ABSCHLUSSREFLEXION

ABSCHLUSSREFLEXION

1. Die Ringvorlesungsveranstaltung bot meiner Meinung nach einen sehr guten Einblick und langsames Herantasten an das thematisch komplexe Themenfeld des Umgangs mit Heterogenität. Zu den für mich zentralsten Aspekten gehören dabei die Erkenntnisse zur Methode der äußeren Differenzierung, welche in der dritten Ringvorlesung von Christoph Kulgemeyer aufgegriffen wurden. Wenn ich als angehende Lehrerin in meinen zu unterrichtenden Fächern, Geschichte und Deutsch, die Lernkurse nach Leistungsniveaus einteilen würde, hat dies für die Lernentwicklung der Leistungsschwachen einen eher negativen Effekt, beziehungsweise es zeichnen sich bei ihnen kaum Fortschritte ab. Bei Leistungsstarken Schülern und Schülerinnen ergibt sich wiederum ein positiver Effekt, der jedoch sehr geringfügig ist. Diese Methode der äußeren Differenzierung wirkt zusammenfassend also weder besonders positiv noch negativ auf die Leistungsentwicklung, hat somit also kaum einen Effekt, wie Hoffer 1992 durch Untersuchungen in Klasse sieben bis neun belegt. Viel wichtiger ist der Rückgriff auf Lernumgebungen, die auf die unterschiedlichen Leistungsniveaus angepasst sind. Zum Beispiel könnte man, im Deutsch- als auch im Geschichtsunterricht, Arbeitsblätter mit Aufgaben, die unterschiedliche Schwierigkeitsgrade haben, aufgeben. Im Geschichtsunterricht könnte man beispielsweise bei einer Aufgabe, die von allen das gleiche Wissen abverlangt (zum Beispiel Gründe für Ende der Weimarer Republik), Leistungsschwache als auch Leistungsstarke dazu auffordern, die Antworten stichwortartig (in Form einer Mindmap etc.) festzuhalten, wobei die Leistungsstarken Schüler und Schülerinnen zusammenfassend einen Fließtext schreiben oder Stellung zu einer Aussage/These eines Historikers etc. nehmen sollen.

Eine weitere mögliche Antwort auf den Umgang mit Heterogenität im schulpädagogischen Alltag stellt der in der vierten Vorlesung thematisierte, individualisierende Unterricht dar. Ziel dieser Unterrichtsform sind individuell angepasste Lernangebote, die an die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler und Schülerinnen angepasst sind. Wie Prof. Dr. Idel bemerkt, entsteht die Heterogenität durch diese Systematisierung, also durch unterschiedliche Aufgaben an Schüler und Schülerinnen unterschiedlichen Leistungs- und Lernniveaus. Eine Form des individualisierenden Unterrichts stellt die Planarbeit dar. Den Schülern und Schülerinnen ist es somit möglich, die Aufgaben zu einem bestimmten Thema, nach ihren Lernvoraussetzungen und somit nach den jeweilig benötigten Zeitdimensionen zu bearbeiten. So könnten zum Beispiel im Deutschunterricht (sowie übertragbar auf jedes andere Fach) die Aufgaben tabellarisch angegeben sein. Während leistungsschwache Schüler*innen für einige Aufgaben, wie der Erörterung eines Textes oder der Analyse eines Gedichtes etc., mehr Zeit in Anspruch nehmen könnten, gäbe es für die leistungsstarken Schüler*innen Zusatzaufgaben, um allen bestmöglich nach ihrem jeweiligen Leistungsniveau gerecht werden zu können.

Des Weiteren zählt für mich zu den wichtigsten Aspekten, jene die in der neunten Vorlesung, in der es um das Reden und den Umgang mit Religion, speziell dem jüdischen, im schulischen Alltag geht, aufgegriffen wurden. Aus meiner eigenen schulischen Erfahrung weiß ich, dass der Holocaust im Gesamtüberblick einen zentralen Schwerpunkt im Geschichtsunterricht darstellt (und dies meiner Meinung nach auch definitiv zu Recht). Tendenziell stelle ich es mir daher als angehende Lehrerin eher schwierig vor, „gelockert“ über das Judentum zu reden, da in den meisten Fällen erste Assoziationen in Richtung Völkermord gehen. Was ich aus dieser neunten Vorlesung als wichtige Erkenntnis mitgenommen habe, ist es, offen über verschiedene Religionen mit den Schüler*innen zu sprechen, um Wissenslücken und Ungereimtheiten zu verhindern. Denn ich sehe es als meine Aufgabe, als spätere Geschichtslehrerin (und auch Deutschlehrerin), meinen Schülern und Schülerinnen das Bewusstsein zu vermitteln, dass es nicht die eine bestimme Auslegung einer Religion gibt, sondern Religionen in sich divers und Abweichungen in der Befolgung von Vorschriften und Verboten innerhalb religiöser Ausprägungen die Regel sind.

Zu den zwei wichtigsten erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen zählt meiner Meinung nach erstens jene, die in der fünften Vorlesung aufgegriffen wurde und die Tiedemann/Billmann-Mahecha im Jahr 2004 veröffentlicht haben: So seien Grundschulkinder mit deutscher Familiensprache signifikant besser im Gegensatz zu Kindern aus anders- oder gemischtsprachigen Familien. Dies verdeutlicht wie wichtig das Erlernen der, in unserem Fall, deutschen Sprache ist, damit jedes Kind sein Grundrecht auf kompetente Bildung bestmöglich in Anspruch nehmen kann. Zweitens zählen für mich persönlich die von der Senatorin für Kinder und Bildung veröffentlichten Ergebnisse im Jahr 2017 (aufgegriffen in der dreizehnten Vorlesung) zu den wichtigsten Erkenntnissen. Demnach seien sowohl männliche als auch weibliche Abiturienten*innen, deren Erstsprache deutsch ist, denen notentechnisch im Abiturnotenüberblick weit überlegen, die als Erstsprache nicht deutsch haben. Bei der Notenverteilung 3,5 bis 4,0 ist zudem der Anteil der Schüler*innen nicht deutscher Erstsprache höher. Für mich zählen diese beiden Erkenntnisse im Bezug auf die Erziehungswissenschaft zu den wichtigsten, da sie nachweisen, wie wichtig eine gemeinsame Sprache als Grundbaustein für eine gute und effektive Bildung ist.

3. In der siebten Vorlesung wurde von dem Dozenten Prof. Dr. Frank J. Müller betont, dass der Weg zu einer Schule für alle, dass heißt ein Bildungssystem, in dem Menschen mit und ohne Behinderung, von Anfang an gemeinsam lernen und die Heterogenität als solche Anerkannt wird, insbesondere mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006, die besagt dass alle Kinder einen Anspruch auf gemeinsamen Unterricht haben, ein langwieriger sei und viele Schwierigkeiten birgt. Für mich ergaben sich am Ende der Vorlesung einige Fragen, unter anderem zur konkreten praktischen Umsetzung, zur Gestaltung des Unterrichts und zum professionellen Umgang mit den Kindern.

Im Anschluss an die Vorlesung stellte ich die Frage, wie beispielsweise mit einem Kind umzugehen sei, welches wiederholt den Unterricht durch laute Zwischenrufe oder Beschimpfungen etc., stört. Der Dozent antwortete daraufhin, dass die Erfragung der Ursache, dass heißt die Frage „Weshalb macht das Kind dies oder jenes?“, von Bedeutung sei. Aus Zeitmangel konnte der Dozent nicht weiter darauf eingehen und/oder eine ausführliche Antwort geben, was dazu führte, dass dies für mich leider eine eher unbefriedigende Antwort war. Denn wenn das besagte Kind sich mir oder einem inklusiven Pädagogen oder Pädagogin, falls von der Schule bereitgestellt, gegenüber öffnet, man durch die Erziehungsberechtigten und/oder von Mitschülern*innen etwas erfährt, dann bleibt bei mir immer noch die Frage offen, was mit diesem Wissen zu tun sei? Wie gehe ich mit dieser Störung um, wenn ich weiß, dass das Kind zum Beispiel in der Vergangenheit ein traumatisches Erlebnis hatte und deswegen so handelt? Außerdem stellt sich für mich die Frage, inwieweit ich als Lehrkraft gehen darf, soll oder vielleicht sogar auch muss? Denn als Lehrerin habe ich die Verantwortung für meine Klasse, ein Lern- und Arbeitsklima zu schaffen, in dem es bestenfalls allen möglich ist, ihr Recht auf kompetente und professionelle Bildung zu erhalten. Um dies zu gewährleisten, schließt meine Ausgangsfrage an die Frage, wie weit ich überhaupt in die Privatsphäre meiner Schüler*innen eingreifen darf und wo die Grenzen bei dieser Nähe-Distanz-Antinomie liegen?

Ich würde mir im weiteren Verlauf meines Studiums wünschen, zu diesen Fragen mehr Antwortansätze zu erhalten, da sie durch die Schulreform 2009 theoretisch zum Aufgabenkomplex des Lehrer*innenseins gehören.

Eine weitere Fragestellung, zu der ich im laufe meines Lehramtsstudiums gerne mehr erfahren würde, hat sich für mich in der vierten Vorlesung, die Prof. Dr. Idel zum Thema „Individualisierung von Unterricht als schulpädagogische Antwort auf Leistungsheterogenität“ geleitet hat, ergeben. Bei dem individualisierenden Unterrichtsformat der Heterogenisierung erfolgt eine direkte Adressierung Einzelner oder Teilgruppen. Für mich ergibt sich hierbei die Frage, wie es eine Lehrkraft schafft/schaffen kann, sich professionell mit dem Widerspruch zwischen der Förderung und der Selektion auseinanderzusetzen? Wie kann ich es somit als Lehrerin gewährleisten, dass Leistungsschwache Schüler*innen die benötigte Aufmerksamkeit und auf sie angepasste Lernangebote erhalten, ohne sie gleichzeitig intern von der Klasse abzuschirmen? Ist dies, die Verhinderung der internen Abgrenzung von den anderen, überhaupt möglich, oder stellt es ein unvermeidliches Resultat aus dem Dilemma der (De-)Kategorisierung der Schüler*innen in dem Konstrukt des individuellen Förderbedarfs dar? Zu diesem Fragenkomplex würde ich gerne mehr erfahren, da ich aus meiner eigenen Schulzeit von Klassenkameraden*innen weiß, dass sie damit eher gute Erfahrungen gemacht haben.

4. Ich konnte mir zu Beginn der Vorlesung nur wenig darunter vorstellen, was alles unter der Formulierung Umgang mit Heterogenität fällt. Durch die vielen unterschiedlichen Einblicke in die komplexe Thematik wurden mögliche Antworten auf den Umgang mit Heterogenität geliefert. Als Herausforderung sehe ich dabei die Aufgabe, für alle Schülerinnen und Schüler die gleichen und gerechten Möglichkeiten auf Bildung zu gewährleisten. Dafür muss zunächst einmal überhaupt geklärt werden, wer was, dass heißt welches Lernmaterial, braucht, um erfolgreich beziehungsweise bestmöglich lernen zu können. Diesen Schritt sehe ich als große Herausforderung, da damit auch immer die Gefahr verbunden ist, Schüler*innen zu kategorisieren und den Blick für das einzelne Individuum zu verlieren. Denn dass Schüler*in X Trisomie 21 hat, sagt mir noch nichts über ihre Persönlichkeit etc. aus. Mir ist bewusst, dass es ausgeschlossen ist, sich auf diese Aufgabe, die das Lehrer*innensein mit sich trägt, vorzubereiten, denn mit jedem neuen Schüler*in muss die Frage neu beantwortet werden. Ich erhoffe mir jedoch von dem Orientierungspraktikum und den sich anschließenden Praktika, ein erstes Gespür dafür zu bekommen.

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