Mehrsprachigkeit im Schulalltag: Potenziale statt Defizite sehen

Es passiert leider immer wieder: Mehrsprachige Schülerinnen und Schüler sollen trotz gymnasialer Eignung auf eine Oberschule gehen, nur weil ihre Deutschkenntnisse angeblich nicht ausreichen. Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich problematisch. Schule sollte doch gerade der Ort sein, an dem sprachliche Entwicklung gefördert und nicht durch starre Maßstäbe verhindert wird.

 Daase (2025) betont, dass Bildungssprache nichts ist, was Kinder von zu Hause mitbringen müssen. Sie muss in der Schule erlernt und aufgebaut werden. Wenn Kinder, die fachlich mitkommen und sozial integriert sind, wegen sprachlicher Feinheiten ausgeschlossen werden, zeigt das, wie defizitorientiert unser Bildungssystem oft denkt. Statt Ressourcen zu stärken, bauen wir Hürden auf.

Ich habe selbst erlebt, wie es ist, mit einer anderen Erstsprache nach Deutschland zu kommen. Am Anfang hatte ich einen starken Akzent, und obwohl ich grammatikalisch korrekt gesprochen habe, wurde ich oft nicht richtig ernst genommen. Einfach, weil es ungewohnt klang. Das war ziemlich frustrierend. Zum Glück gab es Lehrkräfte, die mich unterstützt und mein Potenzial gesehen haben aber eben auch andere, die mich unterschätzt haben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, sich ausgeschlossen zu fühlen, einfach weil ich sprachlich noch nicht „mithalten“ konnte. Erst durch Freundschaften habe ich mich wohler gefühlt und genau diese sozialen Kontakte haben mir wiederum geholfen, schneller Deutsch zu lernen.

Eine weitere Herausforderung war meine Mehrsprachigkeit selbst. Ich spreche insgesamt vier Sprachen, und je mehr ich mich auf Deutsch konzentrieren musste, desto mehr hatte ich das Gefühl, in den anderen Sprachen nachzulassen. Das war ein Balanceakt, für den im schulischen Alltag wenig Raum ist. Busch (2013) beschreibt, wie wichtig es ist, dass Schule die Mehrsprachigkeit von Kindern nicht nur duldet, sondern aktiv einbindet. Genau das ist bisher noch zu selten der Fall. In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, warum in den meisten Schulen nur Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch als Fremdsprachen angeboten werden. Natürlich sind diese Sprachen wichtig aber sie decken nicht die Vielfalt ab, die unsere Gesellschaft längst prägt. In der Vorlesung wurde zum Beispiel ein Kind erwähnt, das gerne besser Polnisch lernen wollte, aber dafür keine Möglichkeit hatte. Ich glaube, dass solche Angebote nicht nur den sprachlichen Fähigkeiten zugutekommen würden, sondern auch der Identitätsentwicklung. Es würde den Kindern zeigen: Deine Sprache zählt auch im Klassenzimmer.

Mir gefällt zum Beispiel der Gedanke, Eselsbrücken in anderen Sprachen zuzulassen. Wenn ein Kind durch ein Sprichwort in seiner Muttersprache einen Sachverhalt besser versteht, warum sollten wir das nicht nutzen? Es zeigt: Deine Sprache ist nicht im Weg, sie hilft dir beim Lernen. Gleichzeitig merke ich, dass mir noch konkrete Methoden fehlen, um mit sprachlich heterogenen Gruppen gut zu arbeiten. Ich wünsche mir Strategien, die alle Kinder mitnehmen, ohne jemanden zu überfordern oder auszuschließen. Fürstenau (2011) stellt heraus, wie wichtig es ist, Schülerinnen und Schüler an die Bildungssprache heranzuführen, ohne sie dabei zu entmutigen.

Wir leben längst in einer mehrsprachigen Gesellschaft. Es ist Zeit, dass Schule das auch anerkennt. Sprache sollte kein Grund sein, jemanden auszuschließen. Es muss als Teil der Lebensrealität unserer Schülerinnen und Schüler verstanden werden. Ich stelle mir eine Schule vor, in der Herkunftssprachen genauso ernst genommen werden wie Deutsch oder Englisch. In der Sprachvergleiche, Übersetzungen oder auch Codeswitching zum Alltag gehören. Dafür braucht es nicht nur passende Materialien und Fortbildungen, sondern vor allem eine Haltung, die Mehrsprachigkeit als Schatz begreift und nicht als Hürde.

Literaturverzeichnis

Busch, Brigitta (2013): Mehrsprachigkeit. Wien: facultas.

Daase, Andrea (2025): Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der gymnasialen Oberstufe. Vortrag im Rahmen der BAUMHET-Ringvorlesung am 22. April 2025, Universität Bremen.

Fürstenau, Sara (2011): Mehrsprachigkeit als Voraussetzung und Ziel schulischer Bildung. In: Fürstenau, S.; Gomolla, M. (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 25–50.

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