1.) Bitte begründen Sie unter Rückgriff auf die Ausführungen in der Präsentation, warum Heterogenität im schulischen Kontext häufig als ´Herausforderung´, die bewältigt werden muss, wahrgenommen wird?
Heterogenität ist eine im öffentlichen Diskurs viel erörtertes Thema. In Bezug auf Schule zeigt sich in der Realität oft eine Vielzahl an Herausforderungen im schulischen Alltag, denen von Seiten der Schule, insbesondere von LehrerInnen gerecht werden muss. Von überfüllten Klassen mit unterschiedlichen Schülern mit unterschiedlichen Herkünften, unterschiedlichen Sprach- und Leistungsniveaus bis hin zur Frage der individuellen Förderung von SchülerInnen sehen sich LehrerInnen einer Arbeitsbewältigung gegenüber, die bei ihnen vielfach einen Ordnungswunsch gegen Überforderungsbefürchtungen aufkommen lässt. („Komplexitätsreduktion“, Luhmann 1975) Der Wunsch der Entdeckung von Gemeinsamkeiten kommt dabei schnell auf, um auf vielfältige Herausforderungen adäquat zu reagieren, sodass möglichst vielen SchülerInnen gerecht werden kann. Die Verwendung von Stereotypen als „Rettungsanker“ kommt dabei in der Praxis allzuoft vor, um den individuellen Herausforderungen scheinbar gerecht werden zu können. Diese Vorgehensweise birgt jedoch oft (wenn auch teils unbewusst) die Basis für Diskriminierung und Vorurteile innerhalb derer den Individuellen Bedürfnissen von Schülerinnen eben nicht mehr gerecht werden kann.
Im praktischen Schulalltag bedeuten diese unterschiedlichen Herausforderungen, dass innerhalb eines relativ homogenisierten Schulsystems (zB.: einheitliches Schuleingangsalter, einheitliches Curriculum für eine Altersstufe) Lehrer SchulerInnen nach ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend individuell und bestmöglich fördern sollten. Dies ist in Anbetracht der Personalstruktur (jeweils ein Lehrer pro Klasse, derzeitiger Lehrermangel, unzureichende Unterrichtsausstattung, fehlendes Fachpersonal wie Schulpsychologen oder Sozialpädagogen) nicht einfach zu bewältigen. Heterogenität gemeinhin als „Chance“ zu begreifen bleibt dabei oftmals mehr einer Idealvorstellung denn praktische Realität.
2.) Was ist damit gemeint, wenn von dem ´Konstruktionscharakter´ von Heterogenität die Rede ist? Bitte erklären Sie das in eigenen Worten.
Heterogenität ist eine soziale Konstruktion. Sie hängt von der Vorstellung ab, dass in einer Gesellschaft eine bestimmte Norm, ein gewisser Maßstab existiert. Dies bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass hinsichtlich eines Sachverhaltes eine Einheitlichkeit existiert, die von bestimmten gleichen oder ähnlichen Merkmalen ausgeht. In Abgrenzung zu dieser Homogenität, dessen, was der Norm bzw. des Maßstabes nach normal ist, werden die entsprechenden Abweichungen differenziert. Was passt nicht zu dem Maßstab? Was passt nicht zu dieser Norm? Was liegt dementsprechend außerhalb der Norm und ist demzufolge heterogen?
3a) Welche Erfahrungen/Beobachtungen mit dem Umgang von Lehrer*innen mit verschiedenen Dimensionen von Heterogenität (AGG + soziale Schicht) haben Sie in ihrer Schulzeit gemacht? Bitte beschreiben Sie ein aus Ihrer Perspektive besonders positives oder auch negatives Beispiel.
Ich persönlich erinnere mich gut eine Situation aus der Grundschule in Bezug auf einen leistungsschwachen Schüler, der, bedingt durch eine ärztlich diagnostizierte Lernschwäche die Klasse wiederholen musste. Nachdem auch das Wiederholungsjahr nicht erfolgreich von dem Schüler absolviert werden konnte, kam er auf die Sonderschule. Es war von vornherein ersichtlich, dass dieser Schüler Anforderungen von allgemein-bildenden Schulen nicht würde gerecht werden können. Im Ergebnis wäre der Besuch der Sonderschule viel früher indiziert gewesen, nicht zuletzt wegen der ärztlichen Diagnose. Stattdessen hatte man ihn vergeblich die Klasse wiederholen lassen. Hier wäre ein individuelles, adäquates Reagieren viel früher indiziert gewesen.