Es ist Montag 16:16 Uhr und ich sitze im Bremer Flughafen. Gegenüber von mir befindet sich eine Fläche mit verschiedenen kleinen Kinderkarussells. Links neben mir sitzen drei ältere Damen, neben ihnen stehen drei Koffer. Sie unterhalten sich auf einer Sprache die ich nicht verstehe. Ich vermute, dass sie auf ihren Flug warten und wundere mich wieso sie noch nicht ihre Koffer abgegeben haben. Sie scheinen noch viel Zeit zu haben.
Rechts von mir befindet sich ein Stand von Sixt, auffällig orange leuchtend. Eine junge Frau sitzt dort und telefoniert ziemlich enthusiastisch. Sie wirkt sehr glücklich, denn trotz Maske meine ich ein lächeln erkennen zu können.
Im Hintergrund spielt Weihnachtsmusik, die immer mal wieder von Durchsagen mit der Bitte eine Maske zu tragen, Abstand zu halten und die 3G Regel einzuhalten unterbrochen wird. Diese Durchsage wechselt sich mit der Aufforderung sein Gepäck nicht unbeaufsichtigt stehen zu lassen ab.
Ein Mitarbeiter des Flughafens läuft an mir vorbei Richtung Gepäckabgabe welche sich hinter mir auf der linken Seite befindet. Er hat einen Koffer in der Hand, der allerdings nicht so scheint als würde er ihm selbst gehören, vielmehr wirkt es so als würde er den Koffer eines Fluggastes wegbringen. Seine Arbeitskleidung unterscheidet sich von der der anderen. Er sieht rausgeputzter aus.
Ein Mann läuft zu Sixt, woraufhin die Frau schnell das Telefon weglegt ohne sich zu verabschieden. Er fragt etwas und das einzige was ich verstehen kann ist die Antwort der Frau „Führerschein“. Ich vermute nun noch mehr, dass es keine Einbildung meinerseits war, dass die Frau sehr enthusiastisch telefoniert hat. Vermutlich war eine ihr gut bekannte Person am Telefon und man kann es ihr nicht verübeln, denn der Flughafen ist nicht wirklich voll.
Drei Frauen mittleren Alters kommen mir entgegen und reden kurz mit den drei älteren Damen, dann gehen sie weiter und bleiben noch näher an mir stehen als die anderen Frauen. Ihre Sprache kann ich ebenfalls nicht verstehen, ich vermute aber, dass es spanisch ist. Vom Alter her könnten es die Töchter sein, die vielleicht vorher etwas nachgeschaut haben oder auf Toilette waren.
Jetzt höre ich die Wortfetzen aus drei verschiedenen Gesprächen auf mindestens zwei verschiedenen Sprachen.
Eine Putzkraft stellt hinter dem Kinder Spielplatz ein „Vorsicht glatt“ Schild auf und beginnt den Boden zu wischen. Zwei Männer laufen an mir vorbei; einer mit Warnweste, einer ohne. Ein altes Pärchen kommt mir mit zwei Koffern entgegen Richtung Gepäckabgabe und bleibt davor stehen. Vermutlich fliegen sie heute in den Urlaub. Wieder läuft ein Mann mit einer Warnweste vorbei.
Der Mann der beim Sixt Stand mit der Frau gesprochen hatte, beendet das Gespräch und verlässt den Flughafen. Ich beende meine teilnehmende Beobachtung und verlasse ebenfalls den Flughafen.
Laut Marc Augé sind Flughäfen ein Nicht-Ort, ein Ort der Anonymität, der Einsamkeit, der Entwurzelung. Ein Ort an dem es an Identität, Relation und Geschichte mangelt. Während ich meine Beobachtung geschrieben habe, wusste niemand wer ich bin, aber ich denke Menschen haben sich gefragt was ich dort schreibe. Das wiederum gibt mir dann für diese Menschen vielleicht eine Identität, nur nicht meine eigentliche, sondern eine von ihnen selbst ausgedachte, genauso so wie ich das bei ihnen auch gemacht habe.
Ich denke, dass nicht für alle Leute die gleichen Orte „Nicht-Orte“ sind. Ich hab Erinnerungen an den Flughafen und ich fühle mich nicht entwurzelt wenn ich dort bin, andere Menschen vielleicht schon.