Ideen in Aktion: Neugestaltung der Veranstaltung „Innovationsmanagement“

von Martin G. Möhrle und Thomas Haubold

Autorenfoto

Die Bewegungsenergie des Abwassers insbesondere in hohen Gebäuden zu nutzen, um zusätzliche Energie zu gewinnen oder die Motorleistung eines Fahrzeugs adaptiv zu drosseln, um das eigene Kind zum ökologischen und verantwortungsvollen Verkehrsteilnehmer zu erziehen, sind nur zwei von zahlreichen innovativen Ideen, die im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung „Innovationsmanagement“ von ca. 50 Studierendenteams erarbeitet wurden. Ausgehend von zwei Fragestellungen, die 2014 auf der amerikanischen Innovationsplattform Innocentive als „Challenges“ für Forschergruppen in aller Welt veröffentlicht wurden, entwickelten die Studierenden im Rahmen der Veranstaltung zahlreiche Ideen, die sie in mehreren Stufen, beginnend bei einem Ideensteckbrief, ergänzt um Cross-Industrie-Potenziale sowie um marktorientierte Zielgruppen, schließlich bewerten und analysieren mussten.

Die Veranstaltung „Innovationsmanagement“ wurde im Sommersemester 2015 in mehrfacher Weise neu gestaltet. Der Lernstoff wurde vorab in Form von Online-Videos aufgezeichnet und die Zeit der Veranstaltung (90 min) für die Durchführung von Fallstudien genutzt. Im Rahmen der Fallstudien wurde die erste Stufe eines kommerziellen Innovationsprozesses nachgebildet, welchen die Studierenden mit der Bearbeitung ausgewählter Themen praktisch umsetzten. Organisatorisch wurde dies durch die intensive Nutzung verschiedener Module der Lernplattform Stud.IP begleitet, die u. a. die Gruppenbildung, die Diskussion offener Fragen sowie das Heraufladen von Fallstudienlösungen unterstützen. Inhaltlich wurden die Studierenden durch den Einsatz der Dozenten in der Rolle von Moderatoren während der Bearbeitung unterstützt. Die Evaluation der Veranstaltung zeigt einerseits hohe Zufriedenheit der Studierenden bezüglich des neuen praxisnahen Formates, andererseits besteht an einigen Stellen die Möglichkeit der Nachjustierung.

Bild 1: Webpage der Veranstaltung „Innovationsmanagement“. Auf der rechten Seite findet sich die Navigationsleiste, mit der einzelne Kapitel und Episoden angesteuert werden können. Die Reiter (Tabulatoren) über dem Video dienen der Binnennavigation innerhalb einer Episode, die aus drei kurzen Vortragselementen, ebenso vielen kleinen Quizzes sowie einem kurzen Element „Nachgefragt“ besteht.

Bild 1: Webpage der Veranstaltung „Innovationsmanagement“. Auf der rechten Seite findet sich die Navigationsleiste, mit der einzelne Kapitel und Episoden angesteuert werden können. Die Reiter (Tabulatoren) über dem Video dienen der Binnennavigation innerhalb einer Episode, die aus drei kurzen Vortragselementen, ebenso vielen kleinen Quizzes sowie einem kurzen Element „Nachgefragt“ besteht.

Die Veranstaltung „Innovationsmanagement“ ist Teil des Curriculums in den Bachelor-Studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen Produktionstechnik und Elektrotechnik/Informationstechnik sowie in der Wirtschaftsinformatik. Insgesamt nehmen etwa 200 Studierende an der Veranstaltung teil und besuchen diese überwiegend in ihrem vierten Studiensemester. Die Veranstaltung ist so konzipiert, dass einerseits betriebswirtschaftliche Kenntnisse aus den Bereichen Organisation, Marketing und Finanzwirtschaft vorausgesetzt werden und andererseits ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse wie beispielsweise „Konstruktionslehre“ und „Entwurf elektronischer Systeme“ begleitend und komplementär studiert werden können. In den vorherigen Jahren wurde die Veranstaltung als klassische Vorlesung mit Frontallehre angeboten, unterstützt durch die Bereitstellung von Foliensätzen über Stud.IP sowie ein ergänzend zu lesendes Lehrbuch.

Bild 2: Abfolge von fünf Fallstudien, mit denen die erste Stufe eines professionellen Innovationsprozesses abgebildet wird.

Bild 2: Abfolge von fünf Fallstudien, mit denen die erste Stufe eines professionellen Innovationsprozesses abgebildet wird.

Inspiriert durch die Erfahrungen mit der Online-Vorlesung „Projektmanagement“, die bereits seit drei Jahren erfolgreich angeboten wird, wurde die Veranstaltung Innovationsmanagement umgestaltet. Der Umgestaltung lagen insgesamt fünf Prinzipien zugrunde:

  • Den in der Veranstaltung zu vermittelnden Lernstoff wollten wir möglichst vollständig in Form von Online-Videos abbilden, um den Studierenden eine orts- und zeitunabhängige Möglichkeit des Lernens zu eröffnen.
  • Diese Videos wollten wir mit interaktiven Elementen versehen, um die Studierenden bei der Stange zu halten. Gewählt wurden hierfür zum einen kleine Quizzes (Multiple-Choice-Abfragen zu der jeweils letzten Lerneinheit), zum anderen eine Rubrik „Nachgefragt“, bei der eine Studierende Verständnis- und weiterführende Fragen stellt, welche dann anschließend beantwortet werden. Bild 1 zeigt den Aufbau der Webpage, die vom ZMML der Universität Bremen speziell für diese Veranstaltung entwickelt wurde.
  • In der Präsenzzeit wollten wir anstelle der klassischen Vorlesung ein neues Format anbieten. In einer Sequenz von fünf Fallstudien sollte die erste Stufe eines Innovationsprozesses nachgebildet werden, sodass die Studierenden in Ergänzung des Lernstoffes praktische Erfahrungen im Umgang mit Neuerungen sammeln können. Dabei ging es ausgehend von einer ersten Ideensammlung darum, ausgewählte Ideen in Ideensteckbriefen weiter auszuarbeiten, das Potenzial der Übertragung von Lösungen aus anderen Branchen abzuschätzen, die Markteinführung nach den Regeln des strategischen Marketings vorzubereiten und eine abschließende Bewertung vorzunehmen, auf deren Grundlage der Innovationsprozess anschließend weiter beschritten werden könnte. Bild 2 zeigt die entsprechende Abfolge der Fallstudien, Bild 3 eine Impression von der Bearbeitung. Zur Durchführung der Fallstudien wurden die Studierenden in zwei Hauptgruppen eingeteilt, weiterhin erfolgte eine Einteilung in Teams mit bis zu vier Studierenden, sodass die Fallstudien letztlich von ca. 50 Teams bearbeitet wurden.
  • Bei alldem war zu berücksichtigen, dass die Veranstaltung über 200 Studierende umfasste. Um dies mit begrenzten Ressourcen betreuen und administrieren zu können, wollten wir zur Unterstützung vorhandene Module der Lernplattform StudIP einsetzen. Im Besonderen halfen uns das Modul „DoIT“, welches das zeitgebundene Heraufladen und Strukturieren der Ergebnisse der Fallstudien ermöglicht, sowie das Modul „Forum“, das die Diskussion mit den Studierenden und auch deren Diskussion untereinander unterstützt.
  • In Ergänzung der praxisnahen Fallstudien sollte das klassische Studieren nicht zu kurz kommen. So blieb das Studium eines umfangreichen Lehrbuches Teil des Veranstaltungskonzeptes.

Im Laufe des Sommersemesters 2015 wurde die Veranstaltung evaluiert. Es beteiligte sich mehr als ein Viertel der Studierenden daran, viele Studierende kommentierten verschiedene Aspekte der Veranstaltung. Auch wenn als Gesamtnote nur eine „gut minus“ herauskam, stimmen die Ergebnisse hoffnungsvoll. So kritisierten die Studierenden vor allem drei Punkte, nämlich (i) die Verpflichtung, begleitend zu den Online-Videos ein Lehrbuch lesen zu sollen, (ii) den Arbeitsaufwand, den einige als zu hoch empfanden, sowie (iii) die Abstimmung zwischen den Online-Videos und den Fallstudien. Hingegen wurden die Kernpunkte des neuen Konzepts in vielen Fällen gelobt. Einige Originalstimmen: „Vorlesungen als mobile Lecture sind sehr gut“, „Gruppenarbeit bringt einen auch persönlich weiter“, „Durch die Fallstudien endlich mal Praxis im Studium“, „Nachgefragt und die Quizzes: Sehr gut“, „Kein Frontalunterricht!“ und – was uns besonders motiviert – „Weiter so!“ Diese Ergebnisse werden wir für das kommende Angebot der Veranstaltung “Innovationsmanagement“ auswerten und an verschiedenen Stellen umsetzen.

Bild 3: Impression aus der Bearbeitung einer Fallstudie.

Bild 3: Impression aus der Bearbeitung einer Fallstudie.

Als Resümee des ersten Durchlaufes möchten wir vier Punkte herausstellen. Erstens konnten wir mit über 200 Studierenden Fallstudien bearbeiten. Der kreative Output ist beeindruckend! Zweitens erwiesen sich StudIP und die damit verbundenen Module (Forum, Gruppeneinteilung, DoIT etc.) als tragfähige IT-Werkzeuge (von serverbedingten Startschwierigkeiten abgesehen). Drittens ist das Lernen mit Online-Videos selektiv, die Nutzungsintensität nimmt mit zunehmendem Fortschritt der Veranstaltung ab. Wir vermuten als Ursache dafür einen Lerneffekt: ab einer gewissen Referentenkenntnis reicht den Studierenden auch das Durcharbeiten der Folien. Viertens ändert sich für die Veranstalter der Aufwand gegenüber einer herkömmlichen Vorlesung strukturell, aber nicht in der Höhe, von der Vorbereitung und Aufzeichnung der Online-Videos einmal abgesehen.

Insgesamt sehen wir die Veranstaltung „Innovationsmanagement“ als ein Beispiel für medial mehrfach unterstützte Hochschullehre, die ein Massenpublikum erreichen will und die Möglichkeiten der heutigen Zeit nutzt. Sie kann als Beispiel für andere Lehrveranstaltungen gelten, ist aber sicher nicht die universelle Lösung. Auf jeden Fall kann sie – als Element einer vielfältigen Lehrveranstaltungslandschaft, zu der beispielsweise auch diskussionsorientierte Kleingruppenveranstaltungen und klassische Vorlesungen gehören – einen Beitrag für ein attraktiveres Studium leisten.

Das IPMI dankt dem ZMML für das professionelle Aufnehmen der Videos, die Gestaltung der Homepage und die stets hilfreich didaktische Begleitung.

Über die Autoren:

Martin G. Möhrle ist Direktor des Instituts für Projektmanagement und Innovation (IPMI) an der Universität Bremen und leitet hier seit 2001 den Lehrstuhl für Innovation und Kompetenztransfer.

Thomas Haubold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Projektmanagement und Innovation (IPMI) an der Universität Bremen.

 

 

Bildnachweis:

  • Autorenfotos: Martin G. Möhrle (IPMI); Thomas Haubold (IPMI)
  • Abb. 1/2/3: Institut für Projektmanagement und Innovation (IPMI)

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