Abschlussreflektion

 

1. Die Pluralisierung und Heterogenität der Lebensformen und Lebensbedingungen in der Gesellschaft sind ein Fakt. Wie kann Schule dem begegnen? Mich hat der in der Vorlesung behandelte Diversity-Ansatz angesprochen. Er stellt eine Weiterentwicklung der Ausländer-, Interkulturellen und Antirassistischen Pädagogik dar. Bei der Diversity Education findet eine Ausweitung der Heterogenitätsdimensionen statt um Dimensionen wie Gender, Beeinträchtigungen, soziale Lage. Dabei wird der Fakt der Heterogenität angenommen, wobei nicht die Differenzen im Fokus stehen, sondern ein Schwerpunkt auf die Gemeinsamkeiten gelegt wird bei einem gleichzeitigen Bewusstsein für die unterschiedlichen Voraussetzungen, wie in der Vorlesung dargelegt wurde. Dies ist in meinen Augen eine wichtige Grundhaltung als Lehrerin. Der Ansatz der Diversity Education steht in meinen Augen auch der Idee der Inklusion sehr nahe:

„In einer humanen Gesellschaft erfährt jeder Mensch mit seinen individuellen Eigenschaften, Interessen und Bedürfnissen Anerkennung und Wertschätzung und erhält die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe. Jede Form der Exklusion wirkt einem friedlichen, sozialen und humanen Zusammenleben entgegen. Inklusive Bildung ist ein wichtiger Baustein für die Entwicklung einer Gesellschaft, in der in dieser Weise Vielfalt gelebt und jedem Menschen die Chance auf Teilhabe gewährt wird. […] Danach bedeutet inklusive Bildung, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale entwickeln zu können, unabhängig von besonderen Lernbedürfnissen, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen.“ (Resolution der 77. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, 2017)

Diversity Education und Inklusion können vielleicht insofern verknüpft werden, als dass Inklusion als Ziel verstanden werden und Diversity Education ein Weg bzw. eine Haltung auf dem Weg dorthin darstellen kann. Ähnlich bewertet dies auch Annedore Prengel (2013): „Inklusive Pädagogik hat mit verwandten internationalen Ansätzen – wie zum Beispiel Diversity Education, Menschenrechtsbildung und antirassistischer Erziehung – gemeinsam, dass sie auf den menschenrechtlichen Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Solidarität beruht. Freiheit meint immer zweierlei: Befreiung aus Unfreiheit und Freiheit für vielfältige Lebensweisen.“ (Prengel 2015, S.5)

Sowohl Schule als auch Gesellschaft sind in meinen Augen aber noch weit von dem Ideal der Inklusion entfernt. Es hat den Anschein, als solle die Schule hier eine Vorreiter-Rolle zur Veränderung der Gesellschaft einnehmen. In keinem anderen gesellschaftlichen Feld ist der Versuch, Inklusion zu ermöglichen so weitreichend umgesetzt wie im schulischen. Es scheint mir eine zentrale Frage, ob die Schule es leisten kann, eine solche gesellschaftliche Veränderung zu bewirken. Nach Helma Lutz und Norbert Wenning (2001) bilden Differenzlinien die Grundlage der Organisation moderner Gesellschaften. Diese Differenzlinien sind soziale Konstruktionen, die der Logik der Grunddualismen folgen und hierarchisch funktionieren. Kategorien sind dabei Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Alter, Gesundheit, Besitz, Klasse und viele weitere (vgl. Lutz, Wenning 2001, S. 20). Die Zusammenhänge und Machtgefüge sind hier so komplex, dass es einen als LehrerIn in meinen Augen eigentlich nur überfordern kann, der Vielfalt gerecht zu werden und die Ungleichheitsstrukturen zu durchbrechen.

In der Ringvorlesung ebenso wie in den Veranstaltungen der Fachdidaktiken ist deutlich geworden, dass ein zentraler Diskurs in den Erziehungswissenschaften gerade um das Thema Bildungssprache bzw. konzeptionelle Schriftlichkeit kreist. Dem Erwerb der Bildungssprache, die sich in Komplexität, Abstraktionsniveau und Wortschatz stark von der Alltagssprache unterscheidet, wird eine entscheidende Bedeutung für den Erfolg in Bildungsinstitutionen beigemessen. Entsprechend werden Konzepte entwickelt, welche bei der Sprachförderung bereits im Kindergarten ansetzen, um die Sprachentwicklung der Kinder soweit zu fördern, dass sie mit Schulbeginn bessere Voraussetzungen haben, im Umgang mit Bildungssprache kompetent zu werden bzw. zu sein. Interessanterweise wurden sowohl in der Mathedidaktik (Projekt Enter, vgl. Böning 2017) als auch in der Deutschdidaktik (Familiy Literacy, vgl. Nickel 2007) solche Konzepte entwickelt und vorgestellt. Dass die Sprachkompetenz eine wichtige Grundlage für das schulische Lernen ist, war mir bewusst. Dass ihre Bedeutung für den Mathematikunterricht ebenso entscheidend ist, wie für den Deutschunterricht und andere sprachorientierte Fächer, war für mich neu. Interessant fände ich, inwieweit diese Ansätze der frühen Förderung des Bildungsspracherwerbs über die Fächergrenzen hinweg verknüpft werden. Ebenfalls würden mich die Erfolge der Konzepte interessieren.

 

2. Dass Konzepte zur vorschulischen Sprachförderung in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion einen wichtigen Stellenwert einnehmen, liegt meiner Meinung nach an einer eindeutigen praktischen Relevanz. Die sprachlichen Kenntnisse, die Kinder in der ersten Klasse mitbringen sind sehr unterschiedlich. Insbesondere bei Kindern, die aus anderen Ländern zugezogen sind, stellt sich die Frage, wie allgemeinsprachliche und bildungssprachliche Kompetenzen zu vermittelt werden können. Hier bestehen unterschiedliche Konzepte schon innerhalb Bremens nebeneinander: von gesonderten Sprachlernklassen, über dem Unterricht vorgelagerten Sprachunterricht bis zur Inklusion von Kindern ohne Deutschkenntnisse in Standartschulklassen.

Eine weitere in der Praxis sehr relevante Heterogenitätsdimension ist die Leistungsheterogenität. Um dieser Rechnung zu tragen, wurde in Bremen das Kompolei-Modell (kompetenzorientierte Leistungsrückmeldung) entwickelt. Zentral ist hierbei eine Kompetenz- statt Defizit-Orientierung, eine individuelle und kontinuierliche lernstandbezogene Rückmeldung sowie eine dialogische Form. Ob dieses Modell der Beurteilung von Leistungen von heterogenen Lerngruppen gerechter wird, kann ich noch nicht beurteilen.

 

3. Die Ringvorlesung konnte viele Themen nur anreißen. Mich würden zum einen Themen eher aus praktischer Perspektive interessieren, gerne auch best practise Berichte von und im Austausch mit Praktikerinnen. Hier würden mich konkrete Erfahrungen mit der Inklusion und ebenfalls der Umgang mit Leistungsheterogenität interessieren. Ich stelle mir mit Praktikerinnen einen produktiven Austausch über Wege, Möglichkeiten und Grenzen vor; weniger normativ als in der Theorie, sondern ganz ehrlich, runtergebrochen und pragmatisch. Des Weiteren würde mich das Thema „Armut“ interessieren, da Kinderarmut besonders in Bremen ein sehr relevantes Thema ist. Hier finde ich sowohl eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema als auch das Entwickeln einer Haltung wichtig (wie gehe ich konkret mit Armut um: Bringe ich Brot mit für Kinder, die Zuhause kein Frühstück erhalten? Thematisiere ich mit Kindern Armut? Etc.).

Ebenfalls würde mich eine theoretische Auseinandersetzung zu dem unter Fragestellung 1 aufgeworfenen Spannungsfeld „inklusive Schule in einer nicht-inklusiven Gesellschaft“ interessieren, kann das funktionieren und was soll und kann Schule bewirken…

 

4. Wie vermutlich in meinen Ausführungen deutlich geworden ist, sehe ich viele der aufgeworfenen Aspekte als große Herausforderung. Da ich mich erst im zweiten Semester befinde, hoffe ich sehr, dass ich im weiteren Verlauf des Studiums einige Antworten auf meine Fragen und Befürchtungen finden werde. Ich denke, dass sowohl eine theoretische Auseinandersetzung auch im Austausch mit KommilitonInnen wichtig ist, als auch das Lernen in der Praxis. Im besten Fall begegnen mir nun schon in meinem Orientierungspraktikum LehrerInnen, die den vielfältigen Herausforderungen kreativ und kompetent begegnen und von denen ich lernen kann.

 

Literatur:

  • Bönig, D./ Thöne, B. (2017): Integrierte Förderung von Mathematik und Sprache in Kita und Familie. In Schuler, S., Streit, C. & Wittmann, G. (Hrsg.). Perspektiven mathematischer Bildung im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule. Wiesbaden, S. 27-40
  • Lutz, H./ Wenniger, N. (2001): Differenzen über Differenz – Eine Einführung in die Debatte – IN: Lutz, H./ Wenniger, N. (Hrsg.): Unterschiedlich verschieden, Differenzen in der Erziehungswissenschaft, Opladen, S. 11-24
  • Nickel, S. (2007). Family Literacy – Familienorientierte Zugänge zur Schrift. – IN: Panagiotopoulou, A./Carle, U. (Hrsg.). Sprachentwicklung und Schriftspracherwerb, Baltmannsweiler, S. 71-83
  • Prengel, A. (2013): Inklusive Bildung in der Primarstufe – Eine wissenschaftliche Expertise des Grundschulverbandes, Frankfurt, https://grundschulverband.de/wp-content/uploads/2017/01/prengel_kurzfassung.pdf
  • Resolution der 77. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission in Bonn (2017), https://www.unesco.de/node/1728

 

Erlesene Geschlechter – Genderkompetenz im Literaturunterricht

1. Die Lektüreauswahl ist von zentraler Bedeutung für einen gendersensiblen Literaturunterricht. Sie ist hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte zu reflektieren.

Zum einen sollten die LehrerInnen/ VermittlerInnen bei der Auswahl ihre eigene Lesebiographie und eigene Präferenzen reflektieren. Bücher, die in der eigenen Kindheit geliebt wurden, sind nicht zwangsläufig für die heutigen Kinder interessant (es ist aber möglich). Da es sehr viele Lehrerinnen gibt, sollten diese berücksichtigen, dass die Kinder unterschiedliche Interessen abhängig und unabhängig von ihrem Geschlecht haben. Auch männliche Lesevorbilder wären sehr sinnvoll, damit das Lesen nicht als ausschließlich „weibliche Tätigkeit“ wahrgenommen wird.

Die RezipientInnen sind wie erwähnt eine heterogene Gruppe mit sehr heterogenen Interessen, die von vielerlei Faktoren neben dem Geschlecht abhängen. Hier sollte die Lehrperson darauf achten, die unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen. Es sollte sowohl an Anknüpfen an die Interessen der Kinder als auch ein Heranführen an andere Themen und Erzählstile (Horizonterweiterung) stattfinden.

Die Kompetenzziele sollten differenziert werden, neben der Lesekompetenz (die Fähigkeit Texte zu erfassen und Inhalte wiedergeben zu können) sollte auch die literarische Kompetenz (ästhetisch geprägter Umgang mit Texten aller Art) gefördert und bewertet werden. Somit können sich die Kinder mit ihren unterschiedlichen Vorlieben und Stärken in den Literaturunterricht einbringen.

Die Lerngegenstände also Bücher und andere Medien sollten möglichst vielfältig gewählt werden, um den unterschiedlichen Interessen der Kinder entgegen zu kommen. Auch hier finde ich eine geschlechtsspezifische Zuordnung schwierig. Eine Vielfalt in der Auswahl (Sachliteratur, erzählende Literatur, unterschiedliche Genres, unterschiedliche Erzählstile, unterschiedliche Protagonisten, Lyrik, Comic, Zeitung, digitale Medien etc.) kommt sicherlich allen Kindern mit ihren unterschiedlichen Interessen und Vorlieben zugute.

2. Erfahrungen habe ich in erster Linie durch meine Tätigkeit in einer Bücherei gemacht. Hier habe ich festgestellt, dass alle Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht, ein großes Interesse an Büchern haben. Dabei gab es sowohl unter den Jungen als auch unter den Mädchen Viel- und Garnicht-LeserInnen. Die Tendenz der Kinder war häufig, zu den Büchern zu greifen, die sie bereits kennen. Eine gute und interesse-weckende Buchvorstellung kann hier sehr sinnvoll sein und tatsächlich dazu führen, dass Kinder sich um Bücher reißen! Meine Erfahrung ist, dass alle Kinder spannende und/oder humorvolle Geschichten lieben.

Es gibt viele gute neue Bücher, in denen andere Familienkonstellationen oder Rollenbilder wie nebensächlich berücksichtigt werden ohne zentrales Thema zu sein. Sehr problematisch sehe ich die Tendenz auf dem Buchmarkt ebenso wie auf dem Spielzeugmarkt, die Produkte geschlechtsspezifisch aufzulegen und zu vermarkten. Hier findet tatsächlich eine krasse Festschreibung von längst überholt geglaubten Klischees bezüglich Interessen und Rollen statt.

3. Ich finde es sehr wichtig, dass die Kinder Männer als lesende Vorbilder haben. Hier würde mich interessieren, welche Konzepte in der Praxis zu finden sind (sofern keine Lehrer an der Schule sind). Des Weiteren würde mich interessieren, wie stark eine Orientierung an den Leseinteressen der Kinder stattfindet.

Heterogenitätsdimensionen im Sachunterricht

1. Die „grundlegenden psychologischen Bedürfnisse“ nach Deci und Ryan (1993) sind Kompetenzerleben, Selbstbestimmung bzw. Autonomie und soziale Eingebundenheit. In diesem Fall scheint für Sandra das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit ausschlaggebend für ihre Wahl gewesen zu sein. Anstatt nach ihrem Interesse zu wählen, hat sie sich entsprechend dem von ihr als relevant bewerteten Kriterium der Gruppenzugehörigkeit entschieden, dem biologischen Geschlecht. Gründe dafür können nur gemutmaßt werden. Entweder fühlt sie sich tatsächlich der sozialen Gruppe der Mädchen zugehörig und eingebunden in diese oder sie befürchtet einen Ausschluss oder eine Stigmatisierung, wenn sie sich entscheidet, mit den Jungen zusammen zu arbeiten. Ebenfalls ist es möglich, dass sie sich in einer Gruppe von Jungen nicht wohl fühlt. Möglicherweise denkt sie auch, für ein Mädchen sei eine solche Aufgabe nicht geeignet.

2. Die didaktische Entscheidung, die Kinder frei wählen zu lassen woran sie arbeiten, erfüllt das Bedürfnis nach Selbstbestimmung. In diesem Fall scheint aber das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit/ Gruppenzugehörigkeit einen stärkeren Einfluss zu haben. Um dieses zu verhindern, wäre möglicherweise eine zeitgleiche, geheime Zuordnung sinnvoller. Es wäre auch möglich, die Kinder einzuteilen und somit nicht selbst bestimmen zu lassen oder alle Kinder beide Aufgaben erledigen zu lassen.

Meiner Meinung nach ist das Bedürfnis nach Zugehörigkeit grundsätzlich sehr ausgeprägt wie man auch bei der Zuteilung von Studierenden zu Referatsthemen beobachten kann. Das „mit wem“ dominiert das „worüber“ deutlich.

3. Die Kollegin handelt unter der Vorannahme, dass die Kompetenzen bei handwerklichen Tätigkeiten zwischen Jungen und Mädchen unterschiedlich ausgeprägt sind. Fraglich ist, worauf dieses Konzept beruht, Erfahrungen aus ihrer Schulzeit, Erfahrungen mit ihren SchülerInnen oder eigener Abneigung gegenüber Handwerksarbeiten? Während meiner Meinung nach grundsätzlich nichts gegen eine von der Lehrperson vorgegebene Partnerkombination einzuwenden ist, stellt sich natürlich die Frage, wie diese kommuniziert wird. Es wäre natürlich ungünstig, wenn die Lehrerin den Kindern erklären würde, dass die Jungen den Mädchen helfen sollen, da diese weniger handwerkliche Kompetenzen hätten (was im Übrigen erst einmal zu überprüfen wäre). Dies könnte natürlich zu einem negatives Selbstbild der Mädchen beitragen oder dieses verfestigen.

Dennoch denke ich, dass der Lebensalltag und Modelle in der Lebenswelt einen viel größeren Einfluss auf das Selbstbild der Kinder und die Rollenzuschreibungen haben. Wer repariert Zuhause, welches Geschlecht hat der Hausmeister und haben Handwerker? Diese Erfahrungen prägen die Kinder entscheidend. Hier möchte ich noch anfügen, dass meine Tochter mir neulich mitteilte, dass sie es besser fände, wenn ihr Vater die Sachen reparieren würde (was gewöhnlich ich tue). Es ist noch ein langer Weg, solche Rollenvorstellungen aufzubrechen.

4. Eine gängige Alltagshypothese ist die, dass Jungen sich mehr für Sachthemen interessieren als Mädchen. So greifen Jungen beispielsweise viel häufiger zu Sachbüchern, während Mädchen sich eher für Erzählungen und Romane interessieren (eigene Erfahrung aus der Bibliothek). Mich würde nun interessieren, inwiefern Unterschiede im Interesse an den Themen des Sachunterrichts zutage treten und ebenfalls, wie groß die Unterschiede bezüglich des Vorwissens sind. Es wäre möglich, zunächst die LehrerInnen dazu zu befragen, um ihre Präkonzepte zu erfahren, dann die Kinder und schließlich diese Ergebnisse wieder mit den LehrerInnen zu besprechen.

Schule für wirklich alle?

  1. Viele der von Prof. Dr. Natascha Korff vorgestellten positive Aspekte, die eine inklusive Schule im Vergleich zu vorherigen Schul-/Integrationskonzepten mit sich bringt, finde ich einleuchtend und überzeugend, dennoch stellt sich mir, ebenso wie anderen Studierenden die Frage, wie dieses Ideal der inklusiven Schule in der Praxis gut und für alle Kinder gewinnbringend umgesetzt kann. Frau Korff argumentierte, dass ein inklusiver Unterricht funktionieren könne, wenn das Lernen selbstorganisiert stattfinde, da dann Zeit sei, sich um einzelne Kinder zu kümmern. Das selbstorganisierte Lernen ist derzeit ein großer pädagogischer Trend, seine Effekte sind aber nicht unumstritten, gerade in Bezug auf leistungsschwache Kinder. In der Mathedidaktik wurde uns von der Dozentin vermittelt, welch große Bedeutung der Austausch über die mathematischen Inhalte und Lösungsstrategien für das Lernen hat. Wichtig ist dabei, dass eine Lehrperson dabei ist und den Austausch moderiert und mit gezielten Fragen weiterführt. Ein Austausch ist durchaus in einer heterogenen Gruppe möglich, so dass alle profitieren. Ab einem gewissen Grad der kognitiven Unterschiede, ist es aber meiner Meinung nach kaum möglich, allen Kindern gerecht zu werden. Ich sehe eine Gefahr darin, dass das freie Lernen als die einzig wahre Lernmethode angesehen wird und dadurch der Austausch zu kurz kommt und die Kinder viel allein mit mehr oder weniger geeignetem Material arbeiten. Für mich schlussfolgere ich, dass ich mich weiter mit dem selbstorganisierten Lernen in Theorie und Praxis beschäftigen möchte und zwar ergebnisoffen.
  2. Vor meinem Studium habe ich 2 Jahre als persönliche Assistentin eines hörbeeinträchtigten Jungen in einer Grundschulklasse gearbeitet. Der Junge hatte dadurch die Chance die Grundschule in seinem Stadtteil zu besuchen. Auch wenn meine Stelle an seinen diagnostizierten Förderbedarf gebunden war, fiel dies im Schulalltag nicht weiter auf. Ich habe die Klasse jeden Tag von der ersten bis zur letzten Stunde begleitet und war für alle Kinder eine wichtige Bezugsperson. Auch konnte ich den LehrerInnen jeweils genau Rückmeldungen darüber geben, wenn etwas Besonderes vorgefallen war (Streitigkeiten, Unfälle, andere Vorkommnisse). Dieser „Luxus“ eine konstante Bezugsperson zu haben, war für die Klasse ein großer Gewinn, weil die Kinder immer eine Ansprechpartnerin und Vertrauensperson in der Nähe hatten und viele Probleme direkt im Ansatz bearbeitet werden konnten. Auch wenn ich es nicht direkt auf den Plakaten gefunden habe, weiß ich, dass es Schulen gibt, die mit festen Begleitern (oft ErzieherInnen) arbeiten. Dies finde ich für die Klassenatmosphäre und das soziale Lernen sehr sinnvoll und gewinnbringend.
  3. „Ein kleines Ziel zur Reduktion von Barrieren“ – das klingt nach einer unlösbaren Aufgabe oder zumindest nach einer sehr schwierigen. Ich denke eine Reduktion von Barrieren ist kaum innerhalb einer Unterrichtseinheit zu schaffen. Es ist eine längerfristige Aufgabe für die es wichtig ist, die Kinder gut zu kennen, einschätzen zu können und ein Vertrauensverhältnis mit ihnen zu haben. Was mir wichtig wäre, ist ein sozial-emotionales Klima in der Klasse zu schaffen, in dem Abweichungen und Irrtümer willkommen sind, an denen dann gemeinsam gelernt werden kann. Solch ein Klima zu schaffen ist allerdings ein langer Prozess.

Mehrsprachigkeit als Ziel und als Ausgangspunkt schulischer Bildung in der Grundschule

  1. Während allgemeinsprachliche Kompetenzen relativ schnell erworben werden können (innerhalb von 6 Monaten), dauert der Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen mehrere Jahre. Ein Schüler, der erst seit 2 Jahren die Sprache lernt, befindet sich dementsprechend noch inmitten des Spracherwerbprozesses. Diesen Schüler aufgrund seiner noch unzureichenden sprachlichen Kompetenz von einer höheren Bildung auszuschließen, wäre meiner Meinung nach fatal, da ihm somit auch der Zugang zur Bildungssprache verwehrt würde. Wenn das Kollegium seine übrigen Leistungen so einschätzt, dass er den Anforderungen an einem Gymnasium gewachsen ist, sollte er ihn jedem Fall eine Gymnasialempfehlung erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass er dort auf sprachsensible LehrerInnen trifft, die ihn beim Erwerb der Bildungssprache weiterhin unterstützen und diese nicht als gegeben voraussetzen.
  2. In der Schulklasse, in der ich gearbeitet habe, wurde Mehrsprachigkeit nicht thematisiert. Während der Zeit, in der ich in einer Bibliothek gearbeitet habe, bin ich auf ein interessantes Projekt gestoßen. „Lilo Lausch fördert eine wertschätzende Zuhörkultur in Bildungseinrichtungen und Familien, die Vielfalt als Chance versteht. Jedes Kind soll sich mit seiner Sprache und Kultur willkommen fühlen und gerechte Bildungschancen erhalten.“ (http://www.lilolausch.de/konzept/) Das Projekt setzt bereits in Kindergarten bzw. Krippe ein. Es findet eine intensive Beschäftigung zunächst mit Geräuschen und dann mit Sprache statt. Die unterschiedlichen Muttersprachen der Kinder werden positiv einbezogen, in dem beispielsweise die Eltern die Kindergartengruppe besuchen und den Kindern Lieder, Gedichte oder Geschichten in ihrer Muttersprache mitbringen. Hier können die Kinder die Vielfalt von Sprachen, den besonderen Klang und die biographische und emotionale Seite von Sprache erleben. Ich finde dies einen sehr schönen und positiven Ansatz.
  3. Mein Ziel ist es, einen wertschätzenden Umgang mit den Mehrsprachigkeiten der Kinder zu finden und diese miteinzubeziehen. Als große Herausforderung empfinde ich es, alle Kinder, mit ihren unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen, dabei zu unterstützen, die Registerdifferenzierung in der Sprachentwicklung zu durchlaufen.
  4. Da die Mehrsprachigkeit in der Schule wie in der Gesellschaft ein Fakt ist, ist es wichtig in der Schule mit diesem Bewusstsein zu arbeiten. Es sollte Zeit und Raum sein, um sich mit Sprachen auseinander zu setzen, und alle Kinder zu befähigen, die Bildungssprache zu erlernen. Sehr wichtig finde ich es, alle Sprachen, die Kinder und Familien sprechen als Ressourcen zu verstehen. Ebenfalls wichtig finde ich es, dass auch LehrerInnen mit anderen Muttersprachen in der Schule vertreten sind.

Sprache und Mathematik

1. Das Projekt Enter lässt sich meiner Meinung nach relativ gut auf den schulischen Kontext insbesondere die erste Klassenstufe übertragen. Zu Beginn der Schulzeit ist der Zugang zu den Lerninhalten ohnehin noch spielerisch, ebenso sollte zu Schulbeginn ein Schwerpunkt auf der sprachlichen Förderung liegen, da dies die Grundlage für alle Lerninhalte bildet. Die Sprachförderung sollte fächerübergreifend stattfinden und eine Beschäftigung mit Bilderbüchern erscheint hierfür sehr sinnvoll insbesondere um sprachliche und Erzählfähigkeiten zu verbessern.

Probleme sehe ich darin, dass in einer Schulklasse die sprachlichen Fähigkeiten sehr unterschiedlich sind. Hier muss ein Weg gefunden werden, den unterschiedlichen Kenntnissen angemessen zu begegnen und diese eher auszugleichen als zu vertiefen. Vor diesem Problem stehe ich (leider) noch ratlos.

Ebenfalls sehe ich Probleme bei der Einbeziehung der Eltern, da in der Schule der Kontakt zu den Eltern gewöhnlich wesentlich weniger eng ist als im Kindergarten. Hier eine gelingende Kooperation aufzubauen halte ich für schwieriger.

2. Im Vortrag von Frau Dr. Bönig wurde zwischen der kommunikativen und der kognitiven Funktion von Sprache unterschieden. Demnach hilft uns die Sprache in ihrer kommunikativen Funktion dabei, uns über Inhalte auszutauschen, in ihrer kognitiven Funktion ist sie sozusagen verbalisiertes (in diesem Fall mathematisches) Denken. Im ersten Fall hat Sprache somit eine Metafunktion, im zweiten ist sie direktes Werkzeug.

In Bezug auf den Mathematikunterricht finde ich die Unterscheidung nicht einfach. In der Mathematikdidaktik wird ein sehr Kommunikations-orientierter Mathematik-Unterricht gelehrt. Hier wird Sprache sowohl für den Austausch genutzt, als auch dafür Denkprozesse nachvollziehbar zu machen und „gemeinsam zu denken“.

3. Für den Mathematikunterricht wären meine Fragen:

In welchem Umfang findet ein sprachlicher Austausch über Problemstellungen und Lösungsstrategien im Mathematikunterricht statt? Inwieweit können Kinder mit sprachlichen Schwierigkeiten dem folgen und davon profitieren? Wenn Fehler oder Schwierigkeiten auftreten, stellt sich die Frage, ob die Ursache im sprachlichen oder inhaltlichen Verständnis liegt.

Intelligenz versus Vorwissen

Nach Ausubel (1968) ist das Vorwissen ein entscheidenderer Faktor für den Lernerfolg als die Intelligenz. Dies wurde auch in einer Studie von Schneider, Körkel und Weinert (1989) nachgewiesen. Dafür wurde bei Kindern der 3., 5. Und 7. Klasse zum einen allgemein die Intelligenz gemessen (der IQ), zum anderen ihr spezielles Vorwissen in Bezug auf Fußball. Dann wurde den Kindern die Aufgabe gestellt, eine Geschichte, die von Fußball handelt und Auslassungen und Wiedersprüche enthält, nachzuerzählen. Bei der Auswertung zeigte sich, dass jeweils die Kinder mit einem hohen Vorwissen ein besseres Ergebnis erzielten relativ unabhängig von ihrem IQ. Ein hoher IQ konnte das mangelnde Vorwissen nicht ausgleichen.

Die wichtige Bedeutung des Vorwissens war mir in diesem Umfang nicht bewusst. Wenn dieser Zusammenhang bei den Lehrenden nicht bekannt ist, besteht die Gefahr, dass mangelndes Vorwissen mit geringerer Intelligenz verwechselt wird. Somit würden Kinder, aus einem bildungsfernen Elternhaus, in dem wenig Anregungen gegeben werden, deutlich benachteiligt. Es stellt sich die große Frage, wie ein geringeres Vorwissen ausgeglichen werden kann.

Die Bedeutung des Vorwissens hat in verschiedenen Unterrichtsfächern eine unterschiedliche Relevanz. Während insbesondere im Sachunterricht und im Deutschunterricht Kinder aus einem anregungsreichen Elternhaus einen großen Vorteil besitzen, ist vermutlich der Kenntnisstand in Mathematik weniger unterschiedlich, da mathematische Themen weniger im Familien-Alltag thematisiert werden.

Die große Herausforderung besteht meiner Meinung nach darin, den unterschiedlichen Stand des Vorwissens in einer Klasse zu erfassen und ihn auszugleichen und individuell am Kenntnisstand der einzelnen Kinder anzusetzen. Ich denke, das Vorwissen einzelner Kinder lässt sich gut für die Klasse nutzen, dennoch werden sich die unterschiedlichen Intensitäten von Anregungen im Elternhaus nicht ausgleichen lassen.

Wichtig erscheint mir, dennoch einen offenen Blick auf die Kinder zu haben und den Stand des Vorwissens einzubeziehen, wenn ihre Ergebnisse betrachtet werden. Eine tröstliche Erkenntnis der Sitzung war für mich, dass Schule ein gutes Intelligenzförderprogramm ist. Offen bleibt für mich die Frage, was genau Intelligenz ist und wie sie genau erfasst werden kann. Bei den Beispielen der Intelligenztests erschien mir jeweils auch Vorwissen nötig zu sein. Dementsprechend ließe sich Vorwissen und Intelligenz kaum voneinander getrennt messen. Ich denke, dass Intelligenz deutlich facettenreicher und komplexer ist, als es in vielen Studien operationalisiert wird.

Soziokulturelle Heterogenität

Während meines ersten Studiums der Pädagogik an der Universität Oldenburg habe ich mit anderen Studierenden ein Projekt zur politischen Bildung für Grundschulkinder mit den Schwerpunktthemen Migration, Flucht, personaler und struktureller Rassismus entwickelt. Angelehnt an das Projekt des DGB „für Demokratie Courage zeigen“ entstand so das Projekt „courage for kids“. Da es in diesem Bereich wenig Material gab, haben wir eine eigene Geschichte geschrieben, in der ein Mädchen einen geflüchteten Jungen kennenlernt und durch ihn mit den genannten Themenfeldern in Berührung kommt. Mit verschiedenen Methoden wie Rollenspielen, Standbildern, Inputs, Filmen, etc. wurden die einzelnen Themen bearbeitet und vertieft. Die Erfahrungen in der praktischen Umsetzung waren dabei zwiespältig. Die Kinder haben die Themen sehr interessiert, aber ich hatte teilweise den Eindruck, dass durch unsere Themensetzung überhaupt erst ein Bewusstsein für Unterschiede entstanden ist. So ist den Kindern nun aufgefallen, wer „Nicht-Deutsch“ aussieht. Es kam auch zu Missverständnissen, alle Migration sei Flucht. Ich denke, dass gerade in der Grundschule die Kinder sich der soziokulturellen Unterschiede nicht so bewusst sind, auch wenn sie natürlich schon eine Rolle spielen. Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, diese bereits konkret zu thematisieren und ob dadurch nicht überhaupt erst Stigmatisierungen entstehen können.

Ebenfalls habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kinder gut und schnell darin sind, die Erwartungshaltung von Erwachsenen zu bedienen. Ähnlich wie in Sozialtrainings können sie Kinder in Gesprächen sehr gut benennen, wie sich beispielsweise Ausgrenzung anfühlt und wie man diese verhindern kann. Das tatsächliche Alltagshandeln sieht aber meist ganz anders aus.

Das Projekt „courage for kids“ würde ich klar der Antirassistischen Pädagogik zuordnen. Ein Schwerpunkt war ganz deutlich ein Bewusstwerden über Diskriminierung auf individueller und struktureller Ebene sowie ein Nachdenken über Gegenmaßnahmen.

Ich denke, dass es für die Kinder schon ein Denkanstoß war, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob es im Grundschulalter schon sinnvoll ist, so vertiefend zu diesen Themen zu arbeiten, da die Gefahr besteht, dass Unterschiede erst bewusst gemacht werden. Insgesamt halte ich zeitlich begrenzte Trainings für nicht sehr sinnvoll und nachhaltig, wenn die Themen nicht weiterhin in den Alltag einfließen. Die größte Bedeutung und den größten Einfluss hat meiner Meinung nach die Haltung der Lehrenden und die Thematisierung von Rassismen und Ausgrenzungen in dem Moment, in dem sie entstehen.

Für weitere Praxisphasen wäre dies mein Ansatz: wo und wie thematisieren Lehrende rassistische Äußerungen. Inwieweit denken und äußern sie sich selbst in Stereotypen und wie gehe ich damit um? Mein Ideal würde letztlich dem Ansatz der Diversity Education entsprechen: die Beziehungen und das Gruppengefühl zu stärken, indem Gemeinsamkeiten betont werden, aber auch ein Austausch auch über individuelle Unterschiede ohne negative Fokussierung. Wie genau dies zu erreichen ist, dafür muss ich noch Antworten suchen.

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