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Umgang mit Heterogenität in der Schule Einführung in die Thematik und Systematik der Ringvorlesung Teil I 21.04.2020, rv01

1.) Bitte begründen Sie unter Rückgriff auf die Ausführungen in der Präsentation, warum Heterogenität im schulischen Kontext häufig als ´Herausforderung´, die bewältigt werden muss, wahrgenommen wird?

Heterogenität ist eine im öffentlichen Diskurs viel erörtertes Thema. In Bezug auf Schule zeigt sich in der Realität oft eine Vielzahl an Herausforderungen im schulischen Alltag, denen von Seiten der Schule, insbesondere von LehrerInnen gerecht werden muss. Von überfüllten Klassen mit unterschiedlichen Schülern mit unterschiedlichen Herkünften, unterschiedlichen Sprach- und Leistungsniveaus bis hin zur Frage der individuellen Förderung von SchülerInnen sehen sich LehrerInnen einer Arbeitsbewältigung gegenüber, die bei ihnen vielfach einen Ordnungswunsch gegen Überforderungsbefürchtungen aufkommen lässt. („Komplexitätsreduktion“, Luhmann 1975) Der Wunsch der Entdeckung von Gemeinsamkeiten kommt dabei schnell auf, um auf vielfältige Herausforderungen adäquat zu reagieren, sodass möglichst vielen SchülerInnen gerecht werden kann. Die Verwendung von Stereotypen als „Rettungsanker“ kommt dabei in der Praxis allzuoft vor, um den individuellen Herausforderungen scheinbar gerecht werden zu können. Diese Vorgehensweise birgt jedoch oft (wenn auch teils unbewusst) die Basis für Diskriminierung und Vorurteile innerhalb derer den Individuellen Bedürfnissen von Schülerinnen eben nicht mehr gerecht werden kann.

Im praktischen Schulalltag bedeuten diese unterschiedlichen Herausforderungen, dass innerhalb eines relativ homogenisierten Schulsystems (zB.: einheitliches Schuleingangsalter, einheitliches Curriculum für eine Altersstufe) Lehrer SchulerInnen nach ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend individuell und bestmöglich fördern sollten. Dies ist in Anbetracht der Personalstruktur (jeweils ein Lehrer pro Klasse, derzeitiger Lehrermangel, unzureichende Unterrichtsausstattung, fehlendes Fachpersonal wie Schulpsychologen oder Sozialpädagogen) nicht einfach zu bewältigen. Heterogenität gemeinhin als „Chance“ zu begreifen bleibt dabei oftmals mehr einer Idealvorstellung denn praktische Realität.

2.) Was ist damit gemeint, wenn von dem ´Konstruktionscharakter´ von Heterogenität die Rede ist? Bitte erklären Sie das in eigenen Worten.

Heterogenität ist eine soziale Konstruktion. Sie hängt von der Vorstellung ab, dass in einer Gesellschaft eine bestimmte Norm, ein gewisser Maßstab existiert. Dies bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass hinsichtlich eines Sachverhaltes eine Einheitlichkeit existiert, die von bestimmten gleichen oder ähnlichen Merkmalen ausgeht. In Abgrenzung zu dieser Homogenität, dessen, was der Norm bzw. des Maßstabes nach normal ist, werden die entsprechenden Abweichungen differenziert. Was passt nicht zu dem Maßstab? Was passt nicht zu dieser Norm? Was liegt dementsprechend außerhalb der Norm und ist demzufolge heterogen?

3a) Welche Erfahrungen/Beobachtungen mit dem Umgang von Lehrer*innen mit verschiedenen Dimensionen von Heterogenität (AGG + soziale Schicht) haben Sie in ihrer Schulzeit gemacht? Bitte beschreiben Sie ein aus Ihrer Perspektive besonders positives oder auch negatives Beispiel.

Ich persönlich erinnere mich gut eine Situation aus der Grundschule in Bezug auf einen leistungsschwachen Schüler, der, bedingt durch eine ärztlich diagnostizierte Lernschwäche die Klasse wiederholen musste. Nachdem auch das Wiederholungsjahr nicht erfolgreich von dem Schüler absolviert werden konnte, kam er auf die Sonderschule. Es war von vornherein ersichtlich, dass dieser Schüler Anforderungen von allgemein-bildenden Schulen nicht würde gerecht werden können. Im Ergebnis wäre der Besuch der Sonderschule viel früher indiziert gewesen, nicht zuletzt wegen der ärztlichen Diagnose. Stattdessen hatte man ihn vergeblich die Klasse wiederholen lassen. Hier wäre ein individuelles, adäquates Reagieren viel früher indiziert gewesen.

 

Eine Antwort auf „Umgang mit Heterogenität in der Schule Einführung in die Thematik und Systematik der Ringvorlesung Teil I 21.04.2020, rv01“

Zu 1.)
Insgesamt wird auf den Begriff der Heterogenität als „Herausforderung“ im Schulalltag sehr gut eingegangen. Erwähnenswert wäre darüber hinaus eventuell noch das Prinzip der Meritokratie, nach der LehrerInnen – als Stellvertreter der staatlichen Schulen – von der Bildungspolitik entscheidend dazu bewegt werden, die „Ungleichheit“ und somit das individuelle Potenzial der SchülerInnen zu selektieren. Hierdurch wird auch eine gewisse Vielfalt an Berufen abgedeckt, was letztendlich sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft zugutekommt. Das Gleichgewicht von Gerechtigkeit und Gleichheit ist für LehrerInnen daher ebenfalls als Herausforderung anzusehen.

Zu 2.)
Hier wird das Zusammenspiel von Homo- und Heterogentität gut beschrieben. Beides bedingt sich gegenseitig, eine genaue Definition von Heterogenität gibt es nicht und sie hängt immer von den von der Gesellschaft und Politik vorausgesetzten Normen ab.

Zu 3.)
Grundsätzlich besteht für mich die Frage, ob es nicht tatsächlich weitere Möglichkeiten der individuellen Förderung für diesen Schüler gegeben hätte. Eine Lernschwäche bedeutet nicht gleich Lernbehinderung, daher war aus Sicht der LehrerInnen / der Schule dieses Schülers die damalige Entscheidung eventuell entsprechend zu rechtfertigen. Möglicherweise bestand Aussicht auf eine Verbesserung der Leistung im nachfolgenden Schuljahr, wenngleich die Lernschwäche bereits attestiert wurde (vielleicht sollte er eine auf sich angepasste Förderung erhalten?). Fernab dessen lässt sich festhalten, dass der Schüler aus einer angestrebt homogenen Gruppe (in diesem Fall leistungsstärkere SchülerInnen seiner Klasse) durch den nachfolgenden Besuch der Förderschule als heterogenes Mitglied „aussortiert“ wurde, wo doch eigentlich die Heterogenität als Chance gesehen werden kann – der Schüler könnte schließlich individuelle Stärken haben, die so leider nicht sichtbar wurden. Das Beispiel zeigt demnach sehr deutlich, dass Heterogenität ebenso eine Herausforderung wie eine Chance darstellen kann und ist daher gut gewählt.

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