1. Welche Besonderheiten weist der Erwerbskontext Seiteneinstieg auf und inwieweit orientiert sich die Bremer Konzeption der schulischen und sprachlichen Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler daran?
Unter „Seiteneinsteiger*innen“ versteht man zugewarnderte Kinder und Jugendliche ohne oder mit eher geringen Deutschkenntnissen. Sie haben ihre schulische Laufbahn nicht im deutschen Schulsystem begonnen. Nach der Definition von Maak aus dem Jahr 2013 spielt auch noch das Alter der Seiteneinsteiger*innen eine Rolle. Diese seien ab sechs Jahren oder älter nach Deutschland eingereist. Die Vorbereitungskurse im Bundesland Bremen reagieren auf die Migrationsströme ab 2016 wie folgt: Zum einen achtet die Bildungsbehörde auf die Zusammensetzung der Vorbereitskurse. Hierzu betrachtet sie die Herkunftsländer- und Sprachen sowie die schulische Sozialisation und weitere Punkte. Zum anderen betrachtet die Bildungsbehörde Bremens die Zahl und die Konzeption der Vorbereitungskurse. Hierbei spielen Faktoren wie die Alphabetisierung, die Dauer der Kurse und der Übergang in den Regelunterricht wichtige Rollen. Außerdem gilt für das Bundesland Bremen: Unababhängig vom Aufenthaltsstatus eines Kindes bzw. eines Jugendlichen sind diese Kinder von der bremischen Schulpflicht eingeschlossen, soweit sie in Bremen gemeldet sind. Diese Schulpflicht gilt auch für sogenannte minderjährige Geflüchtete! Es ist ein Irrtum zu glauben, diese Vorbereitungskurse seien ausschließlich für geflüchtete Kinder und Jugendliche konzipiert. Jedoch bleibt zu konstatieren, dass im Schuljahr 2015/16 73% zugewanderte Kinder und Jugendliche waren, die meisten von ihnen aus Syrien, Afghanistan und Bulgarien. Hauptaugenmerk der Vorbereitungskurse liegt auf der Sprachförderung der Seiteneinsteiger*innen.
2. Diskutieren Sie Ihre Praxiserfahrungen mit der Sprachförderung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern vor bzw. nach dem vollständigen Übergang in den Regelunterricht. Gehen Sie dabei insbesondere auf binnendifferenzierende Maßnahmen ein.
Unter Binnendifferenzierung versteht man die didaktischen wie auch organisatorischen und methodischen Maßnahmen, die der Integration von z.B. Seiteneinster*innen in den Regelunterricht unterstützen.An meine ehemalige Schule, das Gymnasium Vegesack, grenzte ein Förderzentrum an, sodass wir im Kontakt mit diesen Schülern*innen standen. Während wir in der Mittelstufe im Deutschunterricht bereits anfingen, gegenseitig kleine Buchvorstellungen zu halten, Aufsätze zu schreiben oder eigene Geschichten schrieben, stand für unsere Nachbarn Elementares aus dem Deutschunterricht an. Insbesondere die deutsche Syntax, sprich Grammatik, Aplhabetisierung und das Formulieren ganzer und vollständiger Sätze. Was für uns Schüler*innen als selbstverständlich galt, da wir es z.B. in der Grundschule erlernt hatten oder Muttersprachler waren, war für die Schüler*innen des Förderzentrums ein arbeitsintensiver Weg. Bei der Gegenüberstellung der der völlig unterschiedlichen Arten von Deutschunterricht in der Mittelstufe beobachte ich unterschiedliche Niveaus von Unterricht, ohne diese werten zu wollen. Während auf der einen Schule „Aufbauarbeit“ geleistet wird, wird auf der anderen Schule weiterführend mit Sprache gearbeitet, sei es in der Produktion von Texten o.ä.
3. Suchen Sie eine Unterrichtsaufgabe (das Fach können Sie frei auswählen), die als Ersatz- bzw. Erweiterungsaufgabe besonders für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler im Regelunterricht entwickelt wurde. Vergleichen Sie diese Aufgabe mit der „regulären“, also der, die für andere Schülerinnen und Schüler eingesetzt wird. Welche Unterschiede finden Sie? Was halten Sie für hilfreich, was für problematisch?
Für mich als angehenden Deutschlehrer versuche ich nun Ersatz- bzw. Erweiterungsaufgaben für neu zugewanderte Schüler und Schülerinnen zu entwickeln. Zunächst möchte ich jedem SuS der Klassengemeinschaft das Gefühl geben, dazuzugehören. Hierzu zählt für mich insbesondere nach Möglichkeit ein gewisser Austausch zwischen den neu zugewanderten und alt eingesessenen Sus. Ich würde im Anschluss versuchen, Lerngruppen zu bilden: Während ein Teil der alteingesessenen z.B. einen Text erarbeitet und seinen Inhalt zusammenfasst, haben die neu zugewanderten Schüler und Schülerinnen eine etwas andere Aufgabe. Für Sie soll primär nicht gelten, den Inhalt des Textes zu erschließen, sondern den Text auf Satzebene in seine Einzelteile zu zerlegen. Die neu zugewanderten Schüler und Schülerinnen sollen anhand des Textes Satz für Satz sich genauer ansehen. Wo steht das Prädikat, wo das Subjekt? In welchem Tempus wird hier gesprochen? Nach der „Analyse“ einzelner Sätze des Textes gibt es im Anschluss die Möglichkeit des Austauschs innerhalb der Gruppe. Während die Alteingesessenen den Text auf der Inhaltsebene sich genauer angesehen haben, können sie den zugewanderten Schüler*innen eine Idee davon geben, worum es in dem Text geht. Im Austausch dafür präsentieren die neu zugewanderten den alteingessenen Schüler*innen der Gruppe ihre Ergebnisse: Wer ist hier das Subjekt und wer tut was? So profitieren von der Gruppenarbeit beide Sorten Schüler*innen und ich als Lehrer habe einen kleinen Beitrag dazu geleistet, in der heterogenen Masse an Schülern und Schülerinnen durch Gemeinschafts- bzw. Gruppenarbeit den Klassenverband zu fördern und zu fordern.
Hallo Rune,
mir gefällt es sehr gut, dass du die wichtigen Begriffe noch einmal definierst, bevor du mit deinen Erläuterungen beginnst. Diese Vorgehensweise hilft mir, als Leser, deine Aussagen besser einzuordnen und frischt das eigene Wissen auf.
Zu Punkt 1: Kannst du mir sagen, warum du den Satz über minderjährige Flüchtlinge, noch einmal extra erwähnst und sogar mit einem Ausrufezeichen versiehst? („Diese Schulpflicht gilt auch für sogenannte minderjährige Geflüchtete!„) Siehst du bei dieser Personengruppe eine besondere Wichtigkeit oder ist es zweifelhaft, dass sie dazugehören? Ich möchte noch anmerken, dass ich Vorbereitungskurse für absolut notwendig halte. Offensichtlich ist das Sprachverständnis und natürlich auch die Literalität der Schlüssel für eine erfolgreiche Schullaufbahn.
In meiner Schullaufbahn hatte ich keine Seiteneinsteiger unter meinen Mitschülern. Jedoch erinnert mich die Konstellation ein wenig an den Mathematikunterricht. Die Schüler, besonders während des Abiturs, hatte einen sehr unterschiedlichen Wissensstand und Mathematikverständnis. Während einige fröhlich Formeln umstellten und irgendwelche Graphen zeichneten hatten andere Probleme mit den Grundregeln der Mathematik. Da war unsere Mathematiklehrerin ziemlich gefordert. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein solcher Spagat, wie er bei Klassen mit Seiteneinsteigern notwendig wird, einfach zu bewältigen ist. Ich bin gespannt, welche Erfahrungen wir aus unseren zukünftigen Praktika, in Bezug auf diesen Punkt sammeln werden.
Was mir auch noch gut gefallen hat ist, dass du, so wie ich es verstanden habe, deine Seiteneinsteiger nach dem Erledigen ihrer Aufgabe, in die Diskussion mit den regulären SuS stellen möchtest. Vielleicht lässt sich ja auch eine kreative Idee erarbeiten, wie die Seiteneinsteiger und regulären SuS gemeinsam an ein- und demselben Projekt arbeiten. Ich sehe ein wenig die Gefahr, dass Seiteneinsteiger, wenn sie an vollständig separaten Projekten arbeiten, schnell als „die Anderen“ gesehen werden.
Gruß Mark
Hay Rune,
erstmal gratuliere ich dir zu deinem gelungen Beitrag.
Ich finde deine Erläuterungen sehr verständlich und gut formuliert.
Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass Seiteneinsteiger die Vorkurse besuchen und diese auch von den Schulen gestellt werden, den dies ist nicht selbstverständlich, da nicht alle Schulen sowas anbieten. Die Seiteneinsteiger haben alle einen anderen Level an Wissen und Sprachkompetenzen. Daher ist es wichtig zu versuchen alle auf einen Level des gleichen Wissens zu bringen! Deshalb finde ich auch deine Idee zum Unterrichtskonzept sehr gelungen. Die Seiteneinsteiger haben zwar eine andere Aufgabe, jedoch durch die Diskussion im Anschluss wird klar gemacht, dass deren Aufgabenteil ebenfalls wichtig ist wie der der anderen SuS. Somit kann ausgeschlossen werden, dass diese sich ausgeschlossen fühlen. Die Seiteneinsteiger sollten jedoch auch mit den anderen SuS, die schon länger dabei sind, Aufgaben und Gruppenarbeiten erledigen, denn Kommunikation ist das A und O! Durch die Kommunikation wird die Sprachkompetenz und die Integrierung in die Gesellschaft für die SuS leichter.
1) Du bist in deinem Beitrag sehr detailliert auf die Besonderheiten und Merkmale des Erwerbskontext Seiteneinstieg eingegangen. Eine Vermischung von wichtigen Begriffen, wie „Migrationshintergrund“, „Deutsch als Zweitsprache“ oder von „Seiteneinsteiger*Innen“ hat nicht stattgefunden und du hast Unterschiede und Besonderheiten benannt. Auch die Merkmale zur Zusammensetzung von Vorbereitungskursen zeigt du gut auf, wie z.B die schulische Sozialisation, Alphabetisierung oder Sprache.
Du nennst als Hauptaugenmerk der Vorbereitungskurse die Sprachförderung der Seiteneinsteiger*Innen. Ich würde noch als zweites und mit der Sprache einhergehendes Hauptaugenmerk, die möglichst schnelle Eingliederung in die Regelklasse, erwähnen.
2) Unter der Bezeichnung Binnendifferenzierung nennst du unterschiedliche Maßnahmen, „die der Integration von z.B. Seiteneinsteiger*Innen in den Regelunterricht unterstützen“ sollen. Ich glaube, dass du den Begriff der Binnendifferenzierung bzgl. der Integration von bestimmten Schüler*Innengruppen in den Unterricht noch erweitern kannst, wie du es in deinem eigenen Beispiel auch gemacht hast. Ich glaube, dass die Binnendifferenzierung die Vielfalt als Potenzial und Chance für Austausch und gemeinsames Lernen sieht bei Rücksicht auf Unterschiedliche Interessen, Leistungsstände, Motivation, Sprache etc.
3.) Deine eigene Unterrichtsaufgabe scheint mir gut gelungen. Mir gefällt, dass am Ende des Unterrichts alle die Möglichkeit haben voneinander etwas zu lernen, obwohl eine Unterscheidung in „leistungsstärkere“ und „schwächere“ Schüler*Innen stattfindet!