1.a An Ihrem Gymnasium gibt es einen – wie üblich sehr heterogen besetzte –
Vorkurs, in welchem sogenannte Seiteneinsteiger*innen Deutsch lernen und auf
die Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden. Für einige wird nun der
endgültige Übergang in die Regelklasse diskutiert. Ein Großteil der Lehrpersonen
plädiert – mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden
(bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse – die Schüler*innen an eine Oberschule
zu überweisen, obwohl die Schüler*innen hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer
Vorbildung eigentlich die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen und
gerne an der Schule bleiben würden, da sie dort durch die Teilintegration in die
Regelklassen auch schon Kontakte zu anderen Schüler*innen geknüpft haben.
Nehmen Sie auf Basis der Vorlesung Stellung dazu.

Das Level an Deutschkentissen sollte nicht ausschlaggebend für die Teilnahme in einem Regelunterricht sein. Vielmehr sollten im Vorkurs neben den nötigsten Basics die Bereitschaften und das Potenzial der SchülerInnen Deutsch zu lernen beobachtet und bewertet werden. SchülerInnen bei denen im Vorkurs schon sichtbar wird, dass sie die Bereitschaft und den Willen mitbringen um Deutsch zu lernen sollten, solange Lernfähigkeit und Vorbildung ausreichen, am Regelunterricht teilnehmen dürfen. Ich würde sofern es die SchülerInnen nicht überlastet Sprachkurse neben der Schule empfehlen aber im Regelfall lernen sich Sprachen auch gut innerhalb sozialer Gruppen. Zu sagen gute Deutschkenntnisse sind notwendig um überhaupt den „Sprung“ in den Regelunterricht zu schaffen finde ich grundsätzlich falsch da es Kinder und Jugendliche in wichtigen Phasen ihrer Entwicklung an Bildung beraubt und ihnen gegenüber Gleichaltrigen einen Nachteil gibt (vgl. Daase, 2023, F.11).

1.b Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten
Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und/oder
Praxiserfahrungen als unterrichtende Person) haben Sie bislang gemacht?
Reflektieren Sie diese Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung.

Ich persönlich habe in meiner Kindheit und Jugend zuhause viel Türkisch gesprochen. Obwohl meine Eltern beide Deutsch können wollten sie, dass ich der Türkischen Sprache mächtig werde da ich sonst Probleme hätte mich mit dem Großteil meiner Verwandten zu verständigen. Schon von meinem ersten Jahr an nahm ich am Türkischunterricht in der Schule teil und verbesserte mein Türkisch. Die Kehrseite davon war jedoch, dass es uns untersagt war außerhalb des Türkischunterrichts eine andere Sprache als Deutsch zu sprechen. Dadurch wurde die Muttersprache außerhalb von zuhause und einmal die Woche im Unterricht zu etwas Fremdem, Verbotenem. Das hatte Auswirkungen auf den Kontakt mit SchülerInnen aus den Vorklassen. Da Fremdsprachen auf dem Pausenhof als verboten und falsch empfunden wurden, wurde auch der Kontakt mit den französisch oder arabisch sprechenden Kindern als unnatürlich empfunden und so blieben die Vorklassenkinder in der Regel nur unter sich. Eine Erfahrung die ich als besonders komisch und geradezu ironisch empfand, spielte sich am Zuckerfest ab. Ich war an muslimischen Feiertagen in der Regel einer der einzigen Schüler, welcher Türkisch sprach. An dem Tag kam eine Mutter zum Lehrergespräch, welche nur Türkisch und Kurdisch sprach. Ich wurde aus meiner Klasse geholt um Übersetzer zu spielen und durfte, obwohl es mir falsch vorkam, neben meinen deutschen Lehrern Türkisch reden. Daraus schließe ich, dass man ohne Vielsprachigkeit nicht weit kommt und man sie eher fördern, akzeptieren und feiern sollte, anstatt sie zu unterdrücken.

2. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen
Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen
Ihnen dafür noch? Was wollen Sie dafür tun?

In meinem Hauptfach, Biologie, finde ich es nicht einfach Mehrsprachigkeit in den Unterricht einzubeziehen. Ich habe von ehemaligen Mitschülern mitbekommen dass ihr Sekundarstufe Biologieunterricht bilingual war und finde das ist ein interessanter Gedanke. In meinem Zweitfach, Geschichte, finde ich kann man Mehrsprachigkeit jedoch sehr gut benutzen. So können SchülerInnen Quellen auf Sprachen mitbringen die sie sprechen können und diese Quellen für die MitschülerInnen übersetzen oder zusammenfassen. So lernen SchülerInnen den Wert ihrer Muttersprache oder allgemein den Wert mehrere Sprachen zu beherrschen. Die gesamte Klasse erfährt somit auch mehr über ein Thema, wenn analysiert wird wieso eine bestimmte Quelle auf einer bestimmen Sprache vorhanden ist (Bsp: Denkmal für den Karthagischen Feldheeren Hannibal Barkas mit Türkischer Inschrift-Hannibals Überreste werden im Gebiet der heutigen Türkei vermutet).

3. Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein? Welche
Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit Ihrer
Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten
können?

Zuallererst muss eine Akzeptanz für Fremdsprachen seitens der Lehrkräfte vorhanden sein. Darüber hinaus müssen fremdsprachliche Interaktionen zwischen SchülerInnen erlaubt sein sobald sie nicht die Regel werden. Unterrichtsmaterialien müssen verständlich für alle SchülerInnen gestaltet werden oder zumindest immer vorher Besprochen werden um Unverständnis bezüglich der Sprache zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind technische Hilfsmittel. In meiner Beschäftigung im Einzelhandel kamen oftmals russischsprachige KundInnen auf mich zu und hatten eine Übersetzer App parat. Diese hat den sprachlichen Austausch deutlich erleichtert oder überhaupt möglich gemacht. Wenn sowas auch in jeder Schule gegeben wäre, könnten Lehrkräfte und SchülerInnen bei Sprachbarrieren einfach auf solche Programme zugreifen ohne, dass sich Verzweiflung ausbreitet. Ein weiteres Beispiel welches ich ausführen werde basiert auch auf einer Erfahrung die ich in der Grundschule gemacht habe. Der Mathelehrerin viel auf, dass viele Kinder Zahlen falsch lesen, bzw. aussprechen und führte dies auf die unterschiedlichen leseweisen in verschiedenen Sprachen zurück (42: Deutsch 2+40, Türkisch 40+2).

Somit hat sie die Mehrsprachigkeit als Ressource genutzt (vgl. Kuhn, 2022) und die Vorkenntnisse der SchülerInnen mit dem Unterricht verknüpft und ihnen bzw. uns Parallelen und Unterschiede aufgezeigt

 

Quellen:

Daase, Andrea; Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der gymnasialen Oberstufe; BAUMHET Ringvorlesung; Universität Bremen; 2023

Kuhn, Anette; Umgang mit Mehrsprachigkeit ist vor allem eine Frage der Haltung; Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung; 2022; https://deutsches-schulportal.de/unterricht/didaktik-katja-schnitzer-umgang-mit-mehrsprachigkeit-ist-vor-allem-eine-frage-der-haltung/

 


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