1. Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene ) theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung für sich als besonders prägnant mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei konkret sowohl Bezug auf:
a.) die unterschiedlichen, fachdidaktischen Aspekte und übertragen Sie diese in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer. Beziehen Sie sich hierbei auch auf didaktische Erkenntnisse mindestens eines Fachs, das Sie nicht selbst studieren.
Ein prägnantes Thema ist für mich der breitgefasste Begriff Heterogenität. Meine eingangs erste Assoziation, dass es sich bei der Heterogenität um eine bloße Ungleichheit handele, stellte sich als ein Trugschluss heraus. Ich lernte die Vielfalt von Heterogenität kennen, bestimmt durch verschiedene Kulturen, Sprachen, Herkünfte, Hautfarben, Leistungen, sowie der Religion und vielen weiteren Faktoren. Die Aufgabe der Lehrkräfte, die „Ungleichheit“ in eine Gleichbehandlung aller Schüler*innen umzuwandeln, brachte mich besonders in meinem Studienfach Religion zum Nachdenken, da Religion gerade durch seine Vielfalt und Multikulturalität lebt.
Eine weitere Thematik umfasste die Stereotypenfalle in Bezug auf Gesellschaft und Kultur. Bàrbara Roviró bezieht sich besonders auf einen in Deutschland abgehaltenen Fremdsprachenunterricht, den Spanischunterricht. Doch auch das Fach Deutsch fungiert neben Spanisch, Französisch, Latein und vielen weiteren im deutschen Schulraum als Fremdsprache für Schüler*innen. Migranten*innen erleben Deutsch vermehrt nicht als ihre/seine Muttersprache, sodass auch in meinem Studienfach Deutsch eine respektvolle und achtsame Heranführung an diese Sprache und Kultur gegeben sein sollte. Das Ziel, dass Blickfeld über die „nationale Orientierung“ hinaus zu richten und eine Bewegung gegen Stereotype und Vorurteile, hin zur Selbstreflexion der eigenen Wahrnehmung zu entwickeln. Unterrichtsmaterialien, die frei von Vorurteilen und Stereotypen sind, in denen Nicht-Deutschsprachigkeit berücksichtigt wird und an Normalität gewinnt.
b.) generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht.Bitte benennen Sie für diesen Aufgabenteil dabei konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen (Autor*innen, Jahr, Titel).
Die Vorlesung: „Mathematische Leistungsunterschiede“ von Prof. Dr. Christine Knipping hat mich zu der neuen erziehungswissenschaftlichen Erkenntnis des „entdeckenden Lernens“ bewegt. Ich fand Anklang in der Methode des bildlichen und spielerischen Lernens und verstand, dass unser Gehirn nach individuellen Mustern lernt. Spielerische Unterrichtssequenzen eröffnen neue Sicht-und Zugangsweisen, sodass eine Einstufung des Wissensstandes eines*r Schüler*in zugänglich wird und individuell zum Unterrichtsmaterial angepasst werden kann.
Die Frage: „Meint Inklusion wirklich alle?“, hat mir ebenfalls neue erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse eröffnet. Der Werdegang von der Exklusion zur erstrebten „selbstverständlichen Integration“ brachte mich zu dem Aufschluss, dass sich Inklusion in Bezug zu dem Themenfeld Schule und Unterricht nicht nur auf sonderpädagogische Förderbedarfe bezog, sondern vielmehr auf alle Heterogenitätsdimensionen. Ich erlernte die Wichtigkeit der Berücksichtigung und Wahrnehmung jeder individuellen Heterogenitätsdimension, sodass jedem*r Schüler*in die Chance der Entfaltung des motorischen, intellektuellen und sozialen Potenzials ermöglicht wird.
Literaturverzeichnis zu Aufgabe 1:
- Karakaşoğlu, Y. & Mecheril, P. (2019): Pädagogisches Können. Grundsätzliche Überlegungen zu Lehrer*innenbildung in der Migrationsgesellschaft, Doreen Cerny & Manfred Oberlechner (Hg.): Das Professionsfeld Schule in der Migrationsgesellschaft. Opladen: Budrich, S.17-32.
- Katja Scheidt: Rezension von: Alois, Buholzer, / Klaus, Joller-Graf / Annemarie, Kummer Wyss, / Bruno, Zobrist, (Hg.): Kompetenzprofil zum Umgang mit heterogenen Lerngruppen. Wien, Zürich, Berlin, Münster: LIT Verlag . In: EWR 11 (2012), Nr. 6 (Veröffentlicht am 28.11.2012), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978364380084.html
- Leuders, T. (2009). Spielst du noch oder denkst du schon? Produktive Erarbeitungsspiele. In: Praxis der Mathematik in der Schule 47, 2009, Nr. 25, Seite 1-8.
- Prediger, S. & Aufschnaiter, C. v. (2017). Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen aus fachdidaktischer Perspektive: fachspezifische Anforderungs- und Lernstufungen berücksichtigen. In T. Bohl, J. Budde & M. Rieger-Ladich (Hrsg.), Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht (S. 288-304). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
- Walgenbach, Katharina (2017): Heterogenität – Intersektionalität – Diversity in der Erziehungswissenschaft, utb. Opladen und Toronto.
2. Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen, schulstrukturelle Fragen, schulkulturelle Aspekte, Lehrer*innenhandeln)), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele geben. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben.
In der Oberstufe erlebte ich eine positive Erfahrung bezüglich eines Mitschülers mit Autismus. Obgleich seiner Beeinträchtigung wurde er von den Lehrer*innen und Schüler*innen gut in den Unterricht integriert und durch eine auf ihn abgestimmte Begleitperson unterstützt. Ich empfand es als sehr hilfreich, dass die Lehrkräfte uns Schüler*innen zuvor über Autismus und den damit verbundenen Förderbedarfen im Schulalltag aufklärten. So herrschte ein respektvolles und harmonisches Arbeitsklima, welches durch die Bereitstellung eines Rückzugsraumes bei emotionalen Ausbrüchen des Schülers geschützt wurde. Auch der Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum für neurologische Erkrankungen eröffneten mir positive Einblicke in die vielfältigen Möglichkeiten des Umgangs mit Förderbedarfen. Logopädische, physiologische, sowie psychologische Lernfelder, die individuell auf die Lernenden abgestimmt wurden, eröffneten mir neue Lernmuster und Sichtweisen.
Im Nachhinein empfinde ich den Umgang eines Mitschülers in der achten Klasse mit ADHS fragwürdig. Trotz des Bewusstseins der Lehrkräfte über das Krankheitsbild ADHS wurde dieser offensichtliche Förderbedarf von den Lehrkräften zum Teil unterspielt, gar vernachlässigt. Bei Verhaltensauffälligkeiten, wie Unruhe und Konzentrationsdefiziten wurden lediglich Ermahnungen von den Lehrer*innen ausgesprochen, die den Schüler rückwirkend in noch mehr Stress versetzten. Zurückblickend wäre auch hier ein Rückzugsort, in dem sich der Schüler regulieren könnte, sowie ein aufklärendes Gespräch der Lehrkräfte gegenüber der Mitschüler*innen über ADHS ein möglicher Lösungsansatz gewesen, um die Chancengleichheit aller Heterogenitätsdimensionen zu sichern und mit Akzeptanz und Rücksicht zu untermauern.
3. Zu welchen zwei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium im Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.
Einerseits würde ich gerne mehr über die erziehungswissenschaftliche Fragestellung: „Inwiefern Unterschiede im Lernfortschritt der Schüler*innen den Unterricht beeinflussen?“, lernen. Die Vorlesung von Prof. Dr. Christine Knipping zeigt diesbezüglich gut die Leistungsunterschiede in dem Lehrfach Mathematik. Ich würde mir eine Vertiefung dieser Thematik wünschen, um im Voraus einen Umgang dieser Leistungsunterschiede im eigenen Studienfach zu erarbeiten. Andererseits habe ich in der Ringvorlesung viel über die Thematik der Stereotypen und Vorurteile bezüglich verschiedener Herkünfte und Unterrichtsfächer gelernt. Die aufkommende Fragestellung: „Wo die Grenzen der Stereotypen und des Rassismus liegen?“, hat mich zum Nachdenken angeregt. Ich habe reflektiert, in welchen Situationen man in eine Stereotypenfalle tritt und sich sogar unbewusst rassistisch äußert. Alleine die Interessensfrage: „Woher kommst du?“ kann rassistische Aspekte nach sich ziehen. Ich würde gerne mehr darüber erfahren, da diese Thematik für mich eine sehr schmale Grenze zwischen vermeintlicher Nettigkeit und versteckten, unbewussten Rassismus und Vorurteilen aufzeigt. Meiner Meinung nach eine wichtige Lernaufgabe, die in dem Modulthema UMHET Anklang finden könnte.
Abschließend hätte ich mir eine Thematisierung von Lernverweigerungen seitens der Schüler*innen gewünscht. Methoden über Motivation, sowie explizite Ausarbeitungen von Lösungsansätzen würde ich sehr hilfreich finden. Die Bearbeitung von Fallbeispielen haben mir einen guten Einstieg in dieses Lernfeld gegeben, explizite Ansätze zur Behebung von Lernverweigerungen fehlten mir jedoch.
Eine Antwort auf „RV14-Abschlussreflexion“
Liebe Jolie,
in Ihrem Abschlussblog stellen Sie insbesondere differenzierte Bezüge zwischen eigenen Erfahrungen aus der Schule und Inklusions-Inputs aus der Vorlesung her. Mit Religion und Deutsch studieren Sie zwei FÄcher, die in der Veranstaltung in unterschiedlichen Einheiten repräsentiert waren. Sie haben zu den entsprechenden Einheiten gute Bezüge hergestellt und haben mit Impulsen aus einem anderen Fach – Mathematik-Vorlesung – auch bezogen auf den Aspekt Lernmotivation und Leistungsdifferenzierung viel mitgenommen.
Bestanden.
Yasemin Karakasoglu