Engagement reicht nicht, wenn man nicht gehört wird

Als Kind habe ich es manchmal gar nicht richtig wahrgenommen – wie präsent meine

Mutter in meiner Schullaufbahn eigentlich war. Heute würde ich sagen: Sie war ein

Paradebeispiel für eine engagierte Mutter. Immer vor Ort, immer im Gespräch mit

Lehrkräften, nicht nur zu Elternsprechtagen. Sie wollte wissen, wie es mir geht, was gut läuft, wo es Probleme gibt. Ich war neu in Deutschland, sprachlich noch auf dem Weg, und sie war diejenige, die die Verbindung zur Schule aufrechterhalten hat. In der Theorie würde man das vermutlich „Bildungspartnerschaft“ nennen – in der Realität fühlte es sich aber nicht immer nach Partnerschaft an.

Rückblickend frage ich mich, ob es wirklich ein gleichberechtigter Austausch war – oder ob meine Mutter nicht eher darum kämpfen musste, gehört zu werden. Denn obwohl sie Interesse zeigte und aktiv war, wurde sie mit ihren Anliegen manchmal nicht ernst genommen. Besonders deutlich wurde das, als es in der fünften Klasse um die Wahl einer zweiten Fremdsprache ging. Statt wie bei den anderen Kindern Rücksprache zu halten, entschieden die Lehrkräfte einfach: „Das ist zu viel für sie.“ Ich bekam keine Sprache. Keine Diskussion. Kein Gespräch. Auch meine Mutter wurde nicht informiert. Später, fürs Abitur, musste ich die Sprache nachholen. Das hat nicht nur zusätzlichen Druck erzeugt, sondern war auch frustrierend – weil die Entscheidung damals über unsere Köpfe hinweg getroffen wurde. 

Dabei haben Eltern laut Bremischem Schulgesetz das Recht auf Einblick in schulische Angelegenheiten und auf umfassende Information über den Schulalltag (vgl. BremSchulG §6, §61). Lehrkräfte wiederum haben die Pflicht, Eltern aktiv einzubeziehen – und nicht nur dann, wenn es Probleme gibt. Doch dieses Recht auf Mitwirkung funktioniert nur, wenn Kommunikation tatsächlich gewollt ist. Wenn sie auf Augenhöhe passiert. Und wenn nicht vorschnell entschieden wird, was man jemandem „zumuten“ kann oder nicht.

Besonders bitter ist es, wenn diese Art der Ausgrenzung mit Sprache zu tun hat. Meine Mutter spricht mit afrikanischem Akzent. Und obwohl sie sich bemühte, sich verständlich auszudrücken, erlebte ich immer wieder, dass Lehrkräfte mit ihr überdeutlich, langsam oder von oben herab redeten. Es wirkte manchmal so, als würden sie denken, sie sei weniger kompetent – nur weil sie nicht „perfekt“ Deutsch sprach. Es ging nie um das, was sie sagte, sondern darum, wie sie sprach.

Die erste Karikatur hat mich diesbezüglich persönlich besonders getroffen:

Die Szene zeigt eine Lehrkraft, die eine Mutter mit Kopftuch überdeutlich fragt: „Kön-nen Sie mich ver-ste-hen?“ Die Mutter antwortet trocken: „Sicher! Es wäre nur schön, wenn Sie etwas leiser sprechen könnten.“ Was auf den ersten Blick witzig wirken könnte, hat mich direkt an viele reale Situationen erinnert. Die Karikatur zeigt auf eine klare Weise, was im Schulalltag oft unausgesprochen bleibt: Die Annahme, Eltern mit Migrationsgeschichte seien entweder nicht interessiert, nicht informiert oder nicht bildungsfähig.

In der Vorlesung wird genau dieses Problem beschrieben: Eltern mit Migrationserfahrung werden in der schulischen Kommunikation häufig als „Klientinnen“, „Zulieferinnen“ oder gar als Störung“ adressiert – selten als gleichberechtigte Akteur*innen mit eigenem Wissen und Erfahrungshorizont (vgl. Karakagoglu/Vogel 2025). Statt echter Kooperation dominiert eine Haltung der Kontrolle. Auch in der Forschung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Perspektive paternalistisch ist – Eltern sollen nicht unterstützt, sondern angepasst werden (vgl. Kollender 2023).

Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist: In der Präsentation hieß es, gute Elternarbeit sei keine Frage der Methode, sondern der Haltung (vgl. Foitzik 2017). Ich glaube, genau das trifft es. Denn meine Mutter hätte keine neuen Tools oder Broschüren gebraucht – sie hätte einfach ernst genommen werden wollen. Als Mutter. Als Expertin für ihr Kind. Und als Teil der Schule – nicht als Randfigur.

Was ich mir wünsche: Dass Schulen mehr zuhören. Dass sie nicht entscheiden, was Eltern verstehen oder können – sondern dass sie nachfragen. Dass sie Vorurteile reflektieren, statt sie zu bestätigen. Und dass sie Eltern nicht nur als Erziehungsberechtigte sehen, sondern als Partnerinnen. Und ja, auch als Menschen mit Akzent, die trotzdem etwas zu sagen haben.

 Literatur

  • Karakagoglu, Yasemin; Vogel, Dita (2025): Migration bewegt Schule. Transnationalität als Impuls für Schulentwicklung und Lehrkräftebildung. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Kollender, Ellen (2023): Eltern in der Schule der Migrationsgesellschaft – eine rassismuskritische Perspektive. In: Georgi, Viola B. & Karakagoglu, Yasemin (Hg.):
    Allgemeinbildende Schulen in der Migrationsgesellschaft. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Foitzik, Andreas (2017): Eine Frage der Haltung – Grundsätze der Eltern(bildungs) arbeit im Migrationskontext. In: Aich, Gernot et al. (Hg.): Kommunikation und Kooperation mit Eltern. Weinheim: Beltz.
  • Bremisches Schulgesetz (BremSchulG): §6, §60, §61.

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