Typisch Mädchen! Typisch Jungs!

(1) In meiner Schulzeit habe ich den Schwerpunkt im Bereich Sprachen bis zur 10. Klasse auf Englisch gelegt. Erst ab der 11. Klasse musste ich mich für eine zweite Fremdsprache entscheiden, da das für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife erforderlich war. In den Englischkursen ist mir kein nennenswertes Ungleichgewicht zwischen Mädchen und Jungen aufgefallen, da das Fach schließlich obligatorisch war und nicht abgewählt werden konnte. Im Spanischunterricht ist mir aufgefallen, dass deutlich mehr Mädchen das Fach angewählt haben. Allerdings konnte ich keine großen Leistungsunterschiede zwischen Jungs und Mädchen feststellen. Es gab in beiden Gruppen leistungsstarke und leistungsschwache Mädchen und Jungen. Ähnliches konnte ich in der Volkshochschule Bremen beobachten. Hier hatten überwiegend Frauen das Fach Englisch angewählt, aber die Leistungen der Frauen und Männer wichen nicht sonderlich voneinander ab. Das ist auch der Grund, weshalb das Vorurteil, dass Jungs im Allgemeinen schlechter Sprachen erlernen würden, für mich ganz neu ist.

(2) Ein von Frau Raviró vorgeschlagener motivationstheoretischer Ansatz war das Rubikon Modell. Dies gliedert unsere Handlungsschritte in 4 Phasen:
1. Abwägen, 2. Planen, 3. Handeln und 4. Bewerten

In der Abwägephase geht es um die Intentionsbildung; die Festlegung der Wünsche und Ziele, die in der momentanen Situation Vorrang haben – was will ich?
In der Planungsphase geht es dann darum wie dieses Ziel erreicht werden kann – Wie schaffe ich das?
In der Handlungsphase agiert die Person um die festgelegten Ziele zu erreichen. Je nach Ziel ist dafür eine entsprechende Ausdauer wichtig.
In der Bewertungsphase wird reflektiert, ob die in der Planungsphase festgelegten Handlungsschritte zur Zielerreichung ein Erfolg waren.

Das Rubikon Modell kann das Fremdsprachenlernen fördern, da sich die SuS nach der Festlegung der Zielintention Schritte oder Wege überlegen müssen wie sie dieses Ziel erreichen wollen. Beabsichtigen die SuS im Englischunterricht ihre Leistungen zu verbessern, müssen sie sich im zweiten Schritt überlegen wie das konkret passieren kann. Ansätze wären zum Beispiel: Ich schaue nur noch Englische Filme; schreibe meine Einkaufszettel auf Englisch; notiere mir Vokabeln, die ich in den Nachrichten nicht verstanden habe; höre mir BBC‘s „6 minutes in English“ wöchentlich an und nutze die Chance mit englischsprachigen Schülern oder Lehrern auf Englisch zu sprechen. In der Handlungsphase geht es dann darum das konkret umzusetzen. In Anbetracht dessen, dass das Erlernen einer Fremdsprache nicht über Nacht geschieht, müssen die SuS in der Handlungsphase Ausdauer beweisen und sich stets kontrollieren, ob die in der Planungsphase festgelegten Schritte, die zur Zielerreichung führen sollen, auch umgesetzt werden. Zum Schluss reflektieren die SuS, ob die Ziele über den Zeitraum erreicht werden konnten.

(3.) Bei der Analyse von gendersensiblen Stereotype in Fremdsprachenlehrwerken würde ich folgende Punkte fokussieren:

Bilder: Werden stereotype Geschlechterbilder abgebildet? Wie werden Mädchen dargestellt? Welche Farben haben ihre Kleidungsstücke? Welche Farben haben die Kleidungsstücke der Jungen? Welche Hautfarbe haben die abgebildeten Kinder? Können sich wirklich alle Kinder mit den Bildern identifizieren?
Aufgabenstellungen: Werden geschlechtsspezifische Aufgaben gestellt? Dürfen die Jungen und Mädchen aus zwei verschiedenen geschlechtsspezifischen Aufgaben wählen?
Einführung in ein Thema: Wie werden Themenbereiche vorgestellt? Sind die in den Büchern genannten Beispiele zu den Themen geschlechtsspezifisch? Beispiel Thema Hobbies: Mädchen tanzen gerne und Jungs reparieren gerne technische Geräte

Gemeinsam leben – aber nicht gemeinsam lernen?

Inklusionskritiker sind oft der Meinung, dass eine Aussonderung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine gute Lösung für alle Beteiligten sei. Aber ist das tatsächlich so?

(1) Ein Ausschluss von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf von einer normalen Schulklasse hat zur Folge, dass die SuS nicht von der Vielfalt anderer SuS ohne Beeinträchtigungen lernen können. Auch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf benötigen Vorbilder für die Sprachentwicklung, die motorische Entwicklung, die Lernentwicklung und die emotionale-soziale Entwicklung. Hierbei spielt eben nicht nur die Lehrkraft eine tragende Rolle, sondern auch die anderen SuS. Besteht ein Ungleichgewicht, wie in dem von Prof. Dr. Frank J. Müller genannten Beispiel der Rest-Klasse für Körperbehinderte, wird eben nur das nachgeahmt, was sie dort kennenlernen wie zum Beispiel Verhalten, Gestik, Mimik und  der Sprachgebrauch. Wird also wenig gesprochen, können keine oder nur wenige neue Worte erlernt werden. Folglich hat die Zusammensetzung der Klasse einen Einfluss auf geistige und motorische Entwicklungen.

Nun gibt es jedoch einige Kritiker, die behaupten inklusiver Unterricht benachteilige SuS ohne sonderpädagogischem Förderbedarf. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass inklusiver Unterricht entweder keinen oder sogar positiven Einfluss auf Leistungsergebnisse hat. „Denn von der inklusiven Didaktik profitieren alle. Das Sozialverhalten und das Selbstkonzept werden gestärkt. Hirnforscher Hüther geht sogar so weit, dass er sagt: „Inklusion macht schlau“, da heterogene Gruppen komplexere soziale Situationen und somit vielfältigere Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten bieten.“ (Lisa Reimann, 2014)

(2) Die Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“ ist eher als Oberbegriff zu verstehen und umfasst ein breites Spektrum von sonderpädagogischem Förderbedarf. Welche Unterstützung das Kind konkret benötigt geht nicht daraus hervor. Zum Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung könnte zum Beispiel zählen: Autismus (Umfeld kann nicht gedeutet werden). Zum Förderschwerpunkt Lernen könnten SuS mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, mit Deutsch als Zweitsprache oder einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung zählen. Dies macht deutlich, dass der Oberbegriff des Förderschwerpunktes keine große Hilfe für die Lehrkraft ist und um sich gut auf den Unterricht vorbereiten zu können (z.B. beim Klassenwechsel eines Inklusionskindes), ist eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern wichtig. Sie wissen meist genau, welche Art von Unterstützung ihr Kind benötigt, aber auch ehemalige Lehrkräfte können hilfreiche Informationen geben.

(3) Die richtige innerliche Einstellung der Lehrperson ist meines Erachtens der erste Schritt zu einem guten inklusiven Unterricht. Um der Vielfalt gerecht werden zu können, sollte die Lehrkraft den Unterricht außerdem gut vorbereiten und die Chance mit dem Sonderpädagogen zusammenarbeiten zu können effektiv nutzen. Es gibt leider nicht „das“ Rezept wie nun bestmöglich mit Inklusionskindern umgegangen werden sollte und welche Unterrichtsmethoden sich besonders gut eignen. Nach Prof. Dr. Frank J. Müller sei allerdings Frontalunterricht eher kontraproduktiv – gerade für Inklusionskinder. Gruppenarbeiten sollten dagegen häufiger in den Unterricht integriert werden genauso wie Projektarbeiten und Freiarbeit. Des Weiteren sollten binnendifferenzierte Aufgaben gestellt werden, da die SuS teilweise zieldifferent unterrichtet werden müssen und die curricularen Anforderungen nicht von jede/m Schüler/in erfüllt werden können. Außerdem ist eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern empfehlenswert. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Inklusionskinder, sondern allgemein für alle Kinder.

Quellen:

Lisa Reimann. 2014. inklusiver Unterricht kostet mehr.Inklusionsfakten.de. inklusionsfakten.de/die-nichtbehinderten-kinder-werden-durch-den-gemeinsamen-unterricht-benachteiligt/. Abruf am 31.05.2018

Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie nicht will, sucht Begründungen. (Hubert Hüppe)

Hubert Hüppe trifft mit seinen Worten den Nagel auf den Kopf. Es gibt viele Debatten zu dem Thema und auch die aktuellen Medien heizen diese weiter an. Die einen befürworten Inklusion und die anderen kämpfen gegen sie an – so wie das Gymnasium Horn. Die Schule hat die eigne Senatorin angeklagt, weil sie sich weigert Inklusionskinder mit Beeinträchtigungen der Wahrnehmung und der Entwicklung aufzunehmen und zu beschulen. Dies beweist, dass Bremen als Vorreiter von Inklusion nicht alle handelnden Personen im eigenen Kreis überzeugt hat.

Inklusion ja, aber bitte nicht in Gymnasien?

oder

Inklusion ja, aber bitte nicht für jeden?

Wird sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt, ist das für manche ein Label/ Zertifikat/ Beweis von Behinderung. Ein „Problem“ in der Gesellschaft, das irgendwie gelöst werden muss. Deshalb werden jene SuS auch oft einer Förderschule oder Sonderschule zugewiesen. Dabei sollte sonderpädagogischer Förderbedarf eher als Hilfe verstanden werden, damit die betroffenen SuS Barrieren in ihrem Alltag überwinden können. Partizipation im Unterricht in einem „normalen“ Schulsetting ist durchaus möglich, denn die Kinder bringen ausreichend kognitive Fähigkeiten mit. Wie wir alle haben auch Inklusionskinder Schwächen und Stärken!

Ich denke, dass sich viele nicht in die Situation der Inklusionskinder hineinversetzen können, wenn sie selber nicht betroffen sind oder keine Kinder haben, die sonderpädagogische Förderung bekommen. Vorurteile und Ängste werden geäußert, dass ihr „normales“ Kind unter inklusiven Unterricht leide oder leiden werde. Und überhaupt: Was ist mit den Kosten? Inklusion geht nicht von heute auf morgen! Nicht alle Schulen sind barrierefrei!

Ganz neu für mich wäre an dieser Stelle, dass Förderschulen nichts kosten. Würden Förderschulen geschlossen werden, könnten Kosten auch gespart und an anderer Stelle ausgegeben werden. Außerdem befindet sich Inklusion nicht mehr in ihren „Kinderschuhen“ und das Bildungssystem konnte schon viele Jahre an Erfahrung sammeln (Lisa Reimann, 2014). Des Weiteren zeigt ein Blick auf die Graphik der Bertelsmann Stiftung, dass die Förderschwerpunkte beim Lernen, geistiger Entwicklung, emotionaler und sozialer Entwicklung und Sprache liegen. Das „klassische“ Inklusionskind ist nicht zwangsläufig im Rollstuhl.

Fakt ist, dass auch Gymnasien keine „behindertenfreie“ Zone sind (Lisa Reimann, 2014). Und dass ein Ausschluss der Inklusionskinder die Menschenrechte nach UN-Behindertenrechtskonvention verletzt, ist wohl so manchem nicht klar. Tatsächlich ist dies jedoch Diskriminierung auf hohem Niveau.

 

In meinen Praktika habe ich 1 Inklusionskind im Unterricht beobachten können. Sie hatte Probleme sich über eine ganze Stunde auf den Unterricht zu konzentrieren und brauchte außerdem Unterstützung bei der Organisation des Schulalltags (Schulranzen wieder einpacken, Turnbeutel raussuchen, Brot finden, in die Pause gehen, Hausaufgaben aufschreiben, die richtigen Bücher und Hefte raussuchen). Sie war voll in die Klassengemeinschaft integriert und hatte viele Freunde. Sie schien glücklich und zufrieden und hatte zu ihrer Sonderpädagogin ein gutes Verhältnis. Wenn vielleicht auch nicht repräsentativ, war diese positive Erfahrung des „Whole School Approach“ bzw. der „Schule für alle“ eine motivierende Erfahrung wie mit Vielfalt umgegangen werden kann.

Von anderer Seite (Lehrer einer anderen Schule) habe ich aber auch negative Stimmungen  bezüglich Inklusion wahrgenommen. Es wurde sich darüber beklagt, dass manche Inklusionskinder mit körperlichen Behinderungen nicht in der Lage  seien 45 Minuten durchzustehen, ohne sich auf einer Liege auszuruhen.

Ich selbst bin Inklusion gegenüber sehr aufgeschlossen. Allerdings glaube ich, dass das dreigliedrige System eine Spaltung der Gesellschaft verursacht und Nahrung für eine „Aussortierung“ bietet. Mich wundert es nicht, dass aufgrund der vielen Vorurteile und Ängste, Eltern versuchen Gymnasien für ihre Kinder anzuwählen (dies erklärt auch die Wartelisten, auch in Bremen!), um manchen Personengruppen einschließlich Inklusionskindern ausweichen zu können. Von den scheinbar „homogenen“ Klassen eines Gymnasiums bestärkt, ist es nachvollziehbar, dass die Schulleiterin des Gymnasiums Horn sich auf den Paragrafen 20 des bremischen Schulgesetzes beruft. „Dort heißt es, das Unterrichtsangebot sei ‚auf das Abitur ausgerichtet‘. Die Schüler müssten mindestens zwei Fremdsprachen erlernen“ (Jürgen Theiner, 2018). Darum liegt der Kern des Inklusionproblems vor allem in dem Bildungssystem.

Als Mutter von 3 Kindern habe ich mich bewusst für eine Gesamtschule entschieden. Ich möchte, dass meine Kinder die Vielfalt kennenlernen. Als Studentin im 2. Semester fühle ich mich jedoch noch schlecht auf inklusiven Unterricht vorbereitet, weil bisher nur eine theoretische Vermittlung des Ist-Zustandes erfolgte. Dies gilt im Übrigen auch für Heterogenität im Allgemeinen.

Meine Beobachtungsaufgaben/fragen für zukünftige Praktika sind:

Inwieweit unterscheiden sich die gestellten Aufgaben für die jeweiligen Inklusionskinder von dem Rest der Klasse? (Stichwort zieldifferente Förderung)
Inwieweit können Inklusionskinder den curricularen Anforderungen entsprechen?
Welche inklusiven Herausforderungen begegnen dem Lehrer/in? Inwiefern nutzt der Lehrer die Hilfe des/der Sonderpädagogen/in?
Ist der/die Sonderpädagoge/in nur für das zugewiesene Kind zuständig oder kann die ganze Klasse von ihm oder ihr profitieren?
Wie ist das Verhältnis des Inklusionskindes mit dem Rest der Schülerschaft? Wird es ausgegrenzt?

Quellen:
Lisa Reimann. 20.06.2014. Wir brauchen Inklusionsfakten statt Vorurteile. inklusionsfakten.de/wir-brauchen-inklusionsfakten-statt-vorurteile/. Abruf am 23.05.2018

Jürgen Theiner. 9.4.2018. Bremer Gymnasium verklagt Senatorin. Weser Kurier. weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bremer-gymnasium-verklagt-senatorin-_arid,1718390.html. Abruf am 23.05.2018

Seiteneinstieg

Welche Besonderheiten weist der Erwerbskontext Seiteneinstieg auf und inwieweit orientiert sich die Bremer Konzeption der schulischen und sprachlichen Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler daran?

In den vergangenen Jahren ist der Anteil der neu zugewanderten Kinder ohne nennenswerte Deutschkenntnisse rasant angestiegen. Diese Kinder gehören zu der sogenannten „ersten Generation“ und werden auch Seiteneinsteiger/innen genannt. Unterschiedliche Konzepte seitens der Bundesländer wurden entwickelt, um bestmöglich diesen Teil der Bevölkerung zu beschulen und beim Spracherwerb zu unterstützen und zu fördern. Primäres Ziel der Schulpolitik bezüglich der Seiteneinsteiger/innen ist es diese schnellstmöglich einzugliedern und in den Regelunterricht aufzunehmen. Demzufolge werden Kinder, die in Bremen neu gemeldet werden und im schulpflichtigen Alter sind, auch direkt schulpflichtig. Laut Bremischen Schulgesetz gilt Folgendes: „Schülerinnen und Schüler, die nicht über die für den Schulbesuch erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse verfügen, beginnen ihre Schulzeit mit einem mehrmonatigen Sprachförderkurs, nach dessen erfolgreicher Teilnahme, spätestens mit Beendigung des Kurses, sie in die Jahrgangsstufe überwechseln, der sie bereits zu Beginn zugeordnet wurden“ (Bremisches Schulgesetz, § 36 Absatz 3). Im Detail gibt es drei verschiedene Arten von Kursen: Alphabetisierungskurse: für nicht-literarisierte SuS der Sek 1, abschlussorientierte Klassen: für neu zugewanderte SuS der 9./ 10. Klasse und Vorkurse: für Seiteneinsteiger/innen der Primarstufe und der Sek 1 (5. – 8. Klasse). Bei den Kursen geht es um die Vermittlung von produktiven (A2) und rezeptiven (B2) Deutschkenntnissen. Abhängig vom Entwicklungsfortschritt des einzelnen Schülers oder der Schülerin kann jedoch auch schon vor regulärem Beenden des Sprachförderkurses in die Regelklasse gewechselt werden.

Diskutieren Sie Ihre Praxiserfahrungen mit der Sprachförderung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern vor bzw. nach dem vollständigen Übergang in den Regelunterricht. Gehen Sie dabei insbesondere auf binnendifferenzierende Maßnahmen ein.

Die Leseleistung, das Textverständnis und die Sprachpraxis von Seiteneinsteiger/innen in dem Regelunterricht, nach Vollendung eines vorbereitenden Vorkurses, sind sehr unterschiedlich. Manchen Seiteneinsteiger/innen fällt das Erlernen einer neuen Sprache besonders leicht und andere brauchen für eine ähnliche Kompetenz mehr Zeit. Dies ist nicht verwunderlich, da Seiteneinsteiger/innen unterschiedliche Vorbildungen mitbringen und die Auffassungsgabe sehr variiert. Binnendifferenzierende Maßnahmen spielen deshalb bei der Bewältigung von curricularen Anforderungen eine besondere Rolle, da die Lehrkraft mit unterschiedlichen Lernniveaus konfrontiert ist. Können die Seiteneinsteiger/innen nicht den curricularen Anforderungen entsprechen „ist über eine zieldifferente (untercurriculare) Förderung zu entscheiden. Eine zieldifferente Förderung kann sich auf einzelne Fächer bzw. Lernbereiche beziehen und bedeutet, dass an die Schülerinnen und Schüler in diesen Fächern bzw. Lernbereichen untercurriculare Anforderungen gestellt werden. Ziel der langfristig gestalteten untercurricularen Förderung ist die schrittweise Befähigung zur Bewältigung der curricularen Vorgaben“ (Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt, Seite 4)

Eine diagnostische Kompetenz der Lehrkraft ist bei binnendifferenzierenden Maßnahmen sehr wichtig und beginnt mit der Diagnose, wo die SuS „abgeholt“ werden müssen, was ihre Stärken und Schwächen sind und setzt sich fort mit der Diagnose und Beobachtung wie sich der Lernerfolg entwickelt. Das impliziert jedoch, dass der „klassische“ gemeinsame Unterricht vermieden werden sollte. Tatsächlich kann jedoch ein „gemeinsames Starten“ zu Beginn sehr angenehm für die Gruppe als auch für die Lehrkraft sein. Gruppenzugehörigkeit kann dadurch gestärkt werden und eine schnelle Diagnose der verschiedenen Lerntypen, innerhalb der Klasse, wird der Lehrkraft ermöglicht. Gerade wenn Seiteneinsteiger/innen, die zuvor zeitweise in Sprachkursen homogenisiert wurden um die Sprache gemeinsam zu erlernen, in der Regelklasse zusammenfinden, sollte die Möglichkeit gegeben werden an die Klassengemeinschaft anzuschließen. Auffällig ist jedoch, dass Seiteneinsteiger/innen, nachdem sie die Regelklasse ein Jahr besucht haben, zumindest nicht in dem relativ kurzen Zeitraum an die Regelschüler anschließen konnten. Dafür benötigen sie schlichtweg mehr Zeit.

Suchen Sie eine Unterrichtsaufgabe (das Fach können Sie frei auswählen), die als Ersatz- bzw. Erweiterungsaufgabe besonders für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler im Regelunterricht entwickelt wurde. Vergleichen Sie diese Aufgabe mit der „regulären“, also der, die für andere Schülerinnen und Schüler eingesetzt wird. Welche Unterschiede finden Sie? Was halten Sie für hilfreich, was für problematisch?

Beispiel Englischunterricht (Aufgabe nach Dr. Karin Vogt)

SuS hören gemeinsam einen englischen Sprechtext zum Thema Hobbies.
Aufgabe der SuS eines hohen Leistungsniveaus ist dann den Sprechdialog in eigenen Worten widerzugeben und in einen Comic mit leeren Sprechblasen einzufügen. Ggf. soll außerdem die Reihenfolge der Bilder selbst bestimmt werden. Anschließend sollen die SuS dann einen eigenen Text zu ihren Freizeitaktivitäten schreiben. Welche Freizeitaktivitäten gefallen ihnen besonders und warum?

SuS eines niedrigeren Leistungsniveaus bekommen zusätzlich den Sprechtext zum Nachlesen auf dem Arbeitsblatt, damit sie in ihrem Tempo den Text noch einmal nachlesen und ggf. Vokabeln nachschlagen können. Denkbar wäre auch, dass die Lehrkraft einige Vokabeln auf dem Arbeitsblatt erläutert hat. Die Aufgabe der SuS wäre ebenfalls den Dialog in eigenen Worten zu ergänzen und im Anschluss über ihre Hobbies etwas zu schreiben. Unterstützend könnten hierbei Formulierungshilfen sein wie passende Satzanfänge, die auf dem Arbeitsblatt mitangegeben werden.

Ich finde es sehr sinnvoll, wenn binnendifferenzierter Unterricht einen gemeinsamen Gegenstand hat und nur der Schwierigkeitsgrad den Fähigkeiten des Schülers oder der Schülerin angepasst wird. Die SuS bekommen die Möglichkeit an einem gemeinsamen Thema zu arbeiten, wobei sich SuS der verschiedenen Leistungsniveaus weder unterfordert noch überfordert fühlen. SuS hoher Leistungsniveaus benötigen ein besonders gutes Hörverstehen, um die Aufgabe erfolgreich zu lösen und sollen mit der zweiten anspruchsvollen Aufgabe eigene Texte produzieren. SuS niedriger Leistungsniveaus bekommen die Möglichkeit Hörverständnis zu üben und ggf. den Dialog nachzulesen. Mit der Erläuterung von Vokabeln in Deutsch können einzelne Wörter dekodiert werden. Angegebene Satzanfänge erleichtern eine eigene Textproduktion. Fraglich ist, ob im Englischunterricht die deutschen Vokabeln überhaupt den Seiteneinsteigern weiterhelfen. Vielleicht verstehen sie sowohl die englische als auch die deutsche Bedeutung nicht. Vorteil im Englischunterricht könnte jedoch sein, dass Seiteneinsteiger/innen bereits im Fach Englisch unterrichtet wurden. Allerdings wäre auch vorstellbar, dass sie überhaupt keine Englischkenntnisse aufweisen. Das würde den Unterricht sehr erschweren, da eine Basis fehlt auf die die Lehrkraft bauen könnte.

Quellen

§ 36 Abs. 4 Bremisches Schulgesetz (Senatorin für Kinder und Bildung 2016)

Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Lernen an allgemeinbildenden Schulen. Herausgeber: Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt. Seite 4. www.bildung-lsa.de/files/14ad515369180f2de82b2fe754e31f64/sonderpaedagog_foederbedarf.pdf. Abruf am 09.05.2018

Dr. Karin Vogt. Englischunterricht in heterogenen Lerngruppen. TEA The English Academy. www.the-english-academy.de/heterogen-inklusiv/. Abruf am 09.05.2018

Sprache – ein wichtiger Schlüssel für Bildungserfolg

Versuchen Sie Maßnahmen, Projekte oder Initiativen, die sie im schulischen Umfeld zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität kennen gelernt haben (in Praktika, Arbeit, eigener Schulzeit o.ä.) zu charakterisieren, entsprechend dem theoretischen Vergleichsmodel aus der Vorlesung (Ausländerpädagogik/Interkulturelle Bildung/Antirassistische Pädagogik/Diversity Education). Begründen Sie die Einordnung und bewerten Sie die jeweilige Wirkung.

„Sprache ist ein Verkehrsmittel; so wie die Eisenbahn die Güter von Leipzig nach Dresden fährt, so transportiert die Sprache die Gedanken von einem Kopf zum anderen.”
Wilhelm Oswald (1853-1932), dt. Chemiker, Physiker u. Philosoph

Sprache ermöglicht es dem Menschen Gedanken und Gefühle auszudrücken. Deshalb ist Sprache auch das wichtigste Medium der Kommunikation. Voraussetzung ist, dass die Gesprächsteilnehmer/innen die gesprochene Sprache verstehen. Außerdem ist „Sprache [..] ein wichtiger Schlüssel für Bildungserfolg und Partizipation. Das Fundament dafür wird bereits in der frühen Kindheit gelegt.“ 1
Doch, was wenn die frühe Kindheit gar nicht in Deutschland verbracht werden konnte? Was, wenn Kinder aus Kriegsgebieten geflohen sind, ihre Heimat hinter sich gelassen haben und eine neue friedvolle Heimat in Deutschland finden?
Nach den Wellen der Zuwanderung der vergangen Jahre und dem Zuzug von vielen Menschen mit Flüchtlingshintergrund seit 2015, haben sich verschiedene Herangehensweisen herausgebildet wie Zuwanderern bestmöglich, zum Beispiel beim Spracherwerb, geholfen werden kann.

1. Ausländerpädagogik
Das Sprachdefizit soll in einer homogenen Gruppe von Ausländern behoben werden. Innerhalb von Extrakursen werden die Schüler/innen gefördert. Ein Konzept, das vor allem in den 70ern und 80ern umgesetzt wurde und eine Möglichkeit wie mit dem Migrationsprozess umgegangen werden kann.
2. Interkulturelle Pädagogik
Der Erwerb der Sprache soll innerhalb der Klassengemeinschaft erfolgen. Ziel ist die Heterogenität anzuerkennen und einen Lernprozess bezüglich des Kulturverständnisses aller auszulösen. Alle Kulturen in der Klasse sollen nebeneinander und vor allem gleichberechtigt bestehen.
3. Antirassistische Pädagogik                                                                                     Eine Pädagogik, die vor allem Schule, Schulsystem und Gesellschaft adressiert und Diskriminierung systematisch abbauen soll. Ziel der Herangehensweise ist eine „gerechte“ Gesellschaft. Dazu zählt auch das Projekt „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage“. „Es bietet Kindern, Jugendlichen und Pädagog*innen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. Jede Schule kann den Titel erwerben, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt: Mindestens 70 Prozent aller Menschen, die in einer Schule lernen und arbeiten (Schüler*innen, Lehrer*innen und technisches Personal) verpflichten sich mit ihrer Unterschrift, sich künftig gegen jede Form von Diskriminierung an ihrer Schule aktiv einzusetzen, bei Konflikten einzugreifen und regelmäßig Projekttage zum Thema durchzuführen.“ 2
Hierbei handelt es sich nicht um eine Auszeichnung, sondern vielmehr um eine Selbstverpflichtung.
4. Seit den 2000ern gibt es das Konzept der „Diversity Education“, da vermehrt Leitkulturdebatten aufkamen. Hierbei geht es darum nicht nur die Herkunft zu fokussieren, sondern den Menschen als Ganzes zu betrachten und neben der Herkunft auch Gender, Religion, Beeinträchtigungen und soziale Lage zu berücksichtigen. Es soll Beziehungsarbeit mit jedem einzelnen/einzelner ausländischem/r Schüler/in stattfinden und versucht werden er oder sie bestmöglich zu fördern. Neben Ergänzungsunterricht im Fach Deutsch wird auch versucht die Zusammenarbeit mit den ausländischen Eltern zu verbessern.

Niedersachsen und Bremen regeln den Migrationsprozess wie folgt:

Niedersachsen:
„Wer als Kind oder Jugendlicher im schulpflichtigen Alter nach Niedersachsen kommt und wenig oder gar kein Deutsch spricht, braucht zunächst gezielte Unterstützung in der Schule. Es gilt, möglichst schnell gut Deutsch zu lernen und dann auch im Unterricht so bald wie möglich Anschluss zu finden. Die Schule ist gefordert, diese neu Zugewanderten aufzunehmen, und sie erhält dafür zusätzliche Mittel in Gestalt von Lehrerstunden.“ 3
Bremen:
„Sie meldet außerdem alle Kinder mit Sprachlernbedarf bei der Senatorin für Kinder und Bildung an. Hier erhalten sie einen Platz in den Vorkursen, in denen bis zu 6 Monate in der Grundschule und bis zu 12 Monaten in der Sekundarstufe I lang intensiv Deutsch gelernt werden kann. Gleichzeitig nehmen die Schülerinnen und Schüler stundenweise am regulären Schulbesuch teil.“ 4

Während die Formulierung des Niedersächsischen Kultusministeriums eher „schwammig“ formuliert wurde und konkret den Umgang mit ausländischen Kindern in Niedersachsen nicht erläutert, erfährt man zumindest vom Bundesland Bremen, dass Kindern, denen die sprachliche Bildung in Deutsch fehlt, in einem zeitlich befristeten Zeitraum einen Deutschkurs besuchen müssen, der ausschließlich für die Personengruppe vorgesehen ist. Gleichzeitig sollen die neuen Schüler/innen am normalen Unterricht teilnehmen und Anschluss an die Klassengemeinschaft finden.

Da meine Schulzeit bereits einige Jahre hinter mir liegt und ehemalige Klassenkameraden fließend deutsch sprechen konnten und ich an den von mir, während meiner Praktika besuchten Schulen keine persönliche Erfahrung sammeln konnte, habe ich eine Lehrerin in Niedersachsen befragt wie konkret die ausländischen Schüler/innen beschult werden. Sie selbst unterrichtet eine reine Sprachklasse. Eine interkulturelle Pädagogik ist erst vorgesehen, wenn die Schüler/innen ein bestimmtes sprachliches Level erreicht haben. Erst dann dürfen die Schüler/innen die Klasse wechseln.

Ich kann nur mutmaßen, ob der von Bremen und Niedersachsen eingeschlagene Weg der Beschulung der bestmögliche ist. Für mich stellt sich die Frage, ob sich die ausländischen Kinder ausgeschlossen fühlen, wenn sie „homogenisiert“ werden und ob sie schneller und besser Deutsch lernen würden, wenn sie mit den anderen deutschsprachigen Schülern am Unterricht teilnehmen.

Fakt ist jedoch, dass ausländische Schüler/innen das sprachliche Defizit schnellstmöglich aufholen müssen, denn Sprache ist der Schlüssel zu Bildungserfolg und das kann meines Erachtens nicht ausschließlich im normalen Unterricht stattfinden, da die Schüler/innen einen ganz anderen Ausgangspunkt als Muttersprachler/innen haben. Wieviel kann ein Kind tatsächlich aus dem Erdkundeunterricht verstehen, wenn es noch nicht einmal die Sprache lesen oder gar verstehen kann? Wer erklärt die Grammatik? Wer geht auf ihre Bedürfnisse oder Fragen genauer ein, ohne dass der Rest der Klasse „benachteiligt“ wird?

Die aktuelle angebliche Herangehensweise der „Diversity Education“ zeigt meines Erachtens, dass die Theorie stark von der Umsetzung abweicht. Die aktuelle Schulpolitik ist für mich nur eine Kombination aus Ausländerpädagogik und Interkultureller Pädagogik. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schüler/innen konnte ich schon während meiner Schulzeit nicht feststellen, deshalb bezweifle ich, dass es bei ausländischen Schülern und deren Eltern mehr Bemühungen gibt, da es zwischen Lehrern und den ausländischen Eltern sicherlich zusätzlich sprachliche Probleme gibt. Die Eltern der ausländischen Kinder sind oft nicht der deutschen Sprache mächtig, brauchen zum Erlernen der Sprache länger und verständigen sich zuhause untereinander in den meisten Fällen weiterhin in ihrer Muttersprache.

Glücklicherweise handelt es sich bei dem sprachlichen Defizit der Schüler/innen nur um ein befristetes, da Kinder innerhalb kürzester Zeit bei richtiger Förderung die deutsche Sprache erlernen können.

Welche Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika könnte man aus dieser durch Theorie geleiteten Reflexion ableiten?

Beobachte die Erfolge des Spracherwerbs von Flüchtlingskindern. Wie sinnvoll ist der Förderunterricht? Interessant wäre eine Befragung der Kinder. Fühlen sie sich ausgeschlossen? Würden sie lieber ausschließlich im Regelunterricht beschult werden? Wie gut können Flüchtlingskinder am Regelunterricht teilnehmen?

Sehen Sie durch die Reflexion dieser Maßnahmen und Projekte Ansatzpunkte für mögliche Programme zur grundsätzliche Weiterentwicklung von Schule und/oder Unterricht?

Ich glaube, dass Konzepte wie „Diversity Education“ sehr sinnvoll sind, allerdings bezweifle ich, dass diese umsetzbar sind und Theorie und Praxis stark voneinander abweichen. Vor allem eine Zusammenarbeit mit den Eltern, finde ich, mal ganz unabhängig davon, ob die Schüler deutsch sprechen können oder nicht, immer sehr sinnvoll. Lehrer und Eltern sollten sich als Erziehungsgemeinschaft sehen, denn Erziehung findet sowohl zuhause als auch in der Schule statt. Ein Austausch beider Parteien kann in einer Phase in der Erziehung schwierig ist, sehr sinnvoll sein.

Quellenangabe:

1 Stiftung Mercator, Bildung braucht Sprache. Gleiche Chancen für alle Kinder – von Anfang an, Internetseite, URL: https://www.stiftung-mercator.de/de/projekt/bildung-braucht-sprache/, Abruf am 11.04.2018

2 Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage, 10 Fragen – 10 Antworten zum Projekt, Internetseite, URL: https://www.schule-ohne-rassismus.org/wer-wir-sind/10-fragen-10-antworten/, Abruf am 11.4.2018

3 Niedersächsisches Kultusministerium, Beschulung von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Internetseite, URL: https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/foerderung_von_fluechtlingskindern_niedersaechsischen_schulen/foerderung-von-fluechtlingskindern-136434.html, Abruf am 11.4.2018

4 Freie Hansestadt Bremen, Die Senatorin für Kinder und Bildung, Internetseite, URL: https://www.bildung.bremen.de/sixcms/detail.php?id=117138, Abruf am 11.4.2018

Vielfalt ist Realität!

1. Bennen Sie ausgewählte, für Sie zentrale Aspekte des in der Vorlesung aufgemachten Spannungsfeldes von Heterogenität und Homogenität im schulischen Feld. Beziehen Sie sich dabei auf die theoretischen Kernaussagen der Vorlesung und begründen Sie deren Auswahl.

Eine Vorlesung in der Universität Bremen. Studenten sitzen nebeneinander und hören den Worten des Dozenten interessiert zu. Niemand der anwesenden Studenten würde behaupten, dass der zu seiner linken und rechten Seite sitzende Student so wäre wie er selbst. Heterogenität ist allgegenwärtig, denn jeder Mensch ist einzigartig. Wir unterscheiden uns in vielerlei Hinsicht: nationale Herkunft, Alter, Geschlecht, Muttersprache, Erziehung, sozioökonomischer Hintergrund, Interessen, Religionszugehörigkeit, Stärken und Schwächen um nur einige wenige Punkte zu nennen. Auch die Lernmethoden und Präkonzepte eines jeden Studenten sind individuell. Trotzdem erleben wir es oft, dass in dem von uns angestrebten Beruf des Lehrers/ der Lehrerin nicht individuell auf die Schüler eingegangen wird. Es wird vielmehr versucht die Gruppe zu homogenisieren um das primäre Ziel „Wissensvermittlung“ zu erfüllen. Dabei müsste der Lehrer oder die Lehrerin auf jeden Schüler unterschiedlich eingehen. Denn jeder lernt anders, findet einen anderen Zugang zu dem Wissen, wird auf verschiedenste Art angeregt und motiviert. Das macht den Lehrerberuf nicht einfach, aber interessant in jedem Fall. Eine Auseinandersetzung mit Heterogenität und des sich „Bewusstwerdens“ ist somit der erste Schritt zum „guten“ Unterricht.

Die Politik in Bremen hat sich dazu entschlossen, mit Heterogenität nicht mehr selektiv umzugehen. So wurde das bremische Schulsystem 2010 in ein zweigliedriges umgewandelt. Es gibt nun neben Grundschulen nur noch Oberschulen, in denen Sonderschulen, Haupt- und Realschule und Gymnasium für die ersten 10 Jahre zusammengelegt wurden. Die Entscheidung ist hochpolitisch, denn dadurch wird versucht den „sozioökonomischen Hintergrund der Eltern“ als wesentlichen Einflussfaktor für Leistungserfolg zu eliminieren. Alle Schüler/innen sollen in unserer meritokratischen Leistungsgesellschaft die gleichen Chancen erhalten. Nicht die soziale Herkunft soll darüber entscheiden, was wir „verdienen“, sondern allein die Leistung. In diesem gesteigerten heterogenen Lernumfeld dürfen die Schüler/innen voneinander profitieren – die Schwachen von den Starken und auch andersrum. Dies machte es auch erforderlich, angehende Lehrer/innen besser auf diese Herausforderung vorzubereiten. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung nachhaltig erfolgreich sein wird.

2. Benennen und diskutieren Sie Beispiele für die von Ihnen unter 1 benannten Aspekte und nehmen sie dabei explizit Bezug zu Ihren bisherigen Praktika oder Ihrer eigenen Schulzeit.

In zwei kürzlich absolvierten Praktika im Land Niedersachsen, in den Fächern Kunst und Englisch, konnte ich erleben, wie unterschiedlich mit Heterogenität an einer Waldorfschule und an einem öffentlichen Gymnasium umgegangen wird. Aufgefallen ist, dass Schüler/innen der Waldorfschule heterogener waren als die Schüler/innen des Gymnasiums, denn dort wurden bereits die Klassen bezüglich des Leistungsniveaus etwas homogenisiert. Diese Homogenisierung führt aber meines Erachtens dazu, dass den Schülern fortan einheitliche Aufgaben gestellt werden. Wer nicht mithalten kann, bekommt einfach eine schlechte Note.
Außerdem fiel auf, dass bei beiden Schulen bereits eine „Auslese“ des sozialen Milieus stattgefunden hatte. Kaum bis keine Kinder hatten einen Migrationshintergrund. Die Muttersprache aller Schüler/innen, der von mir besuchten Klassen, war Deutsch. Diese „soziale Auslese“ des öffentlichen Gymnasiums erfolgte primär durch Leistungsergebnisse der 4. Klasse (Grundschule) und ambitionierter Eltern, die sich eine schulische Ausbildung ihres Kindes ausschließlich am Gymnasium wünschten und oft entgegen der schulischen Empfehlung des Grundschullehrers oder der Grundschullehrerin handelten. Bei der Waldorfschule wurde durch die Erhebung des Schulgeldes, das sich nur besserverdienende Eltern leisten konnten, „aussortiert“. Sie waren nicht weniger ambitioniert als die Eltern der Schüler/innen, die das Gymnasium besucht haben – im Gegenteil. Neben der Unterstützung bei den Hausaufgaben, engagierten sie sich zusätzlich bei der Elternarbeit. Bei beiden Elterngruppen fiel auf, dass der Faktor Zeit für die schulische Ausbildung der Kinder vorhanden war. Zeit, die oftmals nur deshalb vorhanden ist, da nicht beide Elternteile Vollzeit beschäftigt sind, weil sie es sich leisten können.
Das beweist, dass der Erfolg eines Schülers und einer Schülerin noch heute vom Bildungsgrad der Eltern und der verfügbaren finanziellen Mittel abhängig ist. Aber ist das letztlich das, was der Schüler oder die Schülerin eines einkommensschwachen Haushalts verdient? Wohl eher nicht.
In beiden Schulformen waren die Kinder innerhalb der Klasse selbstverständlich heterogen. Die Chancen dieses Tatbestandes wurden aber von den Lehrern unterschiedlich genutzt. Während das Prinzip „schwache Schüler und starke Schüler profitieren voneinander“ in der Waldorfschule gelebt wurde, habe ich es an dem öffentlichen Gymnasium vermisst. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass Waldorflehrer/innen ihre Aufgaben und auch die Vorbereitung der Stunde besser auf die unterschiedlichen Lerntypen angepasst hatten.

3. Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität:

Beobachte die einzelnen Schüler und Schülerinnen in der Klasse und versuche herauszufinden, worin sie sich unterscheiden und wie der Lehrer oder die Lehrerin diesem Spannungsfeld begegnet und wie damit umgegangen wird.
• Welche Stärken und Schwächen haben die Schüler/innen? Ist die Aufgabenstellung in der Klasse immer gleich?
• Welche/r der Schüler/innen fällt auf und welche Schüler/innen nimmst du nicht wahr und warum ist das so? Wie wird darauf eingegangen?

4. Bennen Sie Ihnen bekannte Ansätze/Maßnahmen für Unterrichts- und/oder Schulentwicklung (z. B. bezogen auf Unterrichtsorganisation oder Schulformen,) die systematisch das Spannungsfeld von Heterogenität und Homogenität berücksichtigen und diskutieren Sie Herausforderungen bei deren Umsetzung.

Waldorfschule (Schwerpunkt Englisch): Schüler/innen hatten unterschiedliche Vorkenntnisse im Fach Englisch. Der Lehrer bot unterschiedliche Lernmethoden an wie:
• das gemeinsame Singen in der Gruppe
• aktiver Austausch in der Gruppe mit Fragestellungen wie (What’s vour favourite dish, fruit or vegetable? And why?). Der Lehrer fungierte hier eher als Moderator, so dass in der Stunde die Schüler einen relativ hohen Redeanteil hatten.
• schriftliche (von ihm vorbereitete) Aufgaben, die dem aktuellen Kenntnisstand angepasst waren und gemeinsame mündliche Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgeraden (z. B. Bennung von Zahlen von 0 bis 1000). So konnte sich jeder Schüler und jede Schülerin eine Zahl aussuchen, sich mündlich einbringen und ein positives Erlebnis „mitnehmen“.
• Sammlung von unbekannten Vokabeln an der Tafel.
Mir hat die Rolle des Lehrers/ der Lehrerin als Moderator/in sehr gut gefallen. Das Klima in der Klasse war immer sehr angenehm. Die Schüler/innen schienen sehr motiviert und lernfreudig. Der Lehrer bot mit dem abwechslungsreichen Angebot lernintensive und auch entspannte Phasen an. Erfreulich war, dass verschiedene Sinne, der Kinder angesprochen wurden. Sinne wie Hören und Sehen wurden gleichermaßen angesprochen und durch eigenes Tun und der Anwendung des Erlernten (verbal und in Textform) konnten Lernergebnisse optimiert werden. Eine gründliche Vorbereitung auf den Unterricht war zwingend erforderlich. Damit Schüler aber auch systematisch zu Hause lernen können, müssen sie erst einmal sich darüber im Klaren werden, welche Lernwege für sie die besten sind. Schüler brauchen Tipps und Beispiele. Die Waldorfschule bot deshalb allen Schülern der 6. Klasse einen Test an, in dem herausgefunden werden sollte, welcher Lerntyp welches Kind ist. Dieses Angebot finde ich sehr sinnvoll, denn zu wissen, was LERNEN bedeutet war mir als Schülerin nicht von Anfang an klar.

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