Seminarteil Bremen

1. Tag: 05.05.16

16.00 – 16.30

Begrüßung und Kennenlernen

ERSTE PHASE

16.30 – 19.00

Einführung: Straße als Gegenstand

  • Leitfrage: Aspekte von Straße?
  • Kategorien der Straße
  • Wahrnehmungsraster

Einführung in die Feldarbeit

  • Bewegen, Beobachten Sehen: Sinnliche Ethnographie
  • Methoden: Gesprächstechniken, Mental Maps, Protokollieren
  • Fragen und Forschungsfragen

ab 19.00

Gemütlicher Abend mit Essen


 

Inhalt der Sitzung:

Straßen sind die Orte / Räume von Kommunikation und Handlung. In Straßen entstehen Geschichten; über Straßen werden Geschichten erzählt. Kaum ein literarischer Text oder ein Film kommt ohne die Verortung von Figuren oder Handlung in Außenräumen, d.h. auch: in Straßen aus. Eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Literaturwissenschaft nähert sich dem Gegenstand „Straße“ im ersten Schritt über die Auseinandersetzung mit den Wortbedeutungen und anschließend aus unterschiedlichen theoretischen Blickwinkeln: Zuerst über die Auseinandersetzung mit Strukturalismus und der Semiotik, von denen aus Straße zeichentheoretisch betrachtet werden können. Dieses Verständnis liegt dem Konzept der „Lesbarkeit der Stadt / Straße“ zugrunde, das ebenfalls zu erörtern ist.

Hier setzt der ethnologische Blick auf Straße an. Die Ethnologie als empirische Disziplin begreift Handlung, Kommunikation und die materielle Welt als maßgebliche Artikulationen von Kultur. Der Erkenntnisgewinn zu Straßenkultur beginnt somit sprichwörtlich auf der Straße. Dort vollziehen Menschen Handlungen, die der Straße Leben geben; in diesem Raum findet Kommunikation statt; dort erzählen sich Menschen Geschichten – auch über die Straße. Wie beginnen Ethnologen dort, im „Feld“, die Straße zu „lesen“? Wie sammeln sie ihre Daten? Üblicherweise sind hier die eigenen Kategorien der Wahrnehmung von Straße und ihren Akteuren ein wichtiger Ausgangspunkt. Sie versetzen uns in die Lage, die Straße aus Sicht der untersuchten Akteure und mit allen Sinnen zu verstehen, also ihre Versionen/Geschichten von Straße durch beobachten und kommunizieren in Erfahrung zu bringen.

Im Seminar machen wir uns die interdisziplinäre Ansatzweise zu eigen und nutzen die literaturwissenschaftlich angeregte Auseinandersetzung über Kategorien der Straße. Dieses Vorgehen liefert uns die Kategorien zur Beobachtung der Straße. Inspiriert durch diesen eher „deduktiven“ Forschungsansatz wollen wir jedoch nicht ganz von der induktiv motivierten ethnologischen Herangehensweise absehen. Im Grundlagentext von de Certeau (1988) zeigt sich Straße als Phänomen des urbanen Lebens. Trotzdem kann Straße nicht als rein urbanes Phänomen betrachtet werden – das wird offensichtlich, wenn man beispielsweise an die Land- oder Dorfstraße denkt. Im Seminar fokussieren wir uns jedoch auch die Straße im urbanen Raum, was mit daran liegt, dass wir auf der empirischen Ebene Straße in den Städten Belgorod und Bremen begegnen. Es ist de Certeau selbst, der vorschlägt, sich auf die Straße zu begeben, denn es geht ihm um das „In-der-Welt-sein“.  Nur auf diese Weise können die Praktiken, Diskontinuitäten und und das vermeintlich Unsichtbare in Erfahrung gebracht werden. Das „Gehen in der Stadt“ wird sprichwörtlich zur Methode.

Ziel des heutigen Tages ist die Vorbereitung auf den 2. Tag des Seminars, in dem die Feldarbeit im Vordergrund steht. Ausgehend von der Diskussion über eigene und wissenschaftliche Kategorien der Straße entwickeln wir heute ein themenorientiertes Raster, das uns als Grundlage für den eigenen empirischen Zugang zur Straße dient. Insofern stehen in der heutigen Sitzung auch methodische Fragen im Fokus.


 

Pflichtlektüre:

Certeau, Michel de (1988). Kunst des Handelns. Berlin: Merve Verlag. Daraus: DRITTER TEIL: Praktiken im Raum, S. 179-238.

Lesefragen

  • Was versteht de Certeau unter „Gehen in der Stadt“?
  • Welche Konzepte von Stadt bespricht der Autor?
  • Wie kann man Stadt erfahren / erforschen?

Helfferich, Cornelia (2014). Mental Maps und Narrative Raumkarten. In: Christine Bischoff, Karoline Oehme-Jüngling und Walter Leingruber (Hrsg.), Methoden der Kulturanthropologie. Bern: Haupt UTB. S. 241-256.

Lesefragen

  • Was sind Mental Maps und Narrative Raumkarten?
  • Wie unterscheiden sich Mental Maps, Narrative Raumkarten und wissenschaftliche Karten (wie z.B. Stadtpläne)?
  • Wie stellen sie sich selbst den Einsatz von Mental Maps und Narrativen Raumkarten in der Erforschung von Straße vor?

Hiebsch, Maria Elisabeth, Schlüter, Fritz & Willkomm, Judith (2009). Sensing the Street. Eine sinnliche Ethnographie der Großstadt. In: Sandra Maria Geschke (Hrsg.), Straße als kultureller Aktionsraum. Interdisziplinäre Betrachtungen des Straßenraumes an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 31-57.

Lesefragen

  • Was ist sinnliche Ethnographie?
  • Welche Methoden beinhaltet sinnliche Ethnographie?
  • Warum sinnliche Ethnographie betreiben?

Keding, Melanie, Weith Carmen (2014). Bewegte Interviews im Feld. In: Christine Bischoff, Karoline Oehme-Jüngling und Walter Leingruber (Hrsg.), Methoden der Kulturanthropologie. Bern: Haupt UTB. S. 131-142.

Lesefragen

  • Was ist ein bewegtes Interview und was beinhaltet diese Methode?
  • Welche Formen von Interviews kennen Sie und wie unterscheiden sich diese von „Bewegten Interviews“?
  • Wie können wir bewegte Interviews in der Erforschung von Straße verwenden?