1. Die Lektüreauswahl ist von zentraler Bedeutung für einen gendersensiblen Literaturunterricht. Sie ist hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte zu reflektieren.
Zum einen sollten die LehrerInnen/ VermittlerInnen bei der Auswahl ihre eigene Lesebiographie und eigene Präferenzen reflektieren. Bücher, die in der eigenen Kindheit geliebt wurden, sind nicht zwangsläufig für die heutigen Kinder interessant (es ist aber möglich). Da es sehr viele Lehrerinnen gibt, sollten diese berücksichtigen, dass die Kinder unterschiedliche Interessen abhängig und unabhängig von ihrem Geschlecht haben. Auch männliche Lesevorbilder wären sehr sinnvoll, damit das Lesen nicht als ausschließlich „weibliche Tätigkeit“ wahrgenommen wird.
Die RezipientInnen sind wie erwähnt eine heterogene Gruppe mit sehr heterogenen Interessen, die von vielerlei Faktoren neben dem Geschlecht abhängen. Hier sollte die Lehrperson darauf achten, die unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen. Es sollte sowohl an Anknüpfen an die Interessen der Kinder als auch ein Heranführen an andere Themen und Erzählstile (Horizonterweiterung) stattfinden.
Die Kompetenzziele sollten differenziert werden, neben der Lesekompetenz (die Fähigkeit Texte zu erfassen und Inhalte wiedergeben zu können) sollte auch die literarische Kompetenz (ästhetisch geprägter Umgang mit Texten aller Art) gefördert und bewertet werden. Somit können sich die Kinder mit ihren unterschiedlichen Vorlieben und Stärken in den Literaturunterricht einbringen.
Die Lerngegenstände also Bücher und andere Medien sollten möglichst vielfältig gewählt werden, um den unterschiedlichen Interessen der Kinder entgegen zu kommen. Auch hier finde ich eine geschlechtsspezifische Zuordnung schwierig. Eine Vielfalt in der Auswahl (Sachliteratur, erzählende Literatur, unterschiedliche Genres, unterschiedliche Erzählstile, unterschiedliche Protagonisten, Lyrik, Comic, Zeitung, digitale Medien etc.) kommt sicherlich allen Kindern mit ihren unterschiedlichen Interessen und Vorlieben zugute.
2. Erfahrungen habe ich in erster Linie durch meine Tätigkeit in einer Bücherei gemacht. Hier habe ich festgestellt, dass alle Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht, ein großes Interesse an Büchern haben. Dabei gab es sowohl unter den Jungen als auch unter den Mädchen Viel- und Garnicht-LeserInnen. Die Tendenz der Kinder war häufig, zu den Büchern zu greifen, die sie bereits kennen. Eine gute und interesse-weckende Buchvorstellung kann hier sehr sinnvoll sein und tatsächlich dazu führen, dass Kinder sich um Bücher reißen! Meine Erfahrung ist, dass alle Kinder spannende und/oder humorvolle Geschichten lieben.
Es gibt viele gute neue Bücher, in denen andere Familienkonstellationen oder Rollenbilder wie nebensächlich berücksichtigt werden ohne zentrales Thema zu sein. Sehr problematisch sehe ich die Tendenz auf dem Buchmarkt ebenso wie auf dem Spielzeugmarkt, die Produkte geschlechtsspezifisch aufzulegen und zu vermarkten. Hier findet tatsächlich eine krasse Festschreibung von längst überholt geglaubten Klischees bezüglich Interessen und Rollen statt.
3. Ich finde es sehr wichtig, dass die Kinder Männer als lesende Vorbilder haben. Hier würde mich interessieren, welche Konzepte in der Praxis zu finden sind (sofern keine Lehrer an der Schule sind). Des Weiteren würde mich interessieren, wie stark eine Orientierung an den Leseinteressen der Kinder stattfindet.