäten, Sexualität, Aussehen. Das soziale Umfeld könnte hier aber durchaus auch Stereotypen schaffen. Ein Kind mit nur einem Beziehungsberechtigten, mit wenig materiellen und räumliche Möglichkeiten kann, muss aber nicht eingegrenzt im Vorwissen sein als andere. Das geht ein wenig zurück auf die letzte Vorlesung und den Begriff „doing culture“.
    Ich finde überhaupt Spannend wie Intelligenz und Vorwissen sich auf ein Fach wie Sport auswirken. Aus meiner Erfahrung heraus, war Sport immer ein Fach, in dem es nicht so wichtig war, ob man darüber schon etwas „wusste“ oder nicht und oft ist es ja tatsächlich so gewesen, dass die Kinder die sonst immer die Überflieger im Unterricht waren, endlich auf eine gleiche Ebene standen, wie die, die im Unterricht häufiger Schwierigkeiten haben. Frage ist nun: Lag das nun an der Intelligenz, oder am Vorwissen?
    Quellen:
    Schneider, W., Körkel, J., & Weinert, F. E. (1989). Domain-specific knowledge and memory performance: A comparison of high- and low-aptitude children. Journal of Educational Psychology, 81, 306–312
    Sternberg, R. J., Conway, B. E., Ketron, J. L., & Bernstein, M. (1981). People’s conceptions of intelligence. Journal of Personality and Social Psychology, 41, 37–55.

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