Mehrsprachigkeit und Deutschunterricht

In der 5. Ringvorlesung, gehalten von Prof. Nicole Marx und Christian Gill, ging es um Mehrsprachigkeit und Deutschunterricht.

Dabei führte Christian Gill den Begriff der Seiteneinsteiger ein. Christian Gill verglich die Situation der Seiteneinsteiger sehr passend mit dem Aufspringen auf einen fahrenden Zug, was gleichzeitig einem Hürdenlauf gleichkommt.

Unter dem Begriff Seiteneinsteiger versteht man neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ohne, bzw. mit geringen Deutschkenntnissen. Außerdem haben Seiteneinsteiger ihre Schullaufbahn nicht im deutschen Schulsystem begonnen und sind im Alter von sechs Jahren, oder älter, nach Deutschland eingereist. Jedes Kind, welches in Bremen gemeldet ist, ist automatisch schulpflichtig. In Bremen wird in Form des teilintegrativen Modells versucht, die SuS in den Regelunterricht einzugliedern. In diesem Modell werden zunächst Vorklassen eingerichtet, in denen die SuS alphabetisiert werden, sofern sie noch nicht alphabetisiert sind.  Geplant ist es, dass die SuS nach einem Jahr in der Vorklasse in den Regelunterricht eingegliedert werden. Teilweise wird die Eingliederung in die Regelklasse Stück für Stück vorgenommen, so werden die Seiteneinsteiger z.B. in Fächern wie Sport oder Kunst, in denen es nicht so sehr auf Sprachkenntnisse ankommt, eher in der Regelklasse unterrichtet. Leider bringt dieses System auch Probleme mit sich. So sind die LehrerInnen z.B. nur zum Teil ausgebildet, Deutsch als Fremdsprache zu lehren. Außerdem herrscht auch unter den Seiteneinsteigern eine hohe Heterogenität. Darüberhinaus benötigen die Seiteneinsteiger oft mehr Zeit zum Aufschließen, als zuvor von der Bildungspolitik veranschlagt.

Da ich selbst über keinerlei Praxiserfahrung mit Seiteneinsteigern und ihrer Eingliederung verfüge, habe ich mich heute mit meiner Kollegin unterhalten, die vor 2,5 Jahren mit ihrer Tochter aus Polen nach Deutschland kam. Ihre Tochter war damals acht Jahre alt und besuchte zuvor in Polen eine Schule.

Als sie nach Deutschland kam, wurde sie zunächst auch in einer Vorklasse unterrichtet und lernte dort die deutsche Sprache kennen. Die SuS der Vorklasse waren sehr heterogen, dennoch bekamen alle SuS die gleichen Aufgaben und es erfolgte keine Binnendifferenzierung. Außerdem sprachen die SuS viele verschiedene Sprachen, was die Kommunikation untereinander sehr erschwerte und dazu führte, dass sich ihre Tochter nicht wohl fühte. Nach einem Jahr kam sie in eine Regelklasse und laut meiner Kollegin war es ihrer Tochter erst unter deutsch sprechenden SuS war es ihr möglich, die Sprache richtig zu erlernen und anzuwenden. Heute kommt sie gut im Unterricht mit und gehörten zu den leistungsstärkeren SuS, auch wenn sie zu Hause nach wie vor lieber Polnisch spricht.

Ich habe mich mit einer Lehrerin, die an einer Huchtinger Grundschule  unterrichtet, über ihre Erfahrungen im Regelunterricht mit zugewanderten SuS unterhalten. Zunächst einmal hat sie betont, dass sie das teilintegrative Modell mit den Vorklassen gut findet, da die SuS ohne Deutschkenntnisse in einer Regelklasse überfordert wären und es in überfüllten Klassen keine Möglichkeit besteht, die SuS individuell zu fördern und leider auch kein Material vorhanden ist, welches selbstständig hergeleitet werden kann. Allerdings bemängelt auch sie, dass in den Vorklassen zu wenig Plätze vorhanden sind und es darüberhinaus auch nicht an jeder Schule solche Angebote gibt, sodass es vorkommen kann, dass die SuS zwischen zwei Schulen pendeln müssen.

Jedes Jahr werden ca. 3-4 Schüler aus den Vorklassen in den Regelunterricht eingegliedert, wobei sie vier Stunden den Vorkurs besuchen und dann in der fünften Stunde in der Regelklasse sind, das ganze über eine Dauer von sechs Monaten. Die Fortschritte sind von Kind zu Kind unterschiedlich, einige können danach problemlos am Regelunterricht teilnehmen, andere wiederholen ein Jahr oder werden in einer unteren Jahrgangsstufe eingegliedert, was bei einem Jahrgangsübergreifenden Unterricht einfacher möglich ist. Außerdem sind die Fortschritte auch stark davon abhängig, ob die Schüler schon vorher alphabetisiert waren.

Die Erfahrungen der Lehrerin aus Huchting und auch die Entwicklung der Tochter meiner Arbeitskollegin zeigen also, dass die Lernerfolge der SuS aus den Vorklassen völlig unterschiedlich sein können. So können einige dem Unterricht mühelos folgen und gehören zu den „besseren“ Schülern, während andere sich sehr schwer tun und den Anschluss verpassen.

Ein Gedanke zu „Mehrsprachigkeit und Deutschunterricht“

  1. Hallo Lilja,
    du hast einen sehr schönen Einstieg in deinen Beitrag gewählt, indem du den Vergleich von Christian Grill noch einmal aufgegriffen hast. Zudem finde ich deine Nachvorschungen hoch interessant. Auch ich hatte eine Seiteneinsteigerin in meiner Klasse. Sie hatte nach dem absolvierten Vorkurs nur in den Fächern Deutsch, Politik und Geschichte Probleme, da ihre sprachlichen Fähigkeiten hierfür nicht ausreichten. In den Naturwissenschaften war sie uns in der Thematik meist sogar etwas voraus. Sie selbst berichtete uns im Nachhinein, wie viel ihr es geholfen hat mit uns den Regelunterricht zu besuchen.
    Letztendlich stimme ich dir voll und ganz zu, das jeder Schüler den Vorkurs mit einem unterschiedlichen Niveau verlässt und dieses dafür Verantwortlich ist wie gut sie sich in die Regelklassen eingliedern können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert