- Benennen und erläutern Sie kurz drei für Sie zentrale Erkenntnisse aus dem heutigen Termin.
Die Erkenntnisse, die ich heute gewonnen habe, sind natürlich nicht ganz neu für mich, aber dennoch von großer Bedeutung und sind es Wert, immer wieder betont zu werden und dadurch im Bewusstsein verankert zu werden.
Eine wichtiger Leitgedanke ist, dass Inklusion nicht nur eine didaktische, sondern auch eine pädagogisch-erzieherische und schulstrukturelle Herausforderung darstellt (vgl. RV07, Folie 2). Für Veränderung und Erfolg bedeutet es, dass Inklusion langfristig im gesamten Schulalltag und in die Schulkultur integriert werden muss, um soziale Ungleichheiten zu thematisieren und zu verringern (Beck 22ff.).
Ein weiteres zentrales Konzept ist die Bedeutung der Differenzierung und Individualisierung im Unterricht (vgl. RV07, Folie 8). Dazu zählen sowohl die Selbstdifferenzierung als auch die innere Differenzierung, um den vielfältigen Bedürfnissen der Schüler*innen gerecht werden zu können. Ziel ist es (oder sollte es sein), alle Schüler*innen entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten und persönlichen Interessen zu fördern und zu fordern (Beck 28).
Nicht zuletzt ist ein dritter und wichtiger Punkt die Rolle der Partizipation im inklusiven Unterricht. Die Schüler*innen sollten die Möglichkeit haben, aktiv in die Gestaltung ihres Lernprozesses eingebunden zu werden, um ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu erweitern und ihre Mitbestimmungsrechte zu stärken. In der Folge wird nicht nur das Lernen, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit und persönlichen Anerkennung im Klassenverband gefördert. Dies kann beispielsweise auch durch die Mitgestaltung des Klassenraums erreicht werden (vgl. RV07, Folie 4).
- Diskutieren Sie einen heute vorgestellten Aspekt guten (inklusiven Literatur-) Unterrichts anhand eines positiven oder negativen Beispiels aus Ihren Praktika. Wenn Sie ein negatives Beispiel wählen: Machen Sie einen kurzen Verbesserungsvorschlag.
Positiv Beispiel:
Während meines Praktikums habe ich gesehen, wie eine Lehrerin Differenzierung und Individualisierung erfolgreich im Literaturunterricht umgesetzt hat. Dies geschah durch Einsatz verschiedener Lektüren, welche auf unterschiedliche Lesestufen und Interessen der Schüler*innen abgestimmt waren. Daraus ergeben sich für mich ein paar konkretisierte Punkte, die beschreiben was ich gut fand:
- Allerlei Materialien: Es wurden Bücher und Geschichten bereitgestellt, die sowohl für fortgeschrittene Leser*innen als auch für schwächere Leser*innen geeignet waren.
- Weitgehend individualisierte Aufgaben: Die Schüler*innen bekamen Aufgaben, welche darauf ausgelegt waren, mehr ihren Fähigkeiten zu entsprechen. Dadurch ergab sich beispielsweise, dass stärkere Leser*innen tiefere Analysen der Charaktere machen durften, während schwächere Leser*innen einfache Fragen zum Text beantworten konnten.
- Flexible Gruppenarbeit: Die Schüler*innen arbeiteten vereinzelte Male in wechselnden Gruppen, die anstatt nach Leistungsniveau anhand von Leseinteressen geformt wurden. Sowas fördert generell die soziale Integration und ermöglichte es den Schüler*innen, voneinander zu lernen und ihnen auch etwas Beteiligung an der Strukturierung zu ermöglichen.
Ich konnte dadurch ableiten, dass ein solch strukturierter Unterricht dazu führen kann, dass Schüler*innen eine höhere Motivation und Beteiligung im Unterricht zeigen. Es ist davon auszugehen, dass sie sich individuell gefördert fühlten, und dadurch vielleicht auch gesehener, gleichzeitig aber auch als Teil einer Gemeinschaft wahrgenommen wurden. Diese Methode schien zu helfen, die Freude am Lesen zu steigern, wodurch sich langfristig auch das Leseverständnis verbessern sollte, da das Interesse, überhaupt mit und an Literatur zu arbeiten, steigt.
Negativbeispiel aus der eigenen Schulzeit und Verbesserungsvorschlag:
Während meiner eigenen Schulzeit erlebte ich keine wirkliche Umsetzung von Differenzierung und Individualisierung. Dort war es üblich, dass die Lehrkraft eine einzige Lektüre für die gesamte Klasse benutzte, ohne auf die unterschiedlichen Lesefähigkeiten und Interessen von uns Schüler*innen einzugehen.
Wie im Positiven Beispiel oben, kann ich meine Mängel konkretisiert darstellen:
- Einheitliche Materialien: Alle Schüler*innen mussten dasselbe Buch lesen, was folglich die einen über- und andere unterforderte.
- Gleiche Aufgaben: Die Aufgaben waren für uns Schüler:innen identisch, wodurch einige Schüler:innen sie recht schnell erledigten und sich langweilten oder Quatsch machten, während andere Schwierigkeiten hatten, überhaupt anzufangen.
- Mangelnde Unterstützung: Es gab zu wenig individuelle Unterstützung oder Anpassung der Aufgaben an die Bedürfnisse der einzelnen Schüler*innen.
Um diesen Unterricht zu verbessern, würde ich vorschlagen, sich unter anderem an dem positiven Beispiel von oben zu orientieren. Daraus ergeben sich folgende Vorschläge:
1) Vielfältige Lektüren anbieten: Unterschiedliche Bücher oder Texte mitbringen und anbieten, welche auf verschiedenen Niveaus und Interessen basieren.
2) Individualisierte Aufgaben entwickeln: Aufgaben erstellen, die angepasst an die Lesefähigkeiten und Interessen der Schüler*innen sind, wie kreative Schreibaufgaben für stärkere Leserinnen und einfache Verständnisfragen für schwächere Leser*innen.
3) Flexible Gruppenarbeit fördern: Gruppenarbeiten organisieren oder anbieten, die den Austausch miteinander und das gegenseitige Lernen fördern. Die Gruppen sollten nach Interessen und nicht nach Leistungsniveau gebildet werden, so können nämlich die Schüler*innen auch voneinander lernen.
4) Gezielte Unterstützung bieten: Individuelle Unterstützung durch gezielte Hilfestellungen und differenzierte Aufgabenstellungen bieten, um allen Schüler*innen gerecht zu werden. Demnach ist es gut, sich mit den Aufgabenspezifischen Elementen (Lenkungsgrad, Aufgabenformat, Schwierigkeitsgrad, Formulierung) und den Ansatzpunkten der Differenzierung (durch Gegenstände, Identitätsorientierung, Kompetenzziele, Aufgaben) (vgl. RV07, Folie 11ff.) zu befassen, um dies zu ermöglichen.
- Welche Rolle sehen Sie für sich im inklusiven Deutschunterricht und was wünschen Sie sich von den zukünftigen IP-Kolleg*innen?
Meine Rolle im inklusiven Deutschunterricht:
1) Bedürfnisorientierte Lehrerin
Als Lehrerin sehe ich meine Rolle darin, den Unterricht so zu gestalten, dass er den individuellen Bedürfnissen aller Schüler*innen gerecht wird. Das bedeutet, dass ich kontinuierlich die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, Interessen und Potenziale meiner Schülerinnen berücksichtige und meinen Unterricht darauf abstimme. Ich möchte eine Umgebung schaffen, in der alle Schüler*innen die Möglichkeit haben, sich bestmöglich zu entwickeln und sich wertgeschätzt zu fühlen.
2) Lernende Lehrerin
Ich bin bereit, mich selbst als Lernende zu sehen, welche stets offen für neue Erkenntnisse und Methoden ist. Inklusion erfordert ständige Reflexion und Anpassung. Deshalb würde ich gerne in der Zukunft regelmäßig Fortbildungen besuchen, mich mit neuen pädagogischen Ansätzen auseinandersetzen und den Austausch mit Kolleg*innen suchen. Durch Feedback von sowohl Schüler*innen als auch Kolleg*innen möchte ich kontinuierlich an meiner Praxis arbeiten und mich weiterentwickeln.
3) Fördern und fordern
Eine zentrale Aufgabe sehe ich darin, Schüler*innen sowohl zu fördern als auch zu fordern. Ich möchte Differenzierungsstrategien anwenden, um alle Lernenden entsprechend ihren Fähigkeiten zu unterstützen und zu motivieren. Dabei soll auch die Förderung sozialer Kompetenzen und das Lernen in der Gemeinschaft im Vordergrund stehen.
4) Unterstützende Begleiterin
Ich möchte meine Schüler*innen nicht nur unterrichten, sondern sie auf ihrem Lernweg begleiten und unterstützen. Das bedeutet, ein offenes Ohr für ihre Anliegen zu haben, sie in ihren Stärken zu stärken und bei Herausforderungen gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dabei ist mir wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu meinen Schüler*innen aufzubauen.
Mir ist bewusst, dass es nicht leicht umsetzbar sein wird, alles so zu realisieren, wie ich es mir vorstelle, und dass dies eine große Herausforderung darstellt. Dennoch möchte ich es versuchen, weil ich selbst gerne so eine Lehrkraft gehabt hätte. Ich hoffe, an diesen Herausforderungen wachsen und aufblühen zu können, auch wenn das bedeutet, dass ich hin und wieder verzweifeln werde.
Wünsche an die zukünftigen Inklusive Pädagogik Kolleg*innen:
1) Offene und kooperative Zusammenarbeit
Ich wünsche mir Kolleg*innen, die offen für eine kooperative und konstruktive Zusammenarbeit sind. Der regelmäßige Austausch von Erfahrungen und Ideen ist entscheidend für die Weiterentwicklung eines inklusiven Unterrichts. Gemeinsame Planungen und Reflexionen helfen dabei, die besten Strategien für unsere Schüler*innen zu entwickeln.
2) Engagement und Innovationsbereitschaft
Ich hoffe auf Kolleg*innen, die gerne auch engagiert und innovationsbereit sein wollen. Die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, kreative Lösungen zu finden und sich kontinuierlich weiterzubilden, ist zwar herausfordernd, aber essenziell für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht.
3) Unterstützung und Solidarität
Ein inklusiver Unterricht stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Daher wünsche ich mir ein Kollegium, das sich gegenseitig unterstützt und solidarisch miteinander umgeht. Das umfasst beidseitig sowohl fachliche Unterstützung als auch die Bereitschaft, sich gegenseitig zu entlasten und zu helfen, wenn es notwendig ist.
4) Reflexionsfähigkeit
Ich wünsche mir Kolleg*innen, die bereit sind, ihre Praxis kontinuierlich zu reflektieren und aus Feedback zu lernen. Die Fähigkeit zur Selbstkritik und der Wunsch, sich stets zu verbessern, sind wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung eines inklusiven Unterrichts.
Sowohl die Erwartungen an mich, wie auch die an meine zukünftige Kolleg*innen, lassen sich gut vereinbaren mit dem Profil für inklusive Lehrkräfte von der Europäischen Agentur für Sonderpädagogische Förderung und Inklusive Bildung. Verkürzt wurde das Profil um folgende Kompetenzen und Werten umfasst: “Wertschätzung der Diversität der Lernenden”, “Unterstützung aller Lernenden”, “Mit anderen zusammenarbeiten” und “Persönliche berufliche Weiterentwicklung” (Ein Profil für inklusive Lehrerinnen und Lehrer, S.10f.). Für mich sind dies Verhaltensweisen, welche man sich allgemein von Kolleg*innen und auch Mitmenschen wünscht. Ich bin überzeugt, dass man sinngemäß auch nur das zurückbekommt, was man selbst gibt. Deshalb kann ich von anderen nicht erwarten zu bekommen, was ich selbst nicht bereit wäre, in diese Richtung zu geben. Funktioniert aber eine solche Zusammenarbeit könnten wir gemeinsam eine inklusive Schulkultur schaffen, in der alle Schüler*innen die bestmöglichen Chancen auf Bildung und persönliche Entwicklung haben.
Quellen:
Beck, Charlotte. et al. Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK): “Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik”, 3. erweiterte Auflage, Bonn. URL: Inklusion: Leitlinien [letzter Zugriff: 28.05.24, 15:34]
Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung (2012): Ein Profil für inklusive Lehrerinnen und Lehrer. Odense, Dänemark. URL: Profil für Inklusive Lehrerinnen und Lehrer [letzter Zugriff: 28.05.24, 15:30]