Heterogenität im Schriftspracherwerb – elementare Schriftkultur (4. Vorlesung)

1)Das leere Blatt ist eine diagnostische Aufgabenstellung, mit der gezeigt werden kann, welche Kompetenzen das Kind bereits erworben hat und was es noch lernen muss (vgl. Schründer-Lenzen 2013, S. 191). Bei dem Beispiel des vorliegenden leeren Blattes ist zunächst zu erkennen, dass das Kind die Buchstaben schon sauber schreiben kann, sowie das Alphabet fast sicher aufschreibt (bis auf einen kleinen Buchstabendreher). Außerdem beherrscht das Kind die Groß- und Kleinschreibung schon relativ sicher. So werden Namen und Nomen, wie z.B. „Lisa“ und „Salat“ großgeschrieben und das Verb „malt“ klein. Ebenfalls kann es lautgetreue Wörter korrekt schreiben, wie z.B. „Lama“ oder „Oma“ und das Kind weiß bereits, dass einzelne Wörter getrennt voneinander geschrieben werden. Dies wird verdeutlicht mit den Umrandungen der Wörter, was zwar noch nicht immer gelingt („SoistAs“), aber das Wissen darüber ist bereits vorhanden. Beim leeren Blatt kann neben dem Schreiben auch alles gemalt werden, was das Kind möchte (vgl. ebd.) Das Kind hat z.B. viele Formen oder auch eine Sonne auf das Blatt gemalt. Hier dran könnte man erkennen, wie kontrolliert das Kind bereits mit Stiften umgeht.

2)Die Schriftkultur stellt den Gebrauch von Schrift in den Vordergrund. Es geht also nicht nur um das praktische Nutzen von Schriftzeichen, sondern vor allem um die sozialen und kulturellen Aspekte (vgl. Dehn, 20, S. 130 ff.). Diese Verwendung kann in verschiedenen Formen auftreten und sowohl für praktische als auch künstlerische und literarische Zwecke genutzt werden (vgl. ebd.). Bei der elementaren Schriftkultur werden zudem persönliche Erfahrungen berücksichtigt, die mit dem Lesen und Schreiben gemacht werden können, z.B. wenn ein Kind das erste Mal etwas auf ein Papier schreibt usw. (vgl. Folie 14, Ringvorlesung).  Die Kulturtechnik bezieht sich im Kontrast dazu auf die Fertigkeiten und Teilleistungen, die zum Lesen und Schreiben gebraucht werden (vgl. Dehn, 20, S. 130 ff.). Es geht hierbei z.B. um die orthografischen Fähigkeiten, um die Laut-Buchstaben-Beziehung, die Fähigkeit zur Synthese und Analyse etc. Auf der anderen Seite sind damit aber auch Grundfähigkeiten, wie Lesen, Schreiben, Rechnen usw. gemeint (vgl. ebd.). In meinem Praktikum habe ich bereits einige Beispiele für Schreibkultur kennengelernt. Zum einen wurde den Kindern die Möglichkeit gegeben, Briefe zu schreiben über ihre Sorgen oder Ängste, aber auch über glückliche Momente. Diese Briefe konnten anschließend in eine Art Kummerkasten geworfen werden. Ein weiteres Beispiel sind Gedichte, die innerhalb der Klasse zu bestimmten Wörtern geschrieben wurden. Die Kinder haben hier vor allem versucht, viele Reimwörter in das Gedicht einzubinden und durften ihre Gedichte anschließend vor der Klasse vortragen. In einer ersten Klasse wurde außerdem ein Klassenausflug in die Nachbarschaft der Schule gemacht, bei denen alle Kinder zusammen die verschiedenen Schulwege ablaufen konnten. Dabei haben die Lehrkräfte den Kindern die Straßenschilder gezeigt und es wurde besprochen, wofür diese stehen könnten. Dabei wurden sie also auf Zeichenhaftes aufmerksam gemacht.

3)Eine Ursache dieser Leistungsheterogenität könnte bei der fehlenden Lesemotivation der Kinder liegen. Diese entsteht zum Beispiel, wenn die Kinder an verschiedenen Texten scheitern und sich einreden, dass sie nicht lesen können. Hier sollte man den Kindern im Unterricht den Zugang zu unterschiedlicher Literatur ermöglichen. Dadurch finden sie vielleicht Bücher, die für sie einfacher zu lesen sind und können zugleich herausfinden, welche Art von Literatur sie am meisten interessiert. Auch könnte es sein, dass viele Kinder nicht zuhause lesen, bzw. nicht die Möglichkeit haben, zuhause einen Zugang zu Literatur zu finden. Ist dies der Fall wäre es sinnvoll innerhalb der Klasse eine ‚Lesezeit‘ in den Deutschunterricht zu integrieren. Hier könnten sich die Kinder z.B. für 20 Minuten ein Buch aus der Klassenbibliothek nehmen und gemeinsam oder alleine lesen. Das gemeinsame Lesen könnte für viele Kinder eine Hilfe sein, sich verstärkt mit der Literatur auseinanderzusetzen.

Quellen:

Dehn, M. (2011) : Elementare Schriftkultur und Bildungssprache. In: Fürstenau, S. / Gomolla, M. (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit. Lehrbuch. 1. Aufl. VS Verlag. Wiesbaden. S. 130-132.

Schründer-Lenzen, A. (2013): Schriftspracherwerb. 4. Aufl. Verlag: Springer VS. Wiesbaden. S. 191.


Kommentare

2 Antworten zu „Heterogenität im Schriftspracherwerb – elementare Schriftkultur (4. Vorlesung)“

  1. Die Heterogenität im Schriftspracherwerb stellt eine Herausforderung für angehende Lehrkräfte dar, demzufolge müssen sich Lehrkräfte bewusst mit der möglichen Gestaltung des Schriftspracherwerbes beschäftigen und wie innerhalb dessen Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen bei dem Lernen des Schriftsprachsystems unterstützt werden können.
    Wie bereits im Beitrag erwähnt, dient das „leere Blatt“ als ein Beobachtungsinstrument, welches die Schreibkompetenz eines Kindes ermitteln soll. Dieses Blatt kann von mehreren Schüler*innen bearbeitet werden, indem unterschiedliche Stiftfarben benutzt werden und anhand einer Aufgabenstellung die Kinder ihre Gedanken, beziehungsweise ihre Ideen verschriftlichen.
    ( vgl. Dehn/ Hüttis- Graff 2010, S.32). Ergänzend zu der im Beitrag beschriebenen Definition der „elementaren Schriftkultur“ kann meines Erachtens lediglich hinzugefügt werden, in welchen Situationen individuelle Zugänge mit Schrift in Erfahrung gebracht werden können. Diese Situationen können unter anderem durch den sozialen Kontext, dem Selbstkonzept der Kinder oder auch der Relevanz, als auch Bedeutsamkeit der Lerninhalte für jeden einzelnen Lernenden entstehen ( vgl. Schüler 2022, S.152). Dementsprechend spielen Interesse und Motivation für die elementare Schriftkultur eine essentielle Rolle. Die Erfahrungsberichte der Autorin stimmen weitestgehend mit meinen Praxiserfahrungen über ein. Während meiner Praktika gab es zahlreiche Ideen, um das Schreiben und Lesen zu fördern und dies in abwechslungsreicher Hinsicht zu Gestalten. So wurden für den Anfangsunterricht, insbesondere Fantasiegeschichte im Deutschunterricht verwendet, um den Kindern möglichst viel freien Gestaltungsraum zu lassen. Auch Erlebniserzählungen wurden mir von meiner Mentorin empfohlen, um den Kindern einen Anlass zum Schreiben zu bieten und die mündliche Erzählfähigkeit zu fördern. Zudem mussten die Kinder in den höheren Jahrgängen Briefe an Figuren eines Buches schreiben, im Sachunterricht ein zuvor geführtes Interview verschriflichen oder einen Report über einen Ausflug bei der Feuerwehr schreiben. Damit ermöglicht der Fachunterricht das Kennenlernen einer Vielzahl von Textsorten. Die Heterogenität des Schriftspracherwerbes zeigt auf, das jedes Kind aufgrund der elementaren Schriftkultur ein unterschiedliches Maß an Erfahrung im Umgang mit Schrift haben kann. Demzufolge ist das Abstimmen von Inhalten an die Kompetenzen der Kinder unumgänglich, um den Kinder eine adäquate Förderung zu bieten. Dementsprechend bilden Beobachtungsintrumente, wie das „leere Blatt“ eine sinnvolle Grundlage, um das bisherige Verständnis von Schrift zu diagnostizieren und infolgedessen individuelle Förderung anzubieten.

    Quellen:
    Dehn, M. / Hüttis- Graff, P. (2010): Zeit für die Schrift II. Beobachtung und Diagnose. Berlin.

    Schüler, L. ( 2022): C2 Elementare Schriftkultur- Schrift und Schreiben im Vorschulalter. In: Harr, A. ( Hrsg.) / Geist, B. (Hrsg.): Deutschunterricht in Theorie und Praxis ( DTP). Sprachförderung in Kindertagesstätten. Stuttgart: Schneider Verlag.

  2. Avatar von Christoph Fantini
    Christoph Fantini

    beitrag und kommentar auf optimalem niveau!
    kompliment
    cf

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