RV07: Inklusiver Deutschunterricht als ganz normale Herausforderung

1.) Benennen und erläutern Sie kurz drei für sie zentrale Erkenntnisse aus dem heutigen Termin (27.05.2024).

  1. Bedeutung der Inklusion im Bildungssystem: Eine wesentliche Erkenntnis aus der RV07 ist, dass die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (2006) die Bedeutung eines inklusiven Bildungssystems hervorhebt. Sie fordert, dass Menschen mit Behinderungen nicht vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und ihnen eine volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung ermöglicht wird (vgl. RV07, 2024, Folie 5). 
  2. Ein weiteres wesentliches Konzept ist die Bedeutung von Differenzierung und Individualisierung im Unterricht (vgl. RV07, Folie 8). Dies beinhaltet sowohl die Selbstdifferenzierung als auch die innere Differenzierung, um den verschiedenen Bedürfnissen der Schülerinnen gerecht zu werden. Ziel ist es, alle Schülerinnen entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten und Interessen zu fördern und zu fordern (Beck 28).
  3. Ein dritter zentraler Aspekt ist die Rolle der Partizipation im inklusiven Unterricht. Die Schüler*innen sollten aktiv in die Gestaltung ihres Lernprozesses einbezogen werden, um ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu erweitern und ihre Mitbestimmungsrechte zu stärken. Dies trägt nicht nur zur Verbesserung des Lernens bei, sondern fördert auch das Gefühl der Zugehörigkeit und persönlichen Wertschätzung im Klassenverband. Ein Beispiel hierfür ist die Mitgestaltung des Klassenraums (vgl. RV07, Folie 4).

Zusätzlich betonen Seitz und Scheidt (2012) in ihrem Artikel die Bedeutung eines inklusiven Bildungssystems, wie bereits in der RV07 herausgearbeitet. Sie unterstreichen, dass inklusiver Unterricht eine Vielzahl von Ressourcen und Ansätzen nutzt, um den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler gerecht zu werden. Dabei diskutieren sie sechs Ressourcen, die zur Weiterentwicklung des inklusiven Unterrichts beitragen können, und betonen die Wichtigkeit einer differenzierten und flexiblen Didaktik.

2. Diskutieren Sie einen heute vorgestellten Aspekt guten (inklusiven Literatur-)Unterrichts anhand eines positiven oder negativen Beispiels aus Ihren Praktika. Wenn Sie ein negatives Beispiel wählen: Machen Sie einen kurzen Verbesserungsvorschlag.

Während meines Praktikums in einer 3. Klasse erlebte ich, wie die Lehrerin beim Lesen des Buches „Der kleine Drache Kokosnuss“ von Ingo Siegner erfolgreich differenzierte und individualisierte:

  • Angepasste Lesematerialien: Die Lehrerin bot den Schülerinnen unterschiedliche Versionen des Textes an. Fortgeschrittene Leserinnen arbeiteten mit der vollständigen Ausgabe, während weniger geübte Leserinnen gekürzte Fassungen erhielten. Für Schülerinnen mit Leseschwierigkeiten standen Hörbücher zur Verfügung.
  • Vielfältige Aufgaben: Die Aufgaben waren vielfältig gestaltet, um den verschiedenen Lernniveaus und Interessen gerecht zu werden. Die Kinder konnten zwischen kreativen Schreibaufgaben, dem Malen von Szenen aus dem Buch und Rollenspielen wählen.
  • Technologische Unterstützung: Einige Schüler*innen nutzten Tablets mit speziellen Lese- und Schreibprogrammen, die ihnen halfen, den Text besser zu verstehen und ihre Aufgaben zu erledigen.
  • Dieser differenzierte und individualisierte Ansatz führte zu hoher Motivation und aktiver Beteiligung der Schülerinnen. Jedes Kind konnte auf seinem individuellen Niveau lernen, was nicht nur das Verständnis der Geschichte, sondern auch das soziale Miteinander in der Klasse förderte. Die Schülerinnen fühlten sich einbezogen und unterstützt, was zu einem positiven Lernklima beitrug.

Studierende ohne IP: Welche Rolle sehen Sie für sich im inklusiven Deutschunterricht und was wünschen Sie sich von den zukünftigen IP‐Kolleg*innen?

Im inklusiven Deutschunterricht sehe ich meine Rolle darin, einen differenzierten und individualisierten Unterricht zu gestalten, der den Bedürfnissen aller Schülerinnen gerecht wird. Dazu möchte ich ein Klassenzimmer schaffen, in dem sich jeder willkommen fühlt, und Materialien sowie Aufgaben anbieten, die auf verschiedene Lernniveaus und Interessen zugeschnitten sind. Wichtig ist für mich auch die enge Zusammenarbeit mit meinen Kolleg*innen, um individuelle Förderpläne zu entwickeln und umzusetzen.

Von meinen zukünftigen IP-Kolleginnen wünsche ich mir vor allem fachliche Unterstützung bei der Anpassung von Unterrichtsmaterialien und Methoden. Gemeinsame Planung und regelmäßige Besprechungen sind essenziell, um die besten Lernbedingungen für alle Schülerinnen zu schaffen. Ich hoffe auf einen kontinuierlichen Austausch über erfolgreiche Strategien und Methoden im inklusiven Unterricht sowie gemeinsame Fortbildungen, um unser Wissen und unsere Fähigkeiten zu erweitern.

Durch eine enge und kooperative Zusammenarbeit können wir einen erfolgreichen inklusiven Deutschunterricht gestalten, der alle Schüler*innen fördert und ihnen gerecht wird.

 

 

 

Beck, Charlotte. et al. Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK): “Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik”, 3. erweiterte Auflage, Bonn. URL: Inklusion: Leitlinien [letzter Zugriff: 29.05.24, 16:36]

Seitz, S. & Scheidt, K. (2012). Vom Reichtum inklusiven Unterrichts – Sechs Ressourcen zur Weiterentwicklung. In: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/62 [letzter Zugriff: 29.05.24, 16:49]


Kommentare

2 Antworten zu „RV07: Inklusiver Deutschunterricht als ganz normale Herausforderung“

  1. Avatar von Charlotte
    Charlotte

    Zu Aspekt 1:
    Der erste Aspekt ist sehr wichtig und grundlegend. Allerdings gibt es hier noch keinen konkreten Bezug zum Unterricht und der Unterrichtsgestaltung. Ich finde man könnte hier beispielsweise eine Verknüpfung zu dem „Gemeinsamen Gegenstand“ (vgl. Feuser, 1999) herstellen. Bei inklusivem Unterricht ist es wichtig, dass die Klasse gemeinsam an einem Gegenstand arbeiten kann (vgl. Feuser, 1999). Das bedeutet, dass man durch verschiedene Wege und Unterrichtsformate gemeinsam an einer Sache arbeiten kann und jedes Kind dabei individuell an die Bedürfnisse angepasst. Die Kinder werden also nicht aufgeteilt und arbeiten auch nicht an unterschiedlichen Sachen. Der „Kern der Sache“ (vgl. Seitz, 2008) sollte bei allen Kindern gleich sein. Das bedeutet auch, dass man sich als Lehrkraft immer darüber klar sein muss, was der Kern dieser Sache ist, also was das gemeinsame Unterrichtsziel ist. Geht es beispielsweise darum, den Aufbau von Gedichten kennenzulernen oder geht es eher darum, Gedichte zu deuten und seine eigenen Gedanken dazu zu teilen.

    Zu Aspekt 2:
    Den zweiten Aspekt, der sich auf die Differenzierung und Individualisierung bezieht, finde ich auch sehr interessant. Wie du schon gesagt hast, geht es darum alle Schüler:innen zu fördern und vor allem auch zu fordern. Das bedeutet für mich auch, dass nicht manche Kinder schwierige Aufgaben bekommen und andere vermeintlich einfache. Ein Satz aus der Vorlesung lautete: „Nicht nach dem Einfachen fragen, sondern nach dem Wichtigen.“ (Folie 17, RV07). Es soll also bei der Differenzierung von Aufgaben im Unterricht nicht darum gehen, alles so einfach wie möglich zu machen, sondern das Wichtigste herauszuarbeiten und in den Vordergrund zu stellen. Ein Beispiel war ein Buch, das in einfacher Sprache geschrieben wurde für Kinder mit Leseschwierigkeiten. Dabei wurde die Handlung sehr trocken runtergeschrieben, sodass keinerlei Spannung oder Emotionen mehr erzeugt wurden. Die Kinder können sich das Buch dann zwar einfacher selbst erlesen, aber empfinden möglicherweise keine Freude dabei, da es eher langweilig wirkt. Die Kinder haben also am Ende nichts davon, da sie den Spaß, den andere Kinder beim Lesen haben, selbst nicht nachempfinden können. Die Lesemotivation könnte sich dadurch verschlechtern. Es ist also wichtige auch die Kinder mit Schwierigkeiten unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse zu fordern.

    Zu Aspekt 3:
    Bei dem Aspekt zur aktiven Teilnahme der Schüler:innen an der Gestaltung des Unterrichts könnte man ergänzend noch Beispiele aus dem Literaturunterricht anfügen. Eine Möglichkeit hierbei die Schüler:innen einzubeziehen wäre die Auswahl von Lektüren. Man könnte nach Interessen fragen und danach eine Auswahl zur Verfügung stellen. So fühlen sich die Kinder einbezogen und sie fühlen sich zugehörig und wertgeschätzt.

    Zur Praxiserfahrung:
    Der von dir beschriebene Unterricht wirkt sehr inklusiv und es klingt so als hättest du in der Hinsicht gute Erfahrungen gemacht. Ich habe solch einen Unterricht leider nicht miterleben dürfen. Bei meinem Bundesfreiwilligendienst 2018/2019 habe ich eine Unterrichtseinheit miterlebt, bei dem die Kinder auch gemeinsam ein Buch lasen. Ein großer Teil der Klasse empfand dieses Buch als langweilig, einige Kinder, weil sie das Thema nicht interessierte und andere Kinder, weil es „zu einfach“ war. Die Kapitel waren sehr kurz und der Inhalt sehr einfach. Die Lehrkraft hat dieses Buch bewusst ausgewählt „damit alle mitlesen können“. Sie differenzierte also die Texte nicht, sondern wählte einen sehr einfachen für alle. Im Unterricht wurden dazu Aufgaben schriftlich bearbeitet und auch als Hausaufgabe gab es immer wieder Arbeitsblätter. Die Aufgaben waren also sehr einseitig und nicht besonders kreativ, die Kinder empfanden dies auch als langweilig.
    Für die Kinder mit Leseschwierigkeiten war dieses Buch sehr gut, das sie Erfolge hatten und aktiv am Unterricht teilnehmen konnte. Dadurch, dass ein großer Teil der Klasse dies nicht so empfand war es häufig sehr unruhig und die Kinder beschäftigten sich mit anderen Dingen.

    Fazit:
    In deinem Beitrag geht es vor allem um grundlegende Dinge von Inklusion, wie beispielsweise Inklusion im Bildungssystem, die Einbeziehung aller Schüler:innen nach ihren Bedürfnissen und auch die Differenzierung im Unterricht. In den Vorlesungen ging es bisher häufig um unterschiedliche Formen von Heterogenität. Heterogenität und Inklusion sind unmittelbar miteinander verknüpft, da Inklusion durch die Heterogenität der Schüler:innen erforderlich ist. In der RV 03 ging es zum Beispiel um Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Hier wird Inklusion auf sprachlicher Ebene wichtig. Schwierigkeiten in der Verständigung können zu Überforderung oder sogar Ausgrenzung im Unterricht führen. Es ist also immer wichtig im Hinblick auf Heterogenität einen inklusiven Unterricht zu planen und bestmöglich umzusetzen, damit alle Kinder einbezogen werden und aktiv am Unterricht teilnehmen können.

    Literaturverzeichnis:
    Feuser, G. (1999). Integration – eine Frage der Didaktik einer Allgemeinen Pädagogik. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft, Heft 1/99, S. 39-49

    Seitz, S. (2008). Leitlinien didaktischen Handelns. In: Zeitschrift für Heilpädagogik. Heft 6, S. 226-233

  2. Avatar von christoph fantini
    christoph fantini

    sehr beeindruckender austausch, optimale strukturierung!
    cf

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