RV12// Prof. Dr. Matthis Kepser// Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht der Sekundarstufen

1. Greiner (2019) formuliert verschiedene Dilemmata, die mit der Forderung nach Inklusion an den Schulen verbunden sind. Nehmen Sie zu dreien Ihrer Wahl Stellung.

Differenzstärkungsdilemma:

Inklusive Schulen stehen vor dem Dilemma der Differenzstärkung, da sichtbare Unterschiede in Leistung und Verhalten vorhanden sind. Um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist eine differenzierte Herangehensweise erforderlich. Jedoch besteht die Gefahr, dass dieser Vergleich zu Beschämung und Abwertung führen kann, insbesondere bei Schülern, die bereits Probleme haben. Daher ist es von großer Bedeutung, eine inklusive Lernumgebung zu schaffen, die die Vielfalt anerkennt, individuelle Stärken fördert und Respekt sowie Akzeptanz fördert. Dadurch können alle Schüler erfolgreich lernen und sich in ihrer Einzigartigkeit akzeptiert fühlen.

Autonomiedilemma:

Das Streben nach autonomem Lernen in der Schule ist ein wichtiges Ziel, da es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entfalten. Allerdings ist es wichtig anzuerkennen, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler die gleiche Motivation und Selbstdisziplin aufbringen können. Einige Schülerinnen und Schüler benötigen möglicherweise zusätzliche Unterstützung, um ihre Autonomie zu entwickeln. Es ist problematisch, wenn der Wunsch nach Autonomie in der Schule dazu führt, dass die Kluft zwischen leistungsschwachen und leistungsstarken Schülern noch größer wird. Schülerinnen und Schüler, die bereits über hilfreiche Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, haben einen Vorteil, während andere möglicherweise benachteiligt sind. Es ist daher von großer Bedeutung, dass Lehrkräfte die Heterogenität der Leistungen erkennen und angemessen darauf eingehen. Es ist wichtig, dass Lehrkräfte die individuellen Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler verstehen und angemessene Unterstützung bieten. Durch gezielte Fördermaßnahmen und individuelle Lernbegleitung können Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt werden, ihre Autonomie zu entwickeln und ihre Potenziale auszuschöpfen. Eine differenzierte und inklusive Unterrichtsgestaltung trägt dazu bei, dass alle Schülerinnen und Schüler gleiche Chancen auf eine erfolgreiche Bildung haben, unabhängig von ihren Ausgangsvoraussetzungen.

Als ob“-Dilemma:

Paradoxale Interaktionspraktiken im inklusiven schulischen Alltag können zu einer doppeldeutigen Botschaft für leistungsschwächere Schüler führen. Obwohl sie gefördert werden sollen, werden ihre Leistungen nicht angemessen anerkannt. Es ist wichtig, diese Problematik anzuerkennen und eine inklusive Lernumgebung zu schaffen, in der alle Schüler gleichermaßen anerkannt und wertgeschätzt werden. Lehrkräfte sollten die individuellen Stärken und Fortschritte jedes Schülers würdigen und positive Rückmeldungen geben. Zudem sollten Vorurteile und Stereotypen aktiv bekämpft werden, um ein respektvolles und unterstützendes Klima zu schaffen. Ziel ist es, das Dilemma paradoxer Interaktionspraktiken zu überwinden und eine förderliche Lernumgebung für alle Schüler zu schaffen.

 

2a.) Die Vermittlung und Reflexion der deutschen Sprache ist nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern ein fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Wo sehen Sie in Ihrem (ggf. zweiten) Fach Möglichkeiten, um Vielsprachigkeit als Ressource zu nutzen.

Im Kunstunterricht bietet es sich an, das enge Zusammenspiel von Kultur und Sprache zu nutzen und dieses Wissen anzuwenden.In dem Fach bieten sich vielfältige Möglichkeiten, die Vielsprachigkeit der Studierenden als Ressource zu nutzen und eine interdisziplinäre Verbindung zur deutschen Sprache herzustellen. Eine Möglichkeit besteht darin, kunstbezogene Texte, Künstlerbiografien oder Ausstellungskataloge in verschiedenen Sprachen zu analysieren und zu interpretieren. Indem Studierende dies tun, erweitern sie nicht nur ihr Verständnis für die künstlerische Praxis, sondern fördern auch gleichzeitig ihre Sprachkompetenz in der deutschen Sprache. Die Einbindung von Vielsprachigkeit im Kunstunterricht eröffnet somit neue Möglichkeiten für kreativen Ausdruck, interkulturelles Lernen und die Integration von sprachlicher Reflexion in den künstlerischen Prozess. Indem Studierende ihre Sprachkenntnisse und kulturellen Hintergründe einbringen, wird der Kunstunterricht zu einem Raum für vielfältige Perspektiven und interdisziplinäres Lernen, der das Verständnis für andere Kulturen und den Austausch zwischen den Studierenden fördert.

 

2b. Gendersensibel Unterrichtsgegenstände auszuwählen und Aufgaben zu konstruieren.

Es ist von großer Bedeutung, im Unterricht auf gendersensible Unterrichtsgegenstände und Aufgaben zu achten, um eine inklusive Lernumgebung zu fördern. Man könnte Unterrichtsmaterialien, Beispiele und Fallstudien auswählen, die sowohl männliche als auch weibliche Perspektiven und Erfahrungen gleichermaßen repräsentieren. Stereotype Rollenbilder sollten vermieden werden und es sollte sicher gestellt werden, dass alle Geschlechter in gleicher Weise sichtbar sind. Es sollte eine inklusive Sprache verwendet werden, die alle Geschlechter einschließt. Diskriminierende oder ausschließende Ausdrücke sollten vermieden werden. Zudem sollten geschlechtsneutrale Begriffe oder -formen verwendet werden.  Es sollte eine breite Palette von verscheidenen Themen und Interessen in den Unterricht aufgenommen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass gemischte Gruppenarbeit gefördert werden sollte, in denen Jungen und Mädchen zusammenarbeiten und voneinander lernen können. Die Aufgaben und Rollen sollten innerhalb der Gruppen gerecht verteilt werden, so dass alle Schüler*innen die Möglichkeit haben hre Fähigkeiten und Ideen einzubringen. Es sollte eine offene und unterstützende Atmosphäre, geschaffen werden, in der sich alle Studierenden unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Geschlechtsidentität respektiert und akzeptiert fühlen.

 

Quellen:

  • Greiner, F., Sommer, S., Czempiel, S., & Kracke, B. (2020). Welches Wissen brauchen Lehrkräfte für inklusiven Unterricht? Journal FüR Psychologie, 27(2), 117–142. https://doi.org/10.30820/0942-2285-2019-2-117 
  • Roll, R. Baur, D. Okonska, A. Schäfer (2017): “ Sprache durch Kunst – Lehr- und Lernmaterialien für einen fächerübergreifenden Deutsch- und Kunstunterricht”, Waxmann, Münster/ New York
  • Matthis Kepser (2023), “Heterogenität und Inklusion im Deutschunterricht – Vielsprachigkeit und Gender als Herausforderungen”, Vorlesung 

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