Posted on Oktober 20, 2019
Es waren Banker/innen, teilweise noch in ihren dunkelblauen Anzügen und Kostümen, die sich zu einem Vorständeseminar trafen, um sich mit aktuellen Themen der Gesellschaftsentwicklung zu beschäftigen. Neben China, Digitalisierung oder Motivationsthemen war es meine Aufgabe, Spiral Dynamcis und Nachhaltigkeit 4.0 zu vermitteln. 90 Minuten standen zur Verfügung, um etwas über die komplexen Themen zu vermitteln. Während in dem vorangehenden Folien-Vortrag, den ich hinten im Auditorium sitzend verfolgt habe, die Hälfte der Vorständler/innen das machten, was Studierende in den Hörsälen auch machen – Mails beantworten und News im Internet lesen – , habe ich mit Raumbildern gearbeitet.
Die vier Flipcharts mit den Farbkarten für Spiral Dynamics waren das erste Angebot, Entwicklungsstufen im Raum wahrzunehmen. #Nachhaltigkeit4.0 waren relativ schnell erklärt anhand der Farbenlogik. Tatsächlich ging es mir mehr darum, dass die Vorständler/innen das System ihrer Regionalbanken durch ein Raumbild visualisieren. Die Gruppe aus ca. 30 Vorständler/innen diskutierte darüber, wo sie Kunden, Mitarbeiter/innen, Verwaltungsrat, Bankenauftrag und die Region in dem Farbenschema positionierten. Nach und nach stellten sich die Führungskräfte im Raum auf und ließen ein Bild des Systems entstehen. Das Aktivierungsniveau im Auditorium war sehr hoch.
Aus der Coachingsicht ist es eine spannende Frage, wie eine realistische Selbstpositionierung einer Gruppe entsteht. Wir begannen mit einer systemisch-zirkulären Frage: Was glauben Sie, wo der Verwaltungsrat die Position des Vorstands sieht? Über diese Fremdwahrnehmung herrschte relativ schnelle Einverständnis: Der Vorstand soll für Innovationen und Umsatz sorgen, eine klare orange Positionierung. Das ganze Feld stellte sich aber zwischen einer sicherheitsorientierten Mitarbeiterschaft und einem grünen Bankenauftrag dar. Damit war den Vorständ/innen sehr schnell klar, dass dieses Feld aus der Mitte heraus nicht zu führen war und sie positionierten sich ins gelbe Feld. Vielleicht entstandt nur eine leise Ahnung, was es bedeutet im gelben Feld der Dilemmata kraftvoll zu stehen zu können und von dort aus eine Sogwirkung auf die Entwicklung des Feldes auszulösen. Mit sehr viel mehr Übung in der Methode werden wir irgendwann beobachten können, ob die stellvertretende Bewegung des Vorstands im Raum eine innere Bewegung in den Zuschauer/innen auslöst. Dass es so sein könnte, zeigen die Selbstbeobachtungen der Vorständler/innen in der Feedbackrunde.
„Ich kann jetzt das ganze System in seiner Komplexität sehen!“
„Ich weiß jetzt, dass ich in der Sprache der Entwicklungsstufen mit den anderen Systembeteiligten reden muss!“
„Ich sehe die Dilemmata, in denen wir stecken!“
„Ich habe verstanden, dass ich mit Elementen in den oberen Entwicklungsstufen arbeiten muss, um das Gesamtsystem komplexer gestalten zu können!“
„Es ist etwas in Bewegung gekommen!“
In dem Seminar hatte ich nur 90 min Zeit, Bewegungen anzuregen. Ich versuche an den Feedbacks der Teilnehmer/innen zu erahnen, ob die Methode der #Raumbilder eine neue Art des Erfahrens von Komplexität ermöglicht. Ich lese diese Wirkung aus den Verben in den Feedbacks, die Bewegung andeuten. Wenn Menschen nicht rückkoppeln, dass sie es spannend fanden und viel mitgenommen haben, sondern sie erzählen, dass etwas angestoßen wurde, dass etwas in Bewegung gekommen ist oder ähnliches, dann habe ich das Gefühl, dass ein Bild nicht mehr als tausend Worte sagt, sondern dass ein Bild mehr Bewegung mentaler Karten erzeugen kann als tausend Worte.