Moot Court als didaktische Herausforderung in der juristischen Ausbildung

von Tobias Pinkel, Lisa Lüdders und Ingeborg Zerbes

Moot Courts stellen eine Möglichkeit der praxisnahen Ausbildung im Jurastudium dar, die im angloamerikanischen Bereich seit einigen Jahrzehnten, in jüngster Zeit aber auch vermehrt in Deutschland, an Bedeutung gewinnt. Durch simulierte Gerichtsverhandlungen können Studierende Fähigkeiten erlernen, die im Studium der Rechtswissenschaft, das überwiegend auf die Lösung von Fallklausuren ausgerichtet ist, zu kurz kommen, für die Praxis aber von großer Bedeutung sind. Der Aufwand für die Teilnahme an Moot Courts ist für Studierende allerdings enorm und stellt Lehrende vor erhebliche didaktische Herausforderungen. Im klassischen Jurastudium können Moot Courts als Lehrveranstaltung deshalb nur im Wahlpflichtbereich angesiedelt werden.

„Mooting nurtures this indescribable ability to explain what may be a very complex legal material simply and clearly.” (Snape inter al. 2010, S. 13)

A. Einbettung der Moot Courts in das juristische Studium

Das juristische Studium in Deutschland bereitet in erster Linie auf die sogenannte Pflichtfachprüfung im Rahmen der Ersten juristischen Prüfung (ehemals Staatsexamen) vor. Im Rahmen der Pflichtfachprüfung wird pro Klausur die juristische Lösung eines vorgegebenen Sachverhalts verlangt, der i.d.R. auf einer A4-Seite beschrieben wird und keine beweisrechtlichen Probleme enthält. Die Lösung erfolgt nach deutschem Recht und in deutscher Sprache, das Recht wird dabei nach einem in Deutschland geltenden Methodenkanon ausgelegt. Die Lösung der Sachverhalte folgt einer klaren Struktur im „Gutachtenstil“. Die Pflichtfachprüfung entscheidet zu 70 % über die Abschlussnote des Jurastudiums (§ 5d II 4 DRiG). Entsprechend steht für die Studierenden die Vorbereitung auf diese Form der Prüfung im Vordergrund, was sich auch in den Prüfungsleistungen im Rahmen des Studiums abbildet, die allerdings nicht in die Abschlussnote einfließen.

Neben die staatliche Pflichtfachprüfung gesellt sich seit 2003[1] ein universitärer Teil der Abschlussprüfung, die sogenannte Schwerpunktbereichsprüfung, die zu 30 % in die Abschlussnote einfließt (§ 5d II 4 DRiG) und die aus mindestens einer schriftlichen Prüfungsleistung bestehen muss (§ 5d II 2 DRiG). Die genaue Gestaltung dieser Prüfung ist dem Landesrecht und den Universitäten überlassen. Nach Bremer Landesrecht muss die Schwerpunktbereichsprüfung auch eine mündliche Prüfungsleistung enthalten (§ 32 III 2 JAPG), die Konkretisierung wird aber der Prüfungsordnung überlassen. Nach dieser fließt ausschließlich eine wissenschaftliche Abschlussarbeit (vergleichbar mit einer Bachelorarbeit, die allerdings anonym gestellt und folglich nicht betreut wird) sowie eine mündliche Schwerpunktprüfung in die Benotung ein (§ 34 II PO Jura 2010). Durch diese Ausformung der Schwerpunktbereichsprüfung ist nunmehr in Bremen sichergestellt, dass sich Studierende des Fachs Rechtswissenschaft jenseits der Falllösungstechnik auch mit rechtswissenschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzen und wissenschaftliche Arbeitsmethoden erlernen.

Die Fähigkeit, einen Sachverhalt systematisch nach der eigenen Rechtsordnung zu lösen und rechtswissenschaftliche Perspektiven zu komplexen juristischen Fragen zu entwickeln, ist zwar eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Tätigkeit eines Juristen, sie reicht aber bei weitem nicht aus. In der Praxis ist es selten Aufgabe eines Juristen, die methodisch überzeugendste Lösung eines Sachverhalts zu finden. Vielmehr müssen Anwälte eine methodisch vertretbare Lösung eines Streitfalls im Sinne ihrer Mandanten entwerfen und möglichst überzeugend vertreten. Auch die Fakten eines Falles liegen selten klar auf dem Tisch, sondern müssen aus hunderten Dokumenten ergründet und im Sinne der Mandanten zusammenfassend dargestellt werden.

Richter werden sich oftmals Gedanken machen, welche gesellschaftspolitischen Folgen ihre Entscheidung einer Rechtsfrage in anderen Zusammenhängen hat und sodann überprüfen, ob die von den Rechtsfolgen her gedachte, gewünschte Entscheidung auch de lege lata (d.h. nach dem derzeit geltenden Recht) vertreten werden kann, eine Entscheidung in diesem Sinne also rechtlich möglich ist. Diese Rechtsfolgenorientierung ist aber – anders als in Skandinavien – in Deutschland keine zugelassene Methode der Auslegung und wird entsprechend in der Vorbereitung auf die Falllösungsklausuren nicht erlernt.

Ebenso müssen Juristen in der Praxis ihre Positionen regelmäßig in Verhandlungen mündlich vertreten – eine Fähigkeit, die im klassischen Studium ebenfalls kaum vermittelt wird. Im Rahmen der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft, wird auch die Fähigkeit wichtiger, juristische Dienstleistungen in englischer Sprache erbringen zu können.

Ein wichtiges Lehrformat, das diese Lücken in der Juristenausbildung zu einem erheblichen Teil schließen kann, ist der Moot Court. Moot Courts sind simulierte (Schieds-)Gerichtsverhandlung. Eine klare Unterscheidung zwischen „Moot Courts“, bei denen die Faktenlage als gegeben vorausgesetzt wird und sogenannten „Mock Trials“, bei denen es in erster Linie darum geht, die Fakten eines Falles anhand verschiedener Beweismittel festzustellen, wird in dieser Arbeit nicht vorgenommen (zu der Unterscheidung vgl. z.B. Ringel 2004, S. 459; Snape inter al. 2010, S. 6). Mock Trials in ihrer Reinform spielen in der universitären Juristenausbildung in Deutschland ohnehin keine Rolle, da immer die Rechtsfragen im Mittelpunkt stehen. In einigen Fällen können Elemente eines Mock Trials jedoch auch in Moot Courts integriert werden, wenn z.B. statt eines Sachverhalts eine bis zu hundertseitige Fallakte ausgegeben wird oder sogar Zeugen ins Spiel gebracht werden.

Moot Courts können als eigenständige Lehrveranstaltung universitätsintern entwickelt, oder als große nationale bzw. internationale Wettbewerbe zwischen Teams verschiedener Universitäten ausgetragen werden. Vermehrt werden Moot Courts im Rahmen der klassischen Juristenausbildung als Teil des Wahlpflichtprogramms („Schlüsselqualifikationen“) angeboten, die ebenfalls seit 2003 verpflichtend sind.[2] In juristischen Reformstudiengängen in Deutschland, wie z.B. der von der Universität Bremen in Kooperation mit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg seit 2002 angebotenen „Hanse Law School“, gehören Moot Courts seit der Gründung zum Pflichtcurriculum, wie dies auch international immer typischer wird (vgl. z.B. Snape inter al. 2010, S. 13). An vielen Universitäten gehört die Teilnahme an großen Moot Court-Wettbewerben zum festen Bestandteil des Fakultätslebens. Für die Aufnahme in den Teams bewerben sich regelmäßig die besten Studierenden der Fakultät und durchlaufen dabei harte Auswahlverfahren.

Sollte die Juristenausbildung in Deutschland, wie oftmals gefordert, in Zukunft stärker an den Bedürfnissen der Anwaltschaft ausgerichtet werden, gewännen Moot Courts weiter an Bedeutung (vgl. z.B. Pfeifer et al. 2016, S. 717). Der Ausgangspunkt – ein fiktionaler Fall und kein echter Streit zwischen zwei Parteien – und weitere Unterschiede (wie insb. das Interesse des Anwalts, den Fall zu gewinnen vor echten Gerichten vs. eine möglichst gute Bewertung und ggf. einen Preis zu gewinnen in der Welt des Moots) haben zwar vereinzelt zu Kritik an dem Lehrformat „Moot Court“ geführt (so z.B. Kozinski 1997, S. 178). Dennoch gilt es insgesamt als ein wichtiges Kerninstrument einer praxisnahen Juristenausbildung (vgl. z.B. Snape inter al. 2010, S. 13 f.), insbesondere in den USA (ebenda, S. 7).

Deshalb möchte dieser Artikel einen Überblick über die verschiedenen Moot Court-Wettbewerbe geben, die an deutschen Universitäten eine wichtige Rolle spielen (B.), bevor Modelle beschrieben werden, wie Moot Courts als eigenständige Lehrveranstaltungen universitätsintern implementiert werden können (C.). Abschließend soll auf die didaktischen Herausforderungen eingegangen werden, die mit der Durchführung eines Moot Courts verbunden sind (D.).

[1] Eingeführt wurde diese Änderung mit dem Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl. I S. 2592), das am 1. Juli 2003 in Kraft trat.

[2] Die genaue Ausgestaltung hängt von der Landesgesetzgebung ab. In vielen Ländern wird nur eine sogenannte Schlüsselqualifikation angeboten. In Bremen sind hingegen zwei Schlüsselqualifikationen erforderlich. Die genaue Ausgestaltung und fehlende Anbindung von Schlüsselqualifikationen an die wirklichen Erfordernisse hat gelegentlich zur Kritik geführt. Vgl. z.B.  Wolf 2013. Moot Courts gehören allerdings zu den vorbildlichen Beispielen.

B. Moot Courts als Wettbewerbe zwischen Universitäten

Moot Courts haben eine sehr lange Tradition. Es ist dokumentiert, dass schon vor über 500 Jahren Moot Courts einen wesentlichen Bestandteil der Ausbildung von Berristers (also den Anwälten, die in England vor Gericht auftraten) in den Inns of Court und Inns of Chancery (den damaligen Ausbildungsstätten für die beiden wesentlichen Gerichtsbarkeiten in England) darstellten. Mit dem Aufkommen von gedruckten juristischen Werken nahm die Bedeutung von Moot Courts jedoch immer weiter ab, bis sie schließlich fast gänzlich verschwanden (vgl. z.B. Snape inter al. 2010, S. 9 ff.). Vermehrt seit den 1980er Jahren wurden Moot Courts als Wettbewerbe zwischen Universitäten in den USA im Rahmen der juristischen Ausbildung etabliert. So wurden sie zum Phönix der juristischen Ausbildungsmethodik in der common law-Welt. Schon bald folgten zahlreiche internationale Wettbewerbe. In Deutschland haben sie hingegen – sowohl an den Universitäten als auch als Wettbewerbe – eine viel kürzere Tradition, die oft erst in diesem Millennium begann.

Dennoch sollen zunächst die wichtigsten nationalen Wettbewerbe dargestellt werden, da sich diese deutlich näher an der klassischen Juristenausbildung orientieren (I.). Sodann werden die wichtigsten internationalen Wettbewerbe kurz umrissen, die auch an deutschen Universitäten eine wichtige Rolle spielen (II.).

I. Nationale Wettbewerbe

Nationale Wettbewerbe haben den Vorteil, dass alle Teilnehmenden in derselben Rechtsordnung ausgebildet wurden. Als anwendbares Recht kann also sowohl im materiellen Recht (d.h. hinsichtlich der Regelungen, die zur Lösung des Streits herangezogen werden) als auch im Prozessrecht (d.h. hinsichtlich der Regelungen, die den Verfahrensablauf vor Gericht regeln und damit auch als Verfahrensvorschriften im Rahmen des Moot Courts gelten), auf das nationale Recht zurückgegriffen werden. Nur an wenigen Punkten, an denen es aus didaktischen Gründen sinnvoll erscheint, sollte im Rahmen der Regularien des Moot Courts explizit von den Regelungen des Prozessrechts abgewichen werden. So wird z.B. meist gefordert, dass Literatur- und Urteilsverzeichnisse einem Schriftsatz nachgestellt werden und der Schriftsatz um ein Inhaltverzeichnis ergänzt wird (so z.B. § 9 III Regeln des Hans Soldan Moot zur Anwaltlichen Berufspraxis 2018; nachfolgende: Soldan-Regelungen), was in der Praxis nicht typisch ist.

Zwar ist mit dem von der studentischen Organisation ELSA e.V. selbst organisierten ELSA Deutschland Moot Court (EDMC) bereits 1993 ein erster Wettbewerb zwischen Universitäten, der ein Zivilrechtsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) simuliert, ins Leben gerufen worden, die meisten Wettbewerbe haben bislang aber noch weniger als zehn Mal stattgefunden. Mittlerweile gibt es in Deutschland als Wettbewerb organisierte Moot Courts u.a. zum Zivil-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, aber auch zu Unterrechtsgebieten wie dem Arbeitsrecht, dem Sozialrecht oder dem Steuerrecht (einen ausführlicheren Überblick über die in Deutschland angebotenen Moot Courts bieten z.B. Strecker et. al. 2018). Außer im Strafrecht werden damit Wettbewerbe in allen großen Bereichen des Rechts ausgetragen.

Allen Moot Courts sind einige Grundprinzipien gemein: An den Universitäten werden Teams aus ca. 2-6 Studierenden zusammengestellt, die in die Rolle der Parteivertreter schlüpfen – also als Rechtsanwälte des Klägers und des Beklagten auftreten. Als Richter fungieren ausgebildete Juristen aus Wissenschaft und Praxis, die auch für die Bewertung der Studierenden verantwortlich sind. Der Wettbewerb durchläuft eine schriftliche und eine mündliche Phase. Die Teams der Universitäten werden von mehreren Coaches betreut, die im Optimalfall aus unterschiedlichen Bereichen kommen (mindestens ein Coach aus dem wissenschaftlichen Personal der Fakultät, ein Studierender, der im Vorjahr an dem Wettbewerb teilgenommen hat und ein in der Praxis arbeitender Jurist) und entsprechend mit unterschiedlichen Sichtweisen an den Fall herangehen. In der mündlichen Verhandlung treten jeweils zwei Studierende im Team zusammen vor dem simulierten Gericht auf.

Jenseits dieser Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Wettbewerbe jedoch stark. Die unterschiedlichen Gestaltungsformen und der damit verbundene unterschiedliche Arbeitsaufwand für die teilnehmenden Studierenden soll exemplarisch an dem „Moot Court Arbeitsrecht“ am Bundesarbeitsgericht (BAG Moot) und dem Hans Soldan Moot zur Anwaltlichen Berufspraxis (Soldan Moot) veranschaulicht werden.

BAG Moot Soldan Moot
Gestaltung des ausgegeben Falls Die Studierenden erhalten „einen unstreitigen Sachverhalt“ (Nr. 4 Merkblatt zum achten arbeitsrechtlichen Moot Court beim Bundesarbeitsgericht; nachfolgende Merkblatt BAG-Moot), der sich von Art und Umfang nicht grundlegend von einem typischen Klausursachverhalt unterscheidet. Die Studierenden erhalten eine vollständige fiktive Fallakte (§ 7 II Soldan-Regeln), wie sie zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im Berufungsverfahren auch in der Praxis vorliegen könnte und im Jahr 2018 z.B. 34 Seiten umfasste.
Größe der Teams Die Teams bestehen aus 2-3 Personen (Nr. 3 Merkblatt BAG-Moot). In der Regel 4 Mitglieder, die Mitarbeit eines 5. Teammitglieds ist nur anzeigepflichtig (§ 6 I Soldan-Regeln).
Persönliche Voraussetzungen Nur Studierende, die mindestens im 4. Fachsemester in einem Studiengang, der mit der Ersten juristischen Prüfung endet, studieren und die noch nicht die Pflichtfachprüfung abgeschlossen haben. Alle Studierende ab dem 3. Fachsemestern, die an einer juristischen Fakultät in Deutschland eingeschrieben sind.
Aufgaben der Studierenden im schriftlichen Verfahren Jedes Team vertritt nur eine Seite im Verfahren (Kläger oder Beklagten) und verfasst nur für diese Seite einen Schriftsatz, der fünf Seiten nicht überschreiten darf (Nr. 5 a) Merkblatt BAG Moot). Jedes Team schlüpfen zunächst in die Rolle des Klägervertreters und verfasst hierfür einen bis zu 35-seitigen Schriftsatz zuzüglich Verzeichnisse und Anhänge (§ 9 II Soldan-Regeln). Nach Abschluss dieser Phase erhalten die Teams den Klägerschriftsatz eines anderen Teams, auf den sie nochmals mit einem bis zu 35-Seiten Beklagtenschriftsatz antworten.
Aufgaben in den mündlichen Runden Die Studierenden vertreten nur eine Seite in den Verhandlungen (d.h. Kläger oder Beklagter) in einem Team aus zwei Studierenden. Die Teams müssen jeweils vertreten durch zwei Studierende sowohl die Seite des Klägers als auch die Seite des Beklagten vertreten.

Die Universität Bremen hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach beim BAG Moot sowie einem sozialrechtlichen Moot Court teilgenommen. In diesem Jahr soll im Rahmen von ForstAintegriert erstmal die Aufstellung und Betreuung mehrerer Teams für den Soldan Moot organisiert werden.

II. Internationale Wettbewerbe

Eine weitaus längere Tradition als die deutschen Wettkämpfe haben internationale Wettbewerbe. Zu den wichtigsten internationalen Moot Courts gehören heute:

  • der „Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot“ (Vis Moot) zum internationalen Handels- und privaten Schiedsrecht, der seit 1994 jährlich in Wien stattfindet und bei dem in diesem Jahr Teams von 378 Universitäten teilnehmen,
  • im Investitionsschiedsverfahren unter anderem der seit 2008 stattfindende „Frankfurt Investment Arbitration Moot Court“, an dem bislang bis zu 66 Teams teilnahmen,
  • die „Philip C. Jessup International Law Moot Court Competition“ (Jessup) im Völkerrecht, die bereits seit 1959 stattfindet und mit bis zu 645 Teams aus 95 Ländern auch den größten Wettbewerb darstellt und
  • dem „European Law Moot Court“ (ELMC) im Europarecht, der seit 1988 organisiert wird.

Die Universität Bremen hat in der Vergangenheit an keinem der Wettbewerbe regelmäßig teilgenommen. Vereinzelte Teilnahmen erfolgten aber beim ELMC, an dem ein Team unserer Universität erstmals 2012/2013 teilgenommen hat und beim Vis Moot, an dem sich die Universität Bremen erstmals 2007/2008 beteiligte. Im Rahmen von ForstAintegriert versucht der Fachbereich jedoch die Teilnahme am Vis Moot zu verstetigen und nimmt dieses Jahr zum ersten Mal zwei Jahre in Folge an dem Wettbewerb teil. Grundsätzlich gelten für internationale Wettbewerbe die gleichen Prinzipien wie für Wettbewerbe in Deutschland. Auch hier variiert z.B. das Konzept zwischen dem Stellen eines relativ kurzen Moot-Problems (z.B. ELMC) bis hin zum Stellen umfangreicher, oftmals die 50-Seiten-Grenze überschreitender Fallakten (z.B. Vis Moot). Allerdings sind stets umfassendere Schriftsätze zu verfassen als beispielsweise beim BAG Moot.

Es gibt aber auch besondere Herausforderungen, die sich aus dem internationalen Charakter der Moots ergeben. Zunächst ist Jura noch immer ein in erster Linie an nationale Gesetze und damit auch nationale Sprache gebundenes Fach. Im Jurastudium an der Universität Bremen wird i.d.R. nur ein einziger Kurs in englischer Sprache belegt; ein vertiefter juristischer Wortschatz für alle Rechtsgebiete ist bei den Studierenden also nicht vorhanden. Damit stellen internationale Wettbewerbe zunächst die Studierenden rein sprachlich vor Herausforderungen, da die Wettbewerbe meist auf Englisch, zum Teil aber auch auf Englisch und Französisch (der historisch wichtigsten Sprache im Völker- und Europarecht) stattfinden. Die Fachsprache erst im Rahmen der ohnehin sehr zeitaufwendigen Wettbewerbsteilnahme zu erlernen, kann dabei die Studierenden zusätzlich überfordern. Deshalb bietet es sich an, vor der Wettbewerbsteilnahme Einführungskurse in den Themenbereich des jeweiligen Wettbewerbs auf englischer Sprache anzubieten.

Auch die Größe der Wettbewerbe führt zu zusätzlichen Herausforderungen. Deshalb nehmen bei den meisten Wettbewerben nicht alle teilnehmenden Teams an der Hauptrunde teil. Vielmehr erfolgt eine Selektion oftmals bereits im schriftlichen Abschnitt des Moot Courts (so z.B. bei ELMC) oder aber durch vorgelagerte regionale Vorausscheidungen. Eine der wenigen Ausnahmen stellt der Vis Moot dar. Aber auch hier finden informal regionale Runden zur Vorbereitung (Pre-Moots) auf den eigentlichen Wettbewerb statt, bei denen eine Teilnahme zwingend erforderlich ist, wenn man mit den anderen Teams in der Hauptrunde mithalten möchte. Entsprechend fallen hohe Reise- und Übernachtungskosten an, deren Finanzierung die Teams regelmäßig vor Herausforderungen stellt. Unterstützende Strukturen, wie die Gründung von gemeinnützigen Moot-Court-Alumni-Vereinen, sind deshalb an den meisten Universitäten üblich und müssen auch in Bremen diskutiert werden. Neben der finanziellen Unterstützung kann hierdurch auch die Betreuung der Teammitglieder durch Moot Court-Alumni, die nunmehr in der Praxis tätig sind, verbessert werden.

C. Moot Court als eigenständige Lehrveranstaltung

Moot Courts können auch als eigenständige Lehrveranstaltung konzipiert werden. Hierfür gibt es grundlegend zwei Konzepte: Entweder wird der Moot Court als interner Wettbewerb veranstaltet, bei dem die Teams, die aus den Kursteilnehmern bestehen, gegeneinander antreten und von Lehrenden, die als „Richter“ fugieren, bewertet werden. Eine Finalrunde der beiden bestbewerteten Teams ist hierbei optional. Diese Moot Courts unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von nationalen oder internationalen Wettbewerben, auch wenn die Betreuung der Studierenden ob der größeren Zahl nicht so intensiv sichergestellt werden kann. Dieser Weg wurde beispielsweise für die Pflichtveranstaltung „Moot Court EU Law“ im Rahmen der Hanse Law School an der Universität Bremen gewählt.

In einem gänzlich anderen Konzept schlüpfen die Studierenden hingegen in alle Rollen. Die Teams werden dann zwischen Anwälten und Richtern aufgeteilt und der Prozess findet i.d.R. nur einmal statt. So können die Studierenden einen strittigen Sachverhalt aufarbeiten und letztlich auch im Rahmen des „Urteils“ nach Diskussion der widerstreitenden Argumente, die von den unterschiedlichen Teams der „Anwälte“ in den Schriftsätzen und mündlichen Vorträgen aufgearbeitet wurden, zu lösen versuchen. Aktuell gesellschaftspolitisch diskutierte Themen sind hierfür beliebt. Beispiele sind die Straffreiheit des Abschusses eines Flugzeuges, das für terroristische Zwecke gekapert wurde, die Zulässigkeit der Installation von Videoüberwachung in gemeinschaftlich genutzten Räumen von Mietshäusern oder die Haftung von Autokonzernen bei Manipulation der Abgasreinigung.

In einer besonderen Ausformung kann diese Konzeption auch als Zukunftslabor genutzt werden. So können fiktive Fälle konstruiert werden, die voraussichtlich in Zukunft auftreten werden, wie beispielsweise Haftungsfragen für autonom fahrende Autos. Die Studierenden können dann im Rahmen des Verfahrens untersuchen, welche Lösungen das derzeitige Recht für entsprechenden Konfliktlinien zu bieten hat und abschließend kritisch beurteilen, ob das Recht diesen Herausforderungen der Zukunft bereits gewachsen ist oder angepasst werden muss.

D. Herausforderungen für die Didaktik

Moot Courts geben zwar einen guten Einblick in die Praxis und üben die Fähigkeiten des Forschenden Lernens ein, jedoch stellen sie auch didaktisch sehr hohe Anforderungen an die Studierenden und die betreuenden Personen. Grundlegender Baustein eines Moot Courts ist die schriftliche Kompetenz beim Verfassen von Klageschrift und -Erwiderung. Die Schriftsätze müssen äußerst gut ausgearbeitet werden. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung des Betreuers mit den Studierenden, der zu den Schriftsätzen ein individuelles Leistungsfeedback und Korrekturen vorgeben muss, bevor sie eingereicht werden können. Eine Betreuung von nur wenigen Studierenden ist daher Standard bei Moot Courts. Aufgrund des zeitlichen Aufwands ist auch davon auszugehen, dass nur wenige Studierende zu einer Teilnahme motiviert werden können. Ein wesentlicher extrinsischer Motivationsfaktor ist jedoch in dem kompetitiven Charakter eines Moot Courts zu finden. Der Wunsch, besser zu sein als andere Gruppen bzw. zu gewinnen und sich selbst zu beweisen, dass man in einer Gerichtsverhandlung argumentativ bestehen kann, ist eine entscheidende Erfahrung. Hierbei sind rhetorische Fähigkeiten vonnöten, die ebenfalls im Rahmen der Vorbereitungsrunden wichtig sind. Jurastudierende belegen im Laufe ihres Studiums Schlüsselqualifikationskurse, die u.a. rhetorische Kompetenzen einüben. Da diese jedoch freiwillig gewählt werden, bedeutet es nicht zwangsläufig, dass jeder Teilnehmer eines Moot Courts auch tatsächlich in einem Rhetorikkurs geschult wurde. Daher bleibt es in der Verantwortung des Betreuers, die Studierenden auch auf den Gebieten des „richtigen“ Verhaltens und „überzeugenden“ Argumentierens vorzubereiten.

Didaktisch stehen die Betreuer vor der Herausforderung, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihre Plädoyers einzuüben und entsprechende praktische Verbesserungen vorzuschlagen. Dies erfordert einen hohen logistischen Aufwand an der Heimatuniversität. Nicht nur das Personal für die Betreuung, sondern auch Räume (ggfs. mit technischer Audio- und Bildausstattung) müssen zur Verfügung stehen. Das eigene Auftreten in einer Videoaufnahme zu analysieren und daraus Optimierungen abzuleiten, setzt voraus, dass die Betreuer ihrerseits gut geschult in der Körpersprache, der Glaubwürdigkeit in der eigenen Beweisführung oder der Widerlegung der gegnerischen Argumentation sind.

Literatur:

  • Kosinski, Alex: In praise of moot court – not!, in: Columbia Law Review (1997), 178-197.
  • Pfeifer, Friederike/Gries-Redeker, Sabine: Exzellente Ausbildung für exzellente Anwältinnen und Anwälte. Reformbedarf in der Juristenausbildung: Anwaltsorientierung, in: AnwBl (2016), 716-718.
  • Ringel, Lewis S., Designing a Moot Court: What to Do, What Not to Do, and Suggestions for How to Do It, in: PS (2004), 459-464.
  • Snape, John/Watt, Gary (2010): How to Moot. A student guide to mooting, Oxford: Oxford University Press.
  • Strecker, Michael B./Euler, William, Moot Court Competitions: Alle Fakten im Überblick, in: Klaus Winkler (Red.) (2018), Beck’scher Studienführer Jura Wintersemester 2018/2019.
  • Wolf, Christian: 10 Jahre Gesetz zur Reform der Juristenausbildung, in: JA (2013), Editorial Ausgabe 1 (ohne Seitenzahl).

Über die AutorInnen:

Tobias Pinkel, LL.M., LL.B., ist zusammen mit Lisa Lüdders seit 2017 für die Koordination des ForstAintegriert-Projekts des Fachbereichs 6 verantwortlich und betreut in diesem Rahmen u.a. die Moot Court-Teams der Universität Bremen. Er ist Lehrbeauftragter für europäisches Privatrecht und Rechtsvergleichung and der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und forscht am Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) in den Bereichen IPR, Rechtsvergleichung und europäisches Privatrecht.

Dr. Lisa Lüdders, Dipl. Psych., B.A. Soz., koordiniert seit April 2017 das ForstAintegriert-Projekt am Fachbereich 6. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Methodik & Evaluation und Lehrende für Statistik im B.Sc. Psychologie des Fachbereichs 11 setzt sie studentische Forschungsprojekte praxisnah innerhalb und außerhalb ihrer Lehre bereits seit mehreren Jahren um.

Prof. Dr. Ingeborg Zerbes ist Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht am Fachbereich für Rechtswissenschaften an der Universität Bremen. Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen im Wirtschaftsstrafrecht, im Europäischen und Internationalen Strafrecht und im Strafprozessrecht. Seit Juni 2017 hat sie das Amt der Studiendekanin inne.

Bildnachweise:

AutorInnenfoto:Tobias Pinkel; Lisa Lüdders; Ingeborg Zerbes

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