Ich selbst habe in meiner Schulzeit nie wirklich Probleme mit soziokultureller Heterogenität miterlebt. An den Schulen, die ich besuchte, war der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund zwar recht gering, aber man hat uns von Anfang an einen respektvollen Umgang miteinander gelehrt, ohne speziell auf die Herkunft verschiedener Schülerinnen und Schüler einzugehen, sodass es uns egal war, woher ein Mensch kam oder an was er glaubte, da wir ihn so respektierten, wie er war.
Meines Erachtens entspricht es einem Wunschdenken, wenn man irgendwoher ein anständig klingendes Modell zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität nimmt und dieses dann der Gruppe vorhält, wenn es zu Konflikten kommt. Dieses Vorgehen wirkt sehr gekünstelt und dürfte alles andere als zielführend wirken.
Bisher kommt es mir in der Vorlesung so vor, als bestünde der professionelle Umgang mit Heterogenität im ständigen Aufzeigen dieser und ich hoffe, dass das nicht der Weg ist, den man uns wirklich vermitteln möchte. Der wirklich respektvolle Umgang entsteht doch erst, wenn man sieht „da braucht jemand Hilfe, dann unterstütze ich ihn“ und nicht, wenn man denkt „oh, da hat jemand eine Beeinträchtigung, deswegen muss ich ihm helfen, weil das gut ist“.
Nach meinem Abitur habe ich noch vor meiner Entscheidung für das Studium ein Jahr lang in einem Metallbaubetrieb gearbeitet. Menschen unterschiedlichster Herkunft arbeiten dort gemeinsam und pflegen einen respekt-, aber auch humorvollen Umgang miteinander, Stichwort „Darf er das?“. Mitarbeiter, die die deutsche Sprache weniger gut beherrschen, verständigen sich mit einzelnen Worten, kurzen Sätzen sowie Händen und Füßen, was auf beiden Seiten des Öfteren zu Lachern führt, ohne dass sich jemand beleidigt fühlt.
Ich halte es für nicht ganz richtig, wenn man im Umgang mit verschiedensten Menschen zu sehr in Strukturen denkt, die „wissenschaftlich erwiesen“ wurden. Ein Mensch ist kein Programm, das man durch explizites Aufzeigen und Vortragen einer bestimmten Moral in seiner Meinung oder seinem Handeln umstimmt, dafür ist ein ausführlicher, andauernder Dialog nötig. Daher halte ich es für wichtig, dass man insgesamt Respekt vor Anderen lehrt, ohne dabei ständig gesondert auf verschiedene Herkünfte oder Beeinträchtigungen einzugehen, eben damit im Denken nicht der Zwang entsteht „der oder die ist beeinträchtigt, ich muss helfen“, sondern der eigene Wille durchkommt mit „da braucht jemand Hilfe, ich WILL helfen!“
Außerdem sollte die Lehrkraft den Mut haben, gegen die Regeln der in der Vorlesung aufgeführten Modelle zu verstoßen, wenn sie selbst merkt, dass diese im Spezialfall nicht zielführend sind. Die Heterogenität ist viel zu facettenreich, als dass man den Umgang mit ihr auf ein kleines Modell hinunterbrechen könnte, um es als „Leitfaden“ durchzubringen – dieser Ansatz wirkt in meinen Augen sehr konstruiert und in der Schule gab es nichts schlimmeres als eine Lehrkraft, die sich aufgrund solcher Modelle völlig verstellt hat, sodass man merkte, dass sie im Grunde nur etwas vorspielt und wahrscheinlich gar nicht so viel Ahnung von einem realitätsnahen Umgang mit einer heterogenen Gruppe hat.