Spannungsfeld zwischen Hetero- und Homogenität

Erwachsene als Adressatinnen der Pflegeausbildung weisen eine Vielzahl an Differenzmerkmalen auf, etwa im Hinblick auf Alter, soziale Herkunft, Erstsprache, kulturelle Prägung, religiöse Zugehörigkeit, ethnische Identität, Geschlecht, sexuelle Orientierung, schulische Leistungsfähigkeit sowie physische und psychische Dispositionen. Diese vielfältigen Differenzen werden unter dem Begriff der Heterogenität zusammengefasst. Heterogenität bezeichnet dabei die Verschiedenartigkeit individueller Voraussetzungen, die im Kontext des deutschen häufig als Herausforderung thematisiert wird. Insbesondere im schulischen Kontext steht Heterogenität im Fokus einer Diskussion, die primär durch leistungsbezogene und didaktische Differenzierungsanforderungen geprägt ist (Kutscher 2020: 59). Die heterogene Zusammensetzung der Schüler*innenschaft stellt in diesem Rahmen eine zentrale Herausforderung dar, insbesondere dann, wenn divergierende Ausgangsbedingungen die chancengleiche Teilhabe an Bildungsprozessen erschweren. So unterscheiden sich laut Budde (2018) Schüler*innen beispielsweise in Bezug auf ihre geschlechtliche Zugehörigkeit. Gleichzeitig besteht der Anspruch schulischer Bildung darin, alle Lernenden gleich zu behandeln und ihnen vergleichbare Bildungschancen zu eröffnen. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass Schüler*innen auch auf individueller Ebene vielfältige Unterschiede aufweisen. Die Schulen sind demnach in einem „universalistischen Anspruch der Gleichheit verpflichtet und sollen sich an alle Schülerinnen und Schüler in gleichem Maße richten, was eine Herausforderung darstellen kann (Budde 2018).

So ist auch laut Budde (2018) die Vorstellung fragwürdig, Heterogenität könnte durch einen „anderen Umgang“ in der Schule adäquat bearbeitet werden. Begründet wird dies durch die Aussage, dass Heterogenität untrennbar mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verknüpft ist. Differenzmerkmale von Schüler*innen führen im schulischen wie im gesellschaftlichen Kontext zu spezifischen sozialen Positionierungen, die mit ungleichen Teilhabechancen, Anerkennungsverhältnissen und Machtasymmetrien einhergehen können. Damit wird deutlich, dass Heterogenität nicht nur eine pädagogische, sondern auch eine macht- und gesellschaftstheoretische Dimension besitzt, welche nicht leicht zu bearbeiten sind.

Abschließend zu erwähnen ist, dass das gesellschaftliche System der Heterogenität ein Konstruktionscharakter besitzt, also keine natürlich herbeigeführte Tatsache ist, sondern ein soziales Konstrukt. Unterschiede zwischen Menschen existieren zwar im Bezug auf Alter, Geschlecht oder Herkunft, aber welche dieser Unterschiede als bedeutsam wahrgenommen werden ist gesellschaftlich gemacht und somit konstruiert (Kutscher 2020: 61).

Literaturangaben:
Budde, Jürgen (12.03.2018): Heterogenität in Schule und Unterricht
(https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/266110/heterogenitaet-in-schule-und-unterricht
(abgerufen am 09.04.2025)
Kutscher, N. (2020). Handbuch Ganztagsbildung. Hrsg.: Petra Bollweg, P., Jennifer Buchn, J., Coelen, T., Otto, H-U. Wiesbaden:
Springer Fachmedien

1 thought on “Spannungsfeld zwischen Hetero- und Homogenität

  1. Die Auseinandersetzung mit Heterogenität in der Pflegeausbildung beleuchtet zu Recht die Vielfalt unter den Lernenden – etwa hinsichtlich Alter, Herkunft, Sprache oder geschlechtlicher Identität. Der Begriff wird dabei als pädagogische Herausforderung verstanden, insbesondere im Hinblick auf chancengleiche Teilhabe an Bildung. Doch genau hier setzt auch die Kritik an: Der Text erkennt zwar die gesellschaftliche Dimension von Heterogenität an (Budde 2018), bleibt aber in Teilen einer funktionalen Logik verhaftet – Unterschiede erscheinen primär als etwas, das „bearbeitet“ oder „ausgeglichen“ werden muss. Problematisch ist vor allem die Vorstellung, dass durch Gleichbehandlung Gerechtigkeit hergestellt werde. Wie Budde zu Recht betont, sind Differenzmerkmale mit sozialen Machtverhältnissen verknüpft. Wer also Unterschiede ignoriert, läuft Gefahr, bestehende Ungleichheiten zu reproduzieren. Dass Heterogenität gesellschaftlich konstruiert ist (Kutscher 2020), wird zwar erwähnt, aber wenig konsequent durchdacht. Denn wenn bestimmte Unterschiede als besonders bedeutsam gelten, liegt das weniger an den Menschen selbst als an gesellschaftlichen Normen – auch in Bildungskontexten.
    Statt Heterogenität als pädagogisches „Problem“ zu behandeln, sollte sie als Anlass dienen, Bildungsräume kritisch zu hinterfragen: Wer wird gehört, gesehen, unterstützt – und wer nicht?

    Literatur:
    • Budde, J. (2018): Heterogenität in Schule und Unterricht. bpb
    • Kutscher, N. (2020): In: Bollweg, P. et al. (Hrsg.): Handbuch Ganztagsbildung. Springer Fachmedien.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert