Heterogenitätskategorie Geschlecht in Schule und Ansätze zur Entwicklung einer geschlechtersensiblen Pädagogik

1) Heutzutage werden den Geschlechtern oftmals noch immer bestimmte Stereotypen bzw. Rollen zugeschrieben. Selbst in Kinderbüchern wird häufig klar zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit unterschieden. So wird dem männlichen Geschlecht oftmals die Bestimmung für das öffentliche Leben, die Selbstständigkeit sowie die Rationalität zugeschrieben, wohingegen Frauen mit dem häuslichen Leben, mit Passivität und Emotionalität in Zusammenhang gebracht werden (vgl. Böhm 2017, S. 37). Demnach wird Kindern schon früh ein bestimmtes Bild über ihr Geschlecht vermittelt, was dazu führen kann, dass sie sich selbst Eigenschaften zuschreiben, die diesem klassischen Bild entsprechen. In der vergangenen Vorlesung wurde das Spannungsfeld zwischen Zuschreibung und Inszenierung thematisiert. Bei den Zuschreibungen geht es darum, dass Schüler*innen unbewusst die gesellschaftlichen Vorstellungen erfüllen. Ein Beispiel, das in der Vorlesung genannt wurde ist die Vorstellung, dass Mädchen besser lesen können. Dies könnte z.B. dazu führen, dass die Lesemotivation bei Jungen nachlässt, wodurch sie sich wiederum einreden, dass sie nicht gut lesen können. Inszenierungen hingegen sind bewusste Darstellungen von Genderstereotypen, bzw. Genderrollen, die innerhalb der Gesellschaft vermittelt werden und von Zuschreibungen beeinflusst werden. Die gendersensible Pädagogik soll dazu beitragen, den Inszenierungen und Zuschreibungen dieser Stereotype entgegenzuwirken. Ein Ansatz sind z.B. die Pädagogik der Vielfalt von Prengel (2019), bzw. die Diversity-Konzepte. Dieser Ansatz nimmt dabei jedoch nicht nur die Feministische Pädagogik in den Blick, in der auf die patriarchalischen Strukturen der Gesellschaft hingewiesen wird (vgl. Prengel 2019, S. 95), sondern befasst sich zudem mit Inklusionspädagogik, sowie der interkulturellen Pädagogik (vgl. ebd., S. 1f.), da besonders Grundschullehrer*innen mit all diesen Bereichen in Berührung kommen (vgl. ebd., S.1).

2) Ein Beispiel aus meiner eigenen Schulzeit war die Gruppenbildung im Sportunterricht. Als die Lehrkraft uns in kleine Teams einteilte, wurde darauf geachtet, dass ungefähr gleich viele Jungen und Mädchen in den Teams waren. Die unterschiedlichen Leistungen der Schüler*innen wurden dabei nicht berücksichtigt, weshalb sowohl sehr leistungsstarke als auch leistungsschwache Teams entstanden. Die schwächeren Teams waren schnell demotiviert, da sie oft verloren haben.

Während meines Orientierungspraktikums war ich in einer ersten Klasse eingeteilt. In dieser Klasse waren ungefähr gleich viele Mädchen und Jungen. Immer, wenn ein kleiner Ausflug anstand, sollten die Kinder jeweils Paarweise in einer Reihe laufen. Dabei wurde darauf geachtet, dass jedem Jungen ein Mädchen zugewiesen wurde. Der Grund hierfür war, dass die Mädchen angeblich dafür sorgten, dass sich die Jungen ruhiger verhielten. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass dies nicht der Fall war und viele Kinder verstanden sich untereinander überhaupt nicht, weshalb letztendlich doch viel Unruhe entstand.

3) Aufgrund des genannten Beispiels aus der zweiten Aufgabe könnten bei einer Beobachtungsaufgabe die Kriterien in den Blick genommen werden, nach denen die Lehrkräfte die Kinder in Gruppen einteilen, sobald im Unterricht eine Gruppenarbeit ansteht. Demnach könnte genauer beobachtet werden, ob das Gender bei der Gruppeneinteilung eine essenzielle Rolle spielt oder ob vor allem die Leistung der Schüler*innen im Fokus steht und berücksichtigt wird.

Literatur:

Böhm, K. (2017): Archaisierung und Pinkifizierung. Mythen von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Kinder- und Jugendliteratur. transcript Verlag. Bielefeld. S. 37.

Prengel, A. (2019): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheiten und Gleichberechtigungen in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. 4. Aufl. Potsdam. Springer VS. S. 1-95.


Kommentare

Eine Antwort zu „Heterogenitätskategorie Geschlecht in Schule und Ansätze zur Entwicklung einer geschlechtersensiblen Pädagogik“

  1. Avatar von Sophie
    Sophie

    Das Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik ist in der Forschung ein sehr neues Themenfeld, nimmt aber zunehmend an Bedeutung in der Gesellschaft und auch in der Schule zu. Betroffene sind hierbei sowohl die Lehrerinnen und Lehrer, als auch die Schüler*innen, die wie im Blog beschrieben, zum einen durch äußere Einflüsse und vorherrschende Bilder und Meinungen, wie zum Beispiel, dass Mädchen „ruhiger, disziplinierter, aufmerksamer“ seien (vgl. Stalmann 1991), beeinflusst und geprägt werden (können). Zum anderen gibt es immer mehr Lehrerinnen und immer weniger Lehrer an (Grund-)Schulen, was vor allem daran liege, dass Frauen zum Beispiel mütterlicher oder emotionaler mit den Schüler*innen umgehen würden („Public Mothers“, (J. Aigner, 2016) und daher besser für den Beruf geeignet seien. Jedoch ist dies ein Irrglaube, da vor allem viele Jungen sich eine männliche Bezugsperson wünschen (siehe z.B. F. Schmidt, 2024, Vorlesungsfolie 22). Das Problem liegt also nicht primär an den Geschlechtern an sich, sondern an den Bildern und Erwartungen, die durch die Gesellschaft und Kultur entstehen (z.B. Draxler 1988).
    Dass Schüler*innen schon im jungen Alter von diesen Bildern geprägt werden, zeigte sich zum Beispiel in einer Situation im Orientierungspraktikum, bei dem ich einem Jungen (ohne Unterstützung aus der eigenen Familie) in der Pause bei seinen nicht gemachten Hausaufgaben geholfen habe. Er war sehr demotiviert, verstand nicht, weshalb die Aufgaben gemacht werden müssen und steigerte sich immer weiter in die Situation hinein, wobei auch Sprüche wie „Du bist doch nicht meine Mutter“ fielen.
    Des weiteren fiel mir auf, dass z.B. Mädchen im Mathematik-Unterricht öfter ein stärkeres Lob erhielten, wenn sie eine Aufgabe richtig gerechnet hatten, vor allem, wenn diese einen erkennbaren Migrationshintergrund besaßen.
    Zur Beobachtung würde ich daher spannend finden, ob Schüler*innen ohne gendergerechte Erwartungen motivierter und leistungsstärker werden können.

    Literaturverzeichnis:
    Josef Christian Aigner, Gerald Poscheschnik: Kinder brauchen Männer. Psychoanalytische, sozialpädagogische und erziehungswissenschaftliche Perspektiven. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2016.

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