Umgang mit Heterogenität Blogs und Kommentare

16. Mai 2024

RV06: Schule ganz anders oder einfach gut?

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Leena @ 11:31

Ich habe das Video von Carina Kühne mit dem Titel „Schulzeit“ ausgesucht (Schulzeit – Carina Kühne). Da ich mir nur bedingt vorstellen kann, wie das Leben sein könnte mit Trisomie 21, lag es mir am Herzen, hören zu können, wie es für jemanden mit Trisomie 21 ist, die Schule zu besuchen, wie eben Carina Kühne. 

1. Welche theoretischen Hinweise aus der Vorlesung passen zu den Inhalten des Videos (oder sind widersprüchlich)?

Beim Hören von Carina Kühnes Erfahrungen bei der Ausbildungssuche erinnerte ich mich an die UN-Behindertenrechtskonvention. Insbesondere an Artikel 24, welcher festlegt, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf Bildung haben, ohne Diskriminierung und mit Chancengleichheit. Dies umfasst ein integratives Bildungssystem, das darauf abzielt, die individuellen Fähigkeiten und die Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern. Die Staaten müssen sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen nicht vom Bildungssystem ausgeschlossen werden, sondern Zugang zu hochwertigem Unterricht haben und angemessene Unterstützung erhalten. Darüber hinaus müssen sie lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen erwerben können. Das erfordert Maßnahmen wie die Schulung von Lehrkräften und die Bereitstellung geeigneter Ressourcen für die Bildung von Menschen mit Behinderungen, einschließlich individuell angepasster Unterstützungsmaßnahmen (UN-Behindertenrechtskonvention, Artikel 24).

Vergleicht man die achte Folie der RV06, welche darauf abzielt, dass es um nicht mehr und nicht weniger als gute Schule geht (vgl. RV06, Folie 8) und man durch die generelle Differenzierungsnotwendigkeit inklusiv Unterrichten muss, lässt sich eine Widersprüchlichkeit zu der Einstellung von Carinas Lehrerin erkennen. Diese hingegen scheint Carina gar nicht als eine weitere, normale Schülerin zu sehen, bei der auch differenziert werden muss, sondern schreibt Carina von vorn hinein direkt ab. Die Lehrerin von Carina hatte anscheinend kein Interesse an einem Dialog über ungleiche Wege (Seitz, 2006).

2. Welche eigenen Praxiserfahrungen sind Ihnen zum Thema des Videos in den Sinn? Es können konträre oder vergleichbare Aspekte sein.

Die Beschreibung von Carina Kühne über das schwierige Verhältnis zwischen Sonderpädagogin und Klassenlehrerin erinnerte mich an meine eigene Schulzeit, sowohl an die Grundschulzeit als auch an die Zeit an der weiterführenden Schule. Obwohl das Verhältnis nicht so schlecht war wie beschrieben, gab es dennoch eine klare Hierarchie, die einer echten Teamarbeit nicht entsprach. Zudem kam mir die Situation einer vorgeschlagenen Überweisung auf eine Sonderschule bekannt vor, da ich mitbekommen hatte, wie eine frühere Mitschülerin dazu angeraten wurde. Es ist problematisch, Kinder mit Trisomie 21 ohne konkreten Grund an eine Sonderschule zu überweisen, weil dies ihre Integration und Teilhabe am allgemeinen Bildungssystem behindern kann. Indem sie frühzeitig von regulären Schulen ausgeschlossen werden, könnten sie nicht die gleichen Bildungschancen und sozialen Interaktionsmöglichkeiten erhalten wie ihre Altersgenossen ohne Behinderungen. Dies wiederum könnte zu einer sozialen Isolation führen und die Entwicklung ihrer Fähigkeiten und ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Stattdessen sollten Schüler mit Trisomie 21 die Möglichkeit haben, in inklusiven Umgebungen zu lernen, die ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigen und ihnen die bestmögliche Unterstützung bieten, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Des Weiteren sollte auch nicht partout davon ausgegangen werden, dass Schüler:innen mit Trisomie 21 schlechter Leistungen erbringen und meistens unterschätzt werden. Bei Carina geschah dies leider, wie sie schilderte, trotzdem hat sie nicht nachgelassen und hatte am Ende in ihrem Lieblingsfach Englisch eine Eins, obwohl zuvor hinterfragt worden ist, ob sie denn überhaupt Englisch lernen könnte. Was ich des Öfteren auch gehört habe, was sich aber nicht als eigene Praxiserfahrung betiteln lässt ist, dass es auch Lehrkräfte gibt, die nach wie vor mit einer Pseudo-Inklusivität unterrichten, was äußerst traurig und verwerflich ist.

Carina berichtet darüber, dass sie mit ihren Mitschüler:innen eigentlich immer gut ausgekommen ist und die Barriere nur durch die Lehrer-Schüler-Beziehung zustande kam. Aus eigener Erfahrung kann ich für mich sagen, dass wenn die Lehrer:innen aufgeschlossen und normal mit den Schüler:innen mit Trisomie 21 umgegangen sind, das Lernen und Lehren automatisch besser funktioniert hat.

3. Welche Fragen an ihre (zukünftige) Praxis ergeben sich aus dem Video? Fokussieren Sie auf sich als Lehrperson.

Eine Frage, die wahrscheinlich rhetorischen Charakters ist, lautet: “gibt es immer noch Lehrpersonen, die Kinder mit Behinderungen nicht inkludieren möchten und aktiv versuchen, sie davon abzuhalten, dasselbe zu lernen?“. Falls ja, wie gehe ich am besten mit solchen Personen um? Des Weiteren frage ich mich nicht nur, wie ich mit solchen Lehrer:innen umgehen soll, sondern auch wie ich mit Eltern umgehen soll, die die Bildung ihrer eigenen Kinder beispielsweise gefährdet sehen, weil Kinder mit Trisomie 21 oder anderen Förderbedürfnissen, normal (wie es sein sollte) integriert werden. 

 

Zusatz: Welche (An)Forderungen an schulische Inklusion und inklusiven Unterricht in Bremen ergeben sich aus dem  Video?  Fokussieren auf Strukturen und Praktiken (nicht Ressourcen).

Eine verbesserte Teamarbeit zwischen Sonderpädagog*innen und anderen Lehrkräften ist entscheidend. Eine Begegnung auf Augenhöhe und klare Rollenverteilung können dazu beitragen, Konflikte zu minimieren. Es ist wichtig, dass Schüler mit Förderbedarf weder über- noch unterfordert werden. Allgemein können sich die Anforderungen an schulische Inklusion und inklusiven Unterricht in Bremen aber auch auf die Notwendigkeit von Schulungen und Ressourcen für Lehrkräfte konzentrieren, um sie dabei zu unterstützen, effektive, inklusive Praktiken zu entwickeln und umzusetzen. Strukturelle Veränderungen, wie die Schaffung unterstützender Schulnetzwerke oder die Integration von Inklusionsbeauftragten in Schulen, könnten ebenfalls erforderlich sein, um eine erfolgreiche Inklusion gewährleisten zu können.

 

Quellen:

Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. “UN-Behindertenrechtskonvention”, November 2018. URL: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/PDF/DB_Menschenrechtsschutz/CRPD/CRPD_Konvention_und_Fakultativprotokoll.pdf, letzter Zugriff: 16.05.2024, 10:35.

 

Seitz, Simone. “Inklusive Didaktik: Die Frage nach dem Kern der Sache”. 01/2006. URL: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/184/184, letzter Zugriff: 16.05.21, 11:19.

 

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment

Powered by WordPress

Zur Werkzeugleiste springen