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Prof. Dr. Christine Knipping – Mathematische Leistungsunterschiede – empirische Befunde und Konsequenzen für den Mathematikunterricht rv05

1.Sind Unterschiede in den mathematischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern ein Grund zur Sorge? Welche Bedeutung kommt dem zweigliedrigen Schulsystem (Oberschule / Gymnasien) in Bremen diesbezüglich zu?

Meiner Meinung nach sind Unterschiede in den mathematischen Leistungen von SchülerInnen nicht grundsätzlich ein Anlass zur Sorge. SchülerInnen haben unterschiedliche Fähigkeiten bezüglich unterschiedlicher Fächer. So ist vielfach das Phänomen zu beobachten, dass SchülerInnen, die gute mathematische Leistungen vorweisen, etwa in dem Erlernen von Sprachen (vorwiegend Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch) nicht so gut sind. Wiederum weisen sprachbegabte Kinder in Mathematik oder den Naturwissenschaften ein nicht so gutes Leistungsniveau auf. Diese Unterschiedlichkeit in der Begabung, insbesondere ein weniger stark ausgeprägte Begabung in Mathematik ist normal und nichts Ungewöhnliches. Wenn jedoch, wie ausgewiesen in der PISA- Studie, SchülerInnen nicht in der Lage sind, die einfachsten Aufgaben auf sehr niedrigem Niveau lösen zu können, so kann dies natürlich zu Defiziten in der Bewältigung des Alltags beziehungsweise im Bereich einer Berufsausbildung der SchülerInnen führen. Hier sollte man aufmerksam den Trend beobachten um gegebenenfalls entsprechende schulpolitische Maßnahmen zu ergreifen.

Vor der Umstellung auf das zweigliedrige Schulsystem haben sich durchschnittlich insbesondere in der Hauptschule sehr viele SchülerInnen auf dem untersten Kompetenzstufe befunden. (Risikogruppe) Nach der Umstellung auf die Zweigliedrigkeit hat sich das Leistungsniveau im internationalen Vergleich verbessert, sodass daraus grundsätzlich geschlossen werden kann, dass die Umstellung zu einer Verbesserung des Leistungsniveaus geführt hat. Insoweit bleibt es zu beobachten, wie sich dieses System auch in Zukunft bewährt. Bisher kann aber festgehalten werden, das sich die Leistungsdifferenzen und insbesondere Defizite in den unteren Leistungsniveaus durch die Umstellung auf das zweigliedrige Schulsystem verringert haben.

2. Spielen im Mathematikunterricht, kann das angesichts von Leistungsunterschieden ein Ansatz sein? Beziehen und begründen Sie eine Position aus Lehrenden-Sicht, die auch Schülersichtweisen einbezieht.

Aus meiner Sicht kann Spielen im Mathematik- Unterricht eine Bereicherung sein und ganz grundsätzlich zum Fördern des Verständnisses von Unterrichtsinhalten führen. Wenn ein gut konzipiertes Spiel verwendet wird, so können die SchülerInnen im Vergleich zu Einzelarbeit auch besser voneinander lernen. Dies führt gerade bei leistungsschwächeren SchülerInnen zu geringen Frustrationen, da sie von anderen „mitgenommen“ werden. Aus der Sicht der SchülernInnen, die sonst Probleme mit dem Fach Mathematik haben, können auf diese Weise Erfolgserlebnisse produziert werden, die die Einstellung ändern und vielleicht auch die Angst vor dem Fach Mathematik nehmen können. Wichtig ist jedoch, dass der Bezug zum Unterricht immer hergestellt wird. Das heißt, dass die SchülerInnen vermittelt bekommen, inwieweit sie das spielerisch erworbene Wissen für die jeweiligen Mathematikaufgaben nutzen können.

Gelingt eine Bezugsherstellung zum Unterrichtsinhalt, kann durch spielerisches Lernen Wissen wesentlich besser behalten werden, da immer der Bezug zur Spielsituation beziehungsweise der dort angewendeten Methode hergestellt werden kann.

3. Spielen kann im Handeln „stecken bleiben“, das Denken kommt zu kurz. Formulieren Sie zwei Fragen, welche Ihnen helfen können, mögliche Denkhandlungen von Lernenden zu beobachten.

Beschäftigen sich die SchülerInnen ernsthaft mit dem Spiel und sind sie bei der Sache?

Welche Strategien verwenden sie beim Spielen? Um dies herauszufinden, könnte bezüglich des Beispielspiels in der Vorlesung SchülerInnen gefragt werden:

Warum hast du bei der Zahl x lediglich einen Kringel notiert, bei der Zahl y drei und bei z überhaupt keinen?

4. Benennen Sie zwei unterschiedliche Möglichkeiten, wie Sie als Lehrkraft ausgehend vom Spielen eine weitere kognitive Aktivierung von Lernenden anregen können.

Nach dem Spielen könnte zum Bespiel der Spielverlauf im Klassenverband noch einmal reflektiert werden. Das heißt, es könnte zum Beispiel die unter Frage drei genannten Spieltaktiken der SchülerInnen erfragt und diskutiert werden, Auf diese Weise lernen die SchülerInnen, über ihr Handeln noch einmal nachzudenken. Ferner sollten Spiele, die sich mit Unterrichtsinhalten befassen mehrfach und in regelmäßigen Abständen gespielt werden, damit SchülerInnen eine gewisse Routine entwickeln. 

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Prof. Dr. Nadine Rose – „Lässt sich ‚Heterogenität‘ im Klassenzimmer beobachten und was sieht man, wenn man so guckt?“ 12. Mai 2020, rv04

1.Wie begründen die Autor*innen dass sie nicht ´Differenz´ sondern ´Praktiken der Differenzierung` untersuchen wollen? Können Sie hier auch Bezüge zur Einführungsvorlesung über „Heterogenität“ herstellen?

Die AutorInnen verwenden hier bewusst nicht den Begriff der „Differenz“, sondern sprechen von „Praktiken der Differenzierung“, da es ihnen bei ihrer Untersuchung weniger um Unterschiede von SchülerInnen geht, wenn sie in die Schule eintreten. Es geht ihnen also nicht um bloße, bei Schulbeginn bereits vorliegende Differenzen wie Sprache, Entwicklung oder Migrationshintergrund. Vielmehr gehen sie der Frage nach, wie durch die Schule eine Differenzierung von SchülerInnen erfolgt, die SchülerInnen also gleichsam zu unterschiedlichen „gemacht werden“.(Rose/Gerkmann 2015, 192) Anderseits liegt der Fokus der Untersuchung darauf, wie SchülerInnen durch eigenes Verhalten sich zu „unterschiedlichen“ machen. (Rose/Gerkmann 2015, a.a.O.) Es geht also nicht um die Untersuchung exogener Faktoren von Unterschiedlichkeit, sondern um Prozesse, die sich innerhalb von Schule vollziehen und in concreto im Unterricht durch Aktives Handeln Differenzierung hervorbringen.

In Bezug auf die Einführungsvorlesung können mit Blick auf den Umgang mit dem Begriff „Heterogenität“ Parallelen festgestellt werden. So wie der Begriff Heterogenität einem Konstruktionscharakter in der Weise unterliegt, als dass im Diskurs von Normen beziehungsweise einer scheinbar existierenden Homogenität ausgegangen wird, so werden in der Schule Differenzierungen ebenfalls konstruiert. Dies schlägt sich, wie die Untersuchung gezeigt hat, insbesondere in den unterschiedlichen Leistungsniveaus (aktives oder passives Agieren von SchülerInnen innerhalb der Gruppenarbeit) nieder. Per se ist eine Unterschiedlichkeit also nicht einfach da, sondern wird von Schule beziehungsweise SchülerInnen selbst hergestellt, konstruiert.

2. Die Studie befasst sich mit individualisiertem Unterricht in der Sekundarschule und analysiert Kommunikationsprozesse zwischen Schüler*innen in der Gruppenarbeit im Projektunterricht. Inwiefern spiegelt sich in diesen Prozessen die „soziale Konstruktion von Leistungen“ wieder? Anders gefragt: Wie stellen die Schüler*innen leistungsbezogene Differenz her?

Bei der Betrachtung der Studie fällt auf, dass SchülerInnen intuitiv leistungsbezogene Differenzen herstellen. Dies verdeutlichen ihre jeweils unterschiedlichen Herangehensweisen an die jeweilige Gruppenarbeit. Während einige SchülerInnen sich eher zurückhalten oder Desinteresse zeigen, machen sich andere sofort an die Arbeit, indem sie beispielsweise die Aufgabenstellung vorlesen und sich bereits inhaltlich mit den Inhalten der Aufgaben beschäftigen. Einige SchülerInnen zeigen durch ihre Gestik und Mimik ein Verhalten, das sie eher von der Gruppe abgrenzt und nicht am Arbeitsprozess teilhaben lässt. (Abrücken des Stuhls vom Tisch, Zurücklehnen und damit Herstellung von Distanzierung zum Rest der Gruppe) Innerhalb einer Gruppe wird sogar von einer Schülerin zur aktiven Mitarbeit gegenüber einem weniger aktiven Schüler aufgefordert. („wir müssen“, Rose/Gerkmann 2015, 201/202) Insoweit führt das jeweilige individuelle Verhalten durch Teilhabe, zu Spannungen (Aufforderung zur Mitarbeit) und zur Ausgrenzung einzelner SchülerInnen innerhalb der Gruppe.

3. Erläutern Sie, inwiefern sich die von Rose und Gerkmann festgehaltenen Beobachtungen von schultypischen Differenzierungen (nicht nur bezogen auf Leistung) innerhalb von Gruppenarbeiten mit Ihren eigenen Erfahrungen decken. Diskutieren Sie Ihre eigenen Erfahrungen vor dem Hintergrund des Textes!

Die Beobachtungen der Untersuchung von Rose und Gerkmann decken sich im Wesentlichen mit meinen eigenen Erfahrungen. Das, was im Allgemeinen pauschal als „Gruppendynamik“ bezeichnet wird, lässt sich durchaus im Schulalltag nachvollziehen. Auch ich kenne Gruppenarbeiten, wo auf der einen Seite die SchülerInnen sehr gut miteinander zusammengearbeitet und sich einander ergänzt haben. Auf der anderen Seite gibt es natürlich häufig auch SchülerInnen, die sich so gut wie gar nicht beteiligen, sei es auch Schüchternheit oder mangelndem Interesse. Wiederum andere müssen gleich alle Aufgaben „an sich reißen“ und sich so einbringen, dass anderen SchülerInnen bisweilen kein Raum bleibt. Sofern die Gruppe größer ist, so ist teils auch feststellbar, dass sich aus einer Reihe von SchülerInnen kleine „Untergrüppchen“ bilden, wobei die Zusammenführung der jeweiligen Ergebnisse mehr oder weniger gut gelingt. Schlimmstenfalls kann es zu einer Spaltung der Gruppe kommen, sodass sich dann zwei (oder mehr) Lager gegenüberstehen. Andererseits kann es auch zu Arbeitserleichterungen kommen. Entscheidend ist, jenseits eines logischen und zielgerichteten Arbeitsvorgehens, auch immer die „Chemie“ innerhalb der Gruppe, die die Arbeit erleichtern kann.

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