mariefriedrichs

16. Januar 2023

Hans Wocken: Gemeinsame Lernsituation

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Marie @ 22:18

Hans Wocken – Gemeinsame Lernsituation 

Hans Joachim Wocken wurde 1943 in Rütenrock geboren und studierte Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Vechta. Wocken arbeitete als Sonderpädagoge in Dortmund, promovierte anschließend und wurde Professor für Lernbehindertenpädagogik an der Universität Hamburg. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit integrativer Pädagogik. 

In dem Text „Gemeinsame Lernsituation“ verfasst 1998 von Hans Joachim Wocken werden verschiedene Lernsituationen beschrieben und in Form von Schaubildern dargestellt. Diese bestehen aus zwei Ebenen. Zum einen wird der Inhaltsaspekt, beispielsweise Ziele, Aufgaben und Pläne, durch horizontale Pfeile visualisiert. Zum anderen wird auf vertikaler Ebene der Beziehungsaspekt wie soziale Prozesse und kommunikativer Austausch veranschaulicht. 

Koexistente Lernsituation:

Beschreibung:

Das Verhalten der jeweiligen Person wird zum größten Teil über ihr eigenes Handeln bestimmt. Die beteiligten konzentrieren sich in erster Linie auf sich selbst. Das eigene angestrebte Ziel steht hierbei im Vordergrund. Die Gemeinsamkeit wird auf das räumliche beieinander sein reduziert wobei das interaktive weniger vorhanden ist. Vergleichbar ist dies mit dem Straßenverkehr. Man hat ein eigenes Ziel, eine eigene Route und braucht zur Realisierung den anderen erst einmal nicht. Jedoch muss, um das Ziel erreichen zu können, auf andere Fahrer und beteiligte Personen am Straßenverkehr geachtet werden. Kommuniziert wird hierbei meist lediglich mit Hup- und Lichtsignalen. Der Inhaltsaspekt dominiert in diesem Fall und der Beziehungsaspekt passiert eher passiv.

Im schulischen Kontext: 

Ein Beispiel für eine koexistente Lernsituation im Schulalltag ist die Bearbeitung des Wochenplans. Die Schüler*innen bearbeitend ihre Aufgaben individuell ihrem Tempo entsprechend. Ein direkter Austausch ist hierbei nicht vorhanden.

Kommunikative Lernsituation:  

Beschreibung:

Bei der kommunikativen steht die Interaktion also die Kommunikation und das Miteinander im Vordergrund. Der Inhalt spielt hierbei weniger eine Rolle. Hierbei gibt es weder einen Plan noch ein gemeinsames Ziel. Die beteiligen reagieren und antworten spontan auf das gesagte des anderen. Jeder war schon einmal in solch einer Situation. Beispielsweise beim Kaffee mit Familie oder Freunden oder auf einer Party. Es kann mehrere Abschweifungen innerhalb eines Gespräches geben ohne das eine Entscheidung getroffen werden muss oder ein Problem bearbeitet wird. Es ist also das Gegenstück zur koexistenten Lernsituation. 

Im schulischen Kontext:

Auch wenn diese Form von Lernsituation nicht auf den ersten Blickscheint, als ob sich diese einer Lehrenden Einrichtung wiederfinden lässt, so kommt sie doch auch in der Schule vor. Beispielsweisen in den Pausen oder beim Frühstück. Hierbei tritt die intentionale Pädagogik zurück. Diese Zeit ist ebenso wichtig wie die Zeit der koexistenten Lernsituation. 

Subsidiäre Lernsituation:

Beschreibung:

Bei der Subsidiären Lernsituation ist sowohl der Inhaltsaspekt als auch der Beziehungsaspekt relevant. Diese lässt sich in zwei verschiedene Situationstypen unterteilen. Zum einen wird die unterstützende Lernsituation erläutert. Hierbei bietet Schüler*in A Schüler*in B Unterstützung bei der Bewältigung der Aufgaben an und arbeitet beiläufig kontinuierlich an seinem eigenen Lernziel weiter. Somit wird durch einseitige Kommunikation dem hilfsbedürftigen Schüler B Unterstützung geleistet. Zum anderen wird die prosoziale Lernsituation beschreiben. Hierbei ist es für Schüler*in A nicht mehr möglich sich neben der Hilfestellung, die eigenen Lernziele weiter zu verfolgen. Schüler*in A stellt die eigenen Bedürfnisse zurück, um Schüler*in B zu Helfen. 

Im schulischen Kontext:

Beide Lernsituation sind im Schulalltag wiederzufinden. Die unterstützende Lernsituation tritt beispielsweise auf, wenn beispielsweise ein Schüler bei der Aufgabenstellung nicht zugehört hat und der Sitznachbar demjenigen die Aufgabe erklärt und beide anschließend an ihren Aufgaben weiterarbeiten.  Die prosoziale Lernsituation kann innerhalb eines Gemeinsamen Unterrichtes immer wieder vorkommen. Ist die Lehrkraft gerade nicht in Reichweite oder traut sich ein/e Schüler*in nicht um Hilfe zu bitten, so kommt es auch zu Hilfestellungen und Assistent unterhalb der Schüler*innen. 

Kooperative Lernsituation:

Beschreibung:

Bei der Kooperativen Lernsituation arbeiten alle Schüler*innen an der Bewältigung einer Aufgabe. Arbeitet die Gruppe an einem gemeinsamen Ziel wird dies als solidarische Lernsituation bezeichnet. Gibt es unterschiedliche Zielsetzungen, wird dies komplementäre Lernsituation genannt. Verfolgen sie unterschiedliche Ziele so sind sie dennoch an auf Kooperation und Interaktion untereinander angewiesen. Wird an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet stärkt dies die Gemeinschaft. 

Im schulischen Kontext:

Auch hier treten beide Lernsituationen im schulischen Alltag auf. Solidarische Lernsituationen sind beispielsweise im Sportunterricht bei der Zusammenarbeit innerhalb einer Mannschaft oder bei Gruppenarbeiten auf. Eine komplementäre Lernsituation kommt beispielsweise beim Fußball spielen oder Schachspielen vor. Man kann beides nicht allein spielen und ist, auch wenn man ein anderes ziel verfolgt, voneinander abhängig.  

Anwendung von oben genannten Lernsituationen im inklusiven Unterricht: 

Jede Lernsituation weist verschiedene positive Eigenschaften auf, die zu Lernerfolgen der Schüler*innen beitragen. In einem inklusiven Unterricht steht die Individualität der Schüler*innen im Vordergrund. Wichtig für die Lehrperson ist es also die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen und dementsprechend auch den Unterricht anzupassen. Demnach ist es nicht Sinnvoll nur eine Lernsituation in einem inklusiven Unterricht zu. Vor allem sind jedoch Lernsituation, die die Gemeinsame Lernen der Kinder mit verschiedenen Bedürfnissen fördert. Das Austauschen, die gegenseitige Hilfe und das Lernen miteinander zeichnen einen inklusiven Unterricht aus. Denn dabei geht es eben nicht darum zu separieren, sondern um die Gemeinsamkeit der Vielfalt.  Demnach sollten vor allem Lernsituationen wie kooperative Lernsituation aber auch subsidiäre Lernsituationen im inklusiven Unterricht verwendet werden. So schrieb auch Wocken: „Die Gemeinsamkeit der Verschiedenen ist die eigentliche Erkennungsmelodie der Inklusion, ihr Substanzieller Kern. Und deshalb ist die Gemeinsamkeit der Verschiedenen auch ein unverzichtbares Kernmerkmal der Inklusion.“ (Wocken, Hans (2019), S.14)

 

Literatur:

Wocken, Hans (1998): GemeinsameLernsituationen (S.41-48) 

Wocken, Hans (2019): Inklusive Bildung. Annäherung an den Begriff der Inklusion und Förderungen an die Inklusionsforschung. In: Auswege Magazin, Perspektiven für den Erziehungsalltag. Letzter Zugriff: 10.01.2023

Wocken, Hans (2017): Vielfalt allein genügt nicht! Zur dialektischen Einheit von Vielfalt und Gemeinsamkeit. In: Wocken, Hans (Hrsg.): Beim Haus der inklusiven Schule. Praktiken – Kontroversen – Statistiken. Hamburg: Feldhaus Verlag, S. 170-250 Letzter Zugriff: 10.01.23

 

3 Comments »

  1. Liebe Marie,

    vielen Dank für deinen interessanten Beitrag zu den gemeinsamen Lernsituationen. Zunächst möchte ich anmerken, dass mir der Aufbau deines Beitrags total gut gefällt. Ich finde es gut, dass man zunächst etwas über Hans Wocken erfährt, dann die Lernsituationen einzeln erklärt werden und du abschließend näher auf die Anwendung im inklusiven Unterricht eingehst. Ebenfalls finde ich gut, dass du jede Situation noch einmal auf den schulischen Kontext beziehst.

    Für meinen eigenen Unterricht hilft mir dein Beitrag dabei, Lernsituationen deuten zu können und einzuschätzen, welche Situation wann für welche/n Schüler*in angemessen ist. Vor allem werde ich versuchen kooperative und subsidiäre Lernsituationen zu schaffen, da diese für den inklusiven Unterricht ja von Vorteil sind.

    Liebe Grüße Eliz

    Kommentar by Eliz — 17. Januar 2023 @ 17:59

  2. Liebe Marie,

    Ich finde deinen Beitrag sehr gelungen und auch den Aufbau deines Blogs gut gestaltet. Dadurch, dass du zuerst auf den Autor eingehst bekommt man als Leser*in einen guten Einblick über den Hintergrund des Inhalts. Die verschiedenen Lernsituationen hast du sehr übersichtlich und gut beschrieben dargestellt. Auch der Bezug zum schulischen Kontext gefällt mir besonders, da dieser den praktischen Aspekt aufgreift und uns in der Zukunft konkret weiterhelfen kann. Besonders dein Abschnitt zur Anwendung der Lernsituationen auf den inklusive Unterricht fasst nochmal gut zusammen, wie wichtig das Zusammenspiel der Lernsituationen ist und wie wichtig es ist die Bedürfnisse jedes*r Schülers*in wahrzunehmen und dementsprechend zu handeln.
    Dein Beitrag bietet eine gute Vorlage um den eigenen Unterricht zu gestalten und sinnvoll aufzubauen.
    Danke! 🙂

    Liebe Grüße
    Kira

    Kommentar by Kira Ehleben — 9. Februar 2023 @ 13:11

  3. Hallo Marie,

    mir gefällt dein Beitrag sehr gut. Dir ist es gelungen eine übersichtliche Strukturierung vorzunehmen, wodurch man deinen Beitrag sehr gut lesen und nachvollziehen kann. Deine Beschreibungen der einzelnen Lernsituationen sind sehr verständlich. Besonders gut finde ich, dass du für jede Lernsituation auch ein Beispiel aus dem schulischen Alltag formuliert hast. Somit hat man direkt einen Praxisbezug und kann sie auch mit den Inhalten unseres Studiums verknüpfen. Auch deine abschließenden Worte finde ich sehr treffend. Ich denke, es ist wichtig, dass du betonst, dass es nicht „die eine“ Lernsituation gibt, sondern dass die Lernsituationen auf die Heterogenität der Klasse angepasst werden sollten. Außerdem sollten einem die verschiedenen Vor- und Nachteile, der jeweiligen Lernsituation bewusst sein.
    Zu guter Letzt ist mir positiv aufgefallen, dass du mehrere Quellen verwendet hast und dich über das Thema hinaus eingelesen hast.

    Liebe Grüße, Johanna 🙂

    Kommentar by Johanna — 17. Februar 2023 @ 9:59

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