Im schulischen Alttag spielt Heterogenität nicht nur in Bezug auf die sozialen Strukturen, religiösen Zugehörigkeiten, kulturellen Prägungen usw. eine Rolle. Weitere Aspekte der Heterogenität in Schulen sind die vielen verschiedenen Vorstellungen und Interpretationen der Schüler und Schülerinnen bezüglich der zu behandelnden Themen im Unterricht (doppelte Heterogenität). Jeder hat seine individuellen Überlegungen und Deutungen zu Themenfeldern, die in der Schule behandelt werden, sodass z.B. nicht alle Schüler und Schülerinnen die gleichen Gedanken haben, wenn ein neues Wort/eine neue Definition eingeführt wird. Ebenfalls wird das neu Erlernte je nach Individuum verschieden verstanden und in einen unterschiedlichen Kontext gestellt. Häufiger kommt dies in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern vor, wie zum Beispiel in dem Unterrichtsfach Politik, indem viele unstrukturierte und zum Teil unbekannte Wörter eingeführt werden. Wie heute in der Vorlesung deutlich wurde, hatten fast alle Studenten unterschiedliche Vorstellungen sowie eigene Auffassungen zu dem Wort „Demokratie“. Aus meiner Schulzeit ist mir dies aber auch aus dem Unterrichtsfach Biologie in Erinnerung geblieben, obwohl dort häufiger strukturierte Begriffe verwendet werden. Meine Lehrerin hatte das Thema „Evolution“ mit einer Umfrage gestartet, und wollte wissen, was wir uns überhaupt unter dem Wort vorstellen. Es wurde schnell deutlich, dass jeder etwas anderes mit dem Begriff verband. So hat man selber andere Blickwinkel kennengelernt, wodurch das eigene Verständnis erweitert wurde.
Um auf die individuellen Schülervorstellungen einzugehen, wäre eine methodische Maßnahme, die Schüler und Schülerinnen aufzufordern, dass jeder für sich selbst seine Gedanken, Vorstellungen und Verbindungen zu dem eingeführten Thema, in meinem Beispiel „Evolution“, aufschreibt. So muss keinem Schüler seine Aussage unangenehm sein und jeder setzt sich mit seinen eigenen Auslegungen auseinander. Eine andere Variante ist, eine Sammlung an Vorstellungen gemeinsam zu erarbeiten (als Art „Mind-Map“). So lernen die Schüler und Schülerinnen andere Sichtweisen kennen. Ebenfalls könnten aber auch paarweise Schüler und Schülerinnen eine Konversation führen, sodass eine Diskussion aufkommt und sich noch mehr mit der Thematik auseinander gesetzt wird.
Im Rahmen einer Beobachtungsaufgabe wäre es möglich, zu untersuchen, in wie weit vom Lehrer geschilderte Zusammenhänge und Aufgabenstellungen von den Schülern erfasst und umgesetzt werden können. Hat der Lehrer sich konkret ausdrücken können und unter Berücksichtigung des Wissenstandes der Klasse verständlich formuliert? Ist das vom Lehrer Ausgesprochene klar und verständlich bei den Schülern angekommen? Herrschen im Klassenverband stark ausgeprägte, unterschiedliche Verständnisse bezüglich des vom Lehrer angesprochenen Themas?
Hallo Nora,
ich finde es sehr interessant, was du von deinem Biologieunterricht berichtest. Meiner Meinung nach ist es in der Schule häufig zu kurz gekommen, direkt auf die SuS einzugehen und ihre persönlichen Hintergründe mit in den Unterricht einzubinden. Auf der einen Seite kann ich verstehen, dass es für Lehrkräfte schwieriger ist, ihr persönliches Ziel des Unterrichts zu erreichen, wenn 25 SuS individuellen Input geben, auf der anderen Seite entstehen gerade daraus die interessantesten Diskussionen, aus denen ich stets mehr mitgenommen habe als aus trockenen, vollständig nach Plan verlaufenden Stunden. Somit ist mir mein Französischunterricht der letzten beiden Schuljahre in besonders guter Erinnerung geblieben. Wir waren ein sehr kleiner Kurs und unsere Lehrerin hat uns immer dazu angehalten, nachzudenken und Themen auch persönlich zu kommentieren. Als Einstieg in das Halbjahresthema „Identität und Immigration“ sollten wir bspw. auf einer Karte vermerken, wo wir, unsere Eltern und Großeltern geboren wurden. Dies war zum einen ein guter Aufhänger für ein Gespräch, auf der anderen Seite haben wir uns gegenseitig noch einmal ganz anders wahrnehmen können, nämlich als unterschiedliche Menschen, die alle einen anderen, individuellen Hintergrund haben. Ich fand, dass dadurch ganz gut gezeigt wurde, wie unterschiedlich unsere persönlichen Konzepte dieses schwammigen Begriffs „Identität“ waren.
Deine Beobachtungsaufgaben finde ich einen guten Ansatz für zukünftige Praktika. Außerdem fände ich es interessant, zu beobachten, inwiefern die Motivation der SuS durch das Eingehen auf ihre persönlichen Präkonzepte beeinflusst wird.