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28. Mai 2024

RV07: Inklusiver Deutschunterricht als ganz normale Herausforderung

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Leena @ 15:51
  1. Benennen und erläutern Sie kurz drei für Sie zentrale Erkenntnisse aus dem heutigen Termin.

Die Erkenntnisse, die ich heute gewonnen habe, sind natürlich nicht ganz neu für mich, aber dennoch von großer Bedeutung und sind es Wert, immer wieder betont zu werden und dadurch im Bewusstsein verankert zu werden.

Eine wichtiger Leitgedanke ist, dass Inklusion nicht nur eine didaktische, sondern auch eine pädagogisch-erzieherische und schulstrukturelle Herausforderung darstellt (vgl. RV07, Folie 2). Für Veränderung und Erfolg bedeutet es, dass Inklusion langfristig im gesamten Schulalltag und in die Schulkultur integriert werden muss, um soziale Ungleichheiten zu thematisieren und zu verringern (Beck 22ff.).

Ein weiteres zentrales Konzept ist die Bedeutung der Differenzierung und Individualisierung im Unterricht (vgl. RV07, Folie 8). Dazu zählen sowohl die Selbstdifferenzierung als auch die innere Differenzierung, um den vielfältigen Bedürfnissen der Schüler*innen gerecht werden zu können. Ziel ist es (oder sollte es sein), alle Schüler*innen entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten und persönlichen Interessen zu fördern und zu fordern (Beck 28).

Nicht zuletzt ist ein dritter und wichtiger Punkt die Rolle der Partizipation im inklusiven Unterricht. Die Schüler*innen sollten die Möglichkeit haben, aktiv in die Gestaltung ihres Lernprozesses eingebunden zu werden, um ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu erweitern und ihre Mitbestimmungsrechte zu stärken. In der Folge wird nicht nur das Lernen, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit und persönlichen Anerkennung im Klassenverband gefördert. Dies kann beispielsweise auch durch die Mitgestaltung des Klassenraums erreicht werden (vgl. RV07, Folie 4).

 

  1. Diskutieren Sie einen heute vorgestellten Aspekt guten (inklusiven Literatur-) Unterrichts anhand eines positiven oder negativen Beispiels aus Ihren Praktika. Wenn Sie ein negatives Beispiel wählen: Machen Sie einen kurzen Verbesserungsvorschlag.

Positiv Beispiel:

Während meines Praktikums habe ich gesehen, wie eine Lehrerin Differenzierung und Individualisierung erfolgreich im Literaturunterricht umgesetzt hat. Dies geschah durch Einsatz verschiedener Lektüren, welche auf unterschiedliche Lesestufen und Interessen der Schüler*innen abgestimmt waren. Daraus ergeben sich für mich ein paar konkretisierte Punkte, die beschreiben was ich gut fand:

  • Allerlei Materialien: Es wurden Bücher und Geschichten bereitgestellt, die sowohl für fortgeschrittene Leser*innen als auch für schwächere Leser*innen geeignet waren.
  • Weitgehend individualisierte Aufgaben: Die Schüler*innen bekamen Aufgaben, welche darauf ausgelegt waren, mehr ihren Fähigkeiten zu entsprechen. Dadurch ergab sich beispielsweise, dass stärkere Leser*innen tiefere Analysen der Charaktere machen durften, während schwächere Leser*innen einfache Fragen zum Text beantworten konnten.
  • Flexible Gruppenarbeit: Die Schüler*innen arbeiteten vereinzelte Male in wechselnden Gruppen, die anstatt nach Leistungsniveau anhand von Leseinteressen geformt wurden. Sowas fördert generell die soziale Integration und ermöglichte es den Schüler*innen, voneinander zu lernen und ihnen auch etwas Beteiligung an der Strukturierung zu ermöglichen.

Ich konnte dadurch ableiten, dass ein solch strukturierter Unterricht dazu führen kann, dass Schüler*innen eine höhere Motivation und Beteiligung im Unterricht zeigen. Es ist davon auszugehen, dass sie sich individuell gefördert fühlten, und dadurch vielleicht auch gesehener, gleichzeitig aber auch als Teil einer Gemeinschaft wahrgenommen wurden. Diese Methode schien zu helfen, die Freude am Lesen zu steigern, wodurch sich langfristig auch das Leseverständnis verbessern sollte, da das Interesse, überhaupt mit und an Literatur zu arbeiten, steigt.

Negativbeispiel aus der eigenen Schulzeit und Verbesserungsvorschlag:

Während meiner eigenen Schulzeit erlebte ich keine wirkliche Umsetzung von Differenzierung und Individualisierung. Dort war es üblich, dass die Lehrkraft eine einzige Lektüre für die gesamte Klasse benutzte, ohne auf die unterschiedlichen Lesefähigkeiten und Interessen von uns Schüler*innen einzugehen. 

Wie im Positiven Beispiel oben, kann ich meine Mängel konkretisiert darstellen:

  • Einheitliche Materialien: Alle Schüler*innen mussten dasselbe Buch lesen, was folglich die einen über- und andere unterforderte.
  • Gleiche Aufgaben: Die Aufgaben waren für uns Schüler:innen identisch, wodurch einige Schüler:innen sie recht schnell erledigten und sich langweilten oder Quatsch machten, während andere Schwierigkeiten hatten, überhaupt anzufangen.
  • Mangelnde Unterstützung: Es gab zu wenig individuelle Unterstützung oder Anpassung der Aufgaben an die Bedürfnisse der einzelnen Schüler*innen.

Um diesen Unterricht zu verbessern, würde ich vorschlagen, sich unter anderem an dem positiven Beispiel von oben zu orientieren. Daraus ergeben sich folgende Vorschläge:

1) Vielfältige Lektüren anbieten: Unterschiedliche Bücher oder Texte mitbringen und anbieten, welche auf verschiedenen Niveaus und Interessen basieren.

2) Individualisierte Aufgaben entwickeln: Aufgaben erstellen, die angepasst an die Lesefähigkeiten und Interessen der Schüler*innen sind, wie kreative Schreibaufgaben für stärkere Leserinnen und einfache Verständnisfragen für schwächere Leser*innen.

3) Flexible Gruppenarbeit fördern: Gruppenarbeiten organisieren oder anbieten, die den Austausch miteinander und das gegenseitige Lernen fördern. Die Gruppen sollten nach Interessen und nicht nach Leistungsniveau gebildet werden, so können nämlich die Schüler*innen auch voneinander lernen.

4) Gezielte Unterstützung bieten: Individuelle Unterstützung durch gezielte Hilfestellungen und differenzierte Aufgabenstellungen bieten, um allen Schüler*innen gerecht zu werden. Demnach ist es gut, sich mit den Aufgabenspezifischen Elementen (Lenkungsgrad, Aufgabenformat, Schwierigkeitsgrad, Formulierung) und den Ansatzpunkten der Differenzierung (durch Gegenstände, Identitätsorientierung, Kompetenzziele, Aufgaben) (vgl. RV07, Folie 11ff.) zu befassen, um dies zu ermöglichen.

 

  1. Welche Rolle sehen Sie für sich im inklusiven Deutschunterricht und was wünschen Sie sich von den zukünftigen IP-Kolleg*innen?

Meine Rolle im inklusiven Deutschunterricht:

1) Bedürfnisorientierte Lehrerin

Als Lehrerin sehe ich meine Rolle darin, den Unterricht so zu gestalten, dass er den individuellen Bedürfnissen aller Schüler*innen gerecht wird. Das bedeutet, dass ich kontinuierlich die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, Interessen und Potenziale meiner Schülerinnen berücksichtige und meinen Unterricht darauf abstimme. Ich möchte eine Umgebung schaffen, in der alle Schüler*innen die Möglichkeit haben, sich bestmöglich zu entwickeln und sich wertgeschätzt zu fühlen.

2) Lernende Lehrerin

Ich bin bereit, mich selbst als Lernende zu sehen, welche stets offen für neue Erkenntnisse und Methoden ist. Inklusion erfordert ständige Reflexion und Anpassung. Deshalb würde ich gerne in der Zukunft regelmäßig Fortbildungen besuchen, mich mit neuen pädagogischen Ansätzen auseinandersetzen und den Austausch mit Kolleg*innen suchen. Durch Feedback von sowohl Schüler*innen als auch Kolleg*innen möchte ich kontinuierlich an meiner Praxis arbeiten und mich weiterentwickeln.

3) Fördern und fordern

Eine zentrale Aufgabe sehe ich darin, Schüler*innen sowohl zu fördern als auch zu fordern. Ich möchte Differenzierungsstrategien anwenden, um alle Lernenden entsprechend ihren Fähigkeiten zu unterstützen und zu motivieren. Dabei soll auch die Förderung sozialer Kompetenzen und das Lernen in der Gemeinschaft im Vordergrund stehen.

4) Unterstützende Begleiterin

Ich möchte meine Schüler*innen nicht nur unterrichten, sondern sie auf ihrem Lernweg begleiten und unterstützen. Das bedeutet, ein offenes Ohr für ihre Anliegen zu haben, sie in ihren Stärken zu stärken und bei Herausforderungen gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dabei ist mir wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu meinen Schüler*innen aufzubauen.

Mir ist bewusst, dass es nicht leicht umsetzbar sein wird, alles so zu realisieren, wie ich es mir vorstelle, und dass dies eine große Herausforderung darstellt. Dennoch möchte ich es versuchen, weil ich selbst gerne so eine Lehrkraft gehabt hätte. Ich hoffe, an diesen Herausforderungen wachsen und aufblühen zu können, auch wenn das bedeutet, dass ich hin und wieder verzweifeln werde.

 

Wünsche an die zukünftigen Inklusive Pädagogik Kolleg*innen:

1) Offene und kooperative Zusammenarbeit

Ich wünsche mir Kolleg*innen, die offen für eine kooperative und konstruktive Zusammenarbeit sind. Der regelmäßige Austausch von Erfahrungen und Ideen ist entscheidend für die Weiterentwicklung eines inklusiven Unterrichts. Gemeinsame Planungen und Reflexionen helfen dabei, die besten Strategien für unsere Schüler*innen zu entwickeln.

2) Engagement und Innovationsbereitschaft

Ich hoffe auf Kolleg*innen, die gerne auch engagiert und innovationsbereit sein wollen. Die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, kreative Lösungen zu finden und sich kontinuierlich weiterzubilden, ist zwar herausfordernd, aber essenziell für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht.

3) Unterstützung und Solidarität

Ein inklusiver Unterricht stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Daher wünsche ich mir ein Kollegium, das sich gegenseitig unterstützt und solidarisch miteinander umgeht. Das umfasst beidseitig sowohl fachliche Unterstützung als auch die Bereitschaft, sich gegenseitig zu entlasten und zu helfen, wenn es notwendig ist.

4) Reflexionsfähigkeit

Ich wünsche mir Kolleg*innen, die bereit sind, ihre Praxis kontinuierlich zu reflektieren und aus Feedback zu lernen. Die Fähigkeit zur Selbstkritik und der Wunsch, sich stets zu verbessern, sind wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung eines inklusiven Unterrichts.

 

Sowohl die Erwartungen an mich, wie auch die an meine zukünftige Kolleg*innen, lassen sich gut vereinbaren mit dem Profil für inklusive Lehrkräfte von der Europäischen Agentur für Sonderpädagogische Förderung und Inklusive Bildung. Verkürzt wurde das Profil um folgende Kompetenzen und Werten umfasst: “Wertschätzung der Diversität der Lernenden”, “Unterstützung aller Lernenden”, “Mit anderen zusammenarbeiten” und “Persönliche berufliche Weiterentwicklung” (Ein Profil für inklusive Lehrerinnen und Lehrer, S.10f.). Für mich sind dies Verhaltensweisen, welche man sich allgemein von Kolleg*innen und auch Mitmenschen wünscht. Ich bin überzeugt, dass man sinngemäß auch nur das zurückbekommt, was man selbst gibt. Deshalb kann ich von anderen nicht erwarten zu bekommen, was ich selbst nicht bereit wäre, in diese Richtung zu geben. Funktioniert aber eine solche Zusammenarbeit könnten wir gemeinsam eine inklusive Schulkultur schaffen, in der alle Schüler*innen die bestmöglichen Chancen auf Bildung und persönliche Entwicklung haben. 

 

Quellen: 

Beck, Charlotte. et al. Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK): “Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik”, 3. erweiterte Auflage, Bonn. URL: Inklusion: Leitlinien [letzter Zugriff: 28.05.24, 15:34] 

Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung (2012): Ein Profil für inklusive Lehrerinnen und Lehrer. Odense, Dänemark. URL: Profil für Inklusive Lehrerinnen und Lehrer [letzter Zugriff: 28.05.24, 15:30] 

16. Mai 2024

RV06: Schule ganz anders oder einfach gut?

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Leena @ 11:31

Ich habe das Video von Carina Kühne mit dem Titel „Schulzeit“ ausgesucht (Schulzeit – Carina Kühne). Da ich mir nur bedingt vorstellen kann, wie das Leben sein könnte mit Trisomie 21, lag es mir am Herzen, hören zu können, wie es für jemanden mit Trisomie 21 ist, die Schule zu besuchen, wie eben Carina Kühne. 

1. Welche theoretischen Hinweise aus der Vorlesung passen zu den Inhalten des Videos (oder sind widersprüchlich)?

Beim Hören von Carina Kühnes Erfahrungen bei der Ausbildungssuche erinnerte ich mich an die UN-Behindertenrechtskonvention. Insbesondere an Artikel 24, welcher festlegt, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf Bildung haben, ohne Diskriminierung und mit Chancengleichheit. Dies umfasst ein integratives Bildungssystem, das darauf abzielt, die individuellen Fähigkeiten und die Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern. Die Staaten müssen sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen nicht vom Bildungssystem ausgeschlossen werden, sondern Zugang zu hochwertigem Unterricht haben und angemessene Unterstützung erhalten. Darüber hinaus müssen sie lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen erwerben können. Das erfordert Maßnahmen wie die Schulung von Lehrkräften und die Bereitstellung geeigneter Ressourcen für die Bildung von Menschen mit Behinderungen, einschließlich individuell angepasster Unterstützungsmaßnahmen (UN-Behindertenrechtskonvention, Artikel 24).

Vergleicht man die achte Folie der RV06, welche darauf abzielt, dass es um nicht mehr und nicht weniger als gute Schule geht (vgl. RV06, Folie 8) und man durch die generelle Differenzierungsnotwendigkeit inklusiv Unterrichten muss, lässt sich eine Widersprüchlichkeit zu der Einstellung von Carinas Lehrerin erkennen. Diese hingegen scheint Carina gar nicht als eine weitere, normale Schülerin zu sehen, bei der auch differenziert werden muss, sondern schreibt Carina von vorn hinein direkt ab. Die Lehrerin von Carina hatte anscheinend kein Interesse an einem Dialog über ungleiche Wege (Seitz, 2006).

2. Welche eigenen Praxiserfahrungen sind Ihnen zum Thema des Videos in den Sinn? Es können konträre oder vergleichbare Aspekte sein.

Die Beschreibung von Carina Kühne über das schwierige Verhältnis zwischen Sonderpädagogin und Klassenlehrerin erinnerte mich an meine eigene Schulzeit, sowohl an die Grundschulzeit als auch an die Zeit an der weiterführenden Schule. Obwohl das Verhältnis nicht so schlecht war wie beschrieben, gab es dennoch eine klare Hierarchie, die einer echten Teamarbeit nicht entsprach. Zudem kam mir die Situation einer vorgeschlagenen Überweisung auf eine Sonderschule bekannt vor, da ich mitbekommen hatte, wie eine frühere Mitschülerin dazu angeraten wurde. Es ist problematisch, Kinder mit Trisomie 21 ohne konkreten Grund an eine Sonderschule zu überweisen, weil dies ihre Integration und Teilhabe am allgemeinen Bildungssystem behindern kann. Indem sie frühzeitig von regulären Schulen ausgeschlossen werden, könnten sie nicht die gleichen Bildungschancen und sozialen Interaktionsmöglichkeiten erhalten wie ihre Altersgenossen ohne Behinderungen. Dies wiederum könnte zu einer sozialen Isolation führen und die Entwicklung ihrer Fähigkeiten und ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Stattdessen sollten Schüler mit Trisomie 21 die Möglichkeit haben, in inklusiven Umgebungen zu lernen, die ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigen und ihnen die bestmögliche Unterstützung bieten, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Des Weiteren sollte auch nicht partout davon ausgegangen werden, dass Schüler:innen mit Trisomie 21 schlechter Leistungen erbringen und meistens unterschätzt werden. Bei Carina geschah dies leider, wie sie schilderte, trotzdem hat sie nicht nachgelassen und hatte am Ende in ihrem Lieblingsfach Englisch eine Eins, obwohl zuvor hinterfragt worden ist, ob sie denn überhaupt Englisch lernen könnte. Was ich des Öfteren auch gehört habe, was sich aber nicht als eigene Praxiserfahrung betiteln lässt ist, dass es auch Lehrkräfte gibt, die nach wie vor mit einer Pseudo-Inklusivität unterrichten, was äußerst traurig und verwerflich ist.

Carina berichtet darüber, dass sie mit ihren Mitschüler:innen eigentlich immer gut ausgekommen ist und die Barriere nur durch die Lehrer-Schüler-Beziehung zustande kam. Aus eigener Erfahrung kann ich für mich sagen, dass wenn die Lehrer:innen aufgeschlossen und normal mit den Schüler:innen mit Trisomie 21 umgegangen sind, das Lernen und Lehren automatisch besser funktioniert hat.

3. Welche Fragen an ihre (zukünftige) Praxis ergeben sich aus dem Video? Fokussieren Sie auf sich als Lehrperson.

Eine Frage, die wahrscheinlich rhetorischen Charakters ist, lautet: “gibt es immer noch Lehrpersonen, die Kinder mit Behinderungen nicht inkludieren möchten und aktiv versuchen, sie davon abzuhalten, dasselbe zu lernen?“. Falls ja, wie gehe ich am besten mit solchen Personen um? Des Weiteren frage ich mich nicht nur, wie ich mit solchen Lehrer:innen umgehen soll, sondern auch wie ich mit Eltern umgehen soll, die die Bildung ihrer eigenen Kinder beispielsweise gefährdet sehen, weil Kinder mit Trisomie 21 oder anderen Förderbedürfnissen, normal (wie es sein sollte) integriert werden. 

 

Zusatz: Welche (An)Forderungen an schulische Inklusion und inklusiven Unterricht in Bremen ergeben sich aus dem  Video?  Fokussieren auf Strukturen und Praktiken (nicht Ressourcen).

Eine verbesserte Teamarbeit zwischen Sonderpädagog*innen und anderen Lehrkräften ist entscheidend. Eine Begegnung auf Augenhöhe und klare Rollenverteilung können dazu beitragen, Konflikte zu minimieren. Es ist wichtig, dass Schüler mit Förderbedarf weder über- noch unterfordert werden. Allgemein können sich die Anforderungen an schulische Inklusion und inklusiven Unterricht in Bremen aber auch auf die Notwendigkeit von Schulungen und Ressourcen für Lehrkräfte konzentrieren, um sie dabei zu unterstützen, effektive, inklusive Praktiken zu entwickeln und umzusetzen. Strukturelle Veränderungen, wie die Schaffung unterstützender Schulnetzwerke oder die Integration von Inklusionsbeauftragten in Schulen, könnten ebenfalls erforderlich sein, um eine erfolgreiche Inklusion gewährleisten zu können.

 

Quellen:

Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. “UN-Behindertenrechtskonvention”, November 2018. URL: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/PDF/DB_Menschenrechtsschutz/CRPD/CRPD_Konvention_und_Fakultativprotokoll.pdf, letzter Zugriff: 16.05.2024, 10:35.

 

Seitz, Simone. “Inklusive Didaktik: Die Frage nach dem Kern der Sache”. 01/2006. URL: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/184/184, letzter Zugriff: 16.05.21, 11:19.

 

3. Mai 2024

RV04: Heterogenität im Schriftspracherwerb – elementare Schriftkultur

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: — Leena @ 8:53

1. Wählen Sie ein “leeres Blatt” oder die “Memory mit Schrift”-Szene von Mia und Anastasia und beschreiben Sie möglichst genau an Beispielen aus dem Material, welche Zugänge zur Schrift die Kinder bereits gefunden haben (z.B. Was wissen sie über Schrift? Wie nutzen sie Schrift? Was bedeutet ihnen Schrift? Worin unterscheiden sich ihre Schrifterfahrungen?). Sie können zur Unterstützung den Text von Dehn, Mechtild/Hüttis-Graff, Petra (2000) (Hrsg.): Zeit für die Schrift ll. Beobachtung und Diagnose. Berlin, S. 32-54 nutzen.

Im Video wird eine Situation dargestellt, in der die Kinder Mia und Anastasia mit dem “Memory mit Schrift” interagieren. Das “Memory mit Schrift” ist ähnlich wie das “normale” Memory ein Spiel, bei dem man Karten aufdeckt und probiert Paare zu finden, das “Memory mit Schrift” unterscheidet sich dadurch, dass auf immer auf einer Karte eines Paares der dazugehörige Begriff verschriftlicht ist (vgl. Bär, 2022). Erst wird eine “leere” Karte aufgedeckt und anschließend geschaut, welches Wort zu dem Bild passt. Genauer gesagt sprechen Mia und Anastasia immer das aus, was sie meinen zu sehen, nachdem sie die erste Karte umgedreht haben, um dann zu schauen, welches niedergeschriebene Wort dazu passt. Dadurch lässt sich vermuten, dass sie sich auf die Graphem-Phonem-Korrespondenzen beziehen, die sie bereits kennen. Des Weiteren gibt es noch andere, verschiedene Wege, wie die Kinder bereits Zugang zur Schrift gefunden haben: sie konnten die Bilder auf den Karten erkennen und die Anlaute der Substantive identifizieren. Wie bereits zuvor erwähnt, werden die Anlaute bei der Suche nach der zweiten richtigen Karte laut ausgesprochen. Manchmal gelingt es ihnen jedoch nicht, die richtige Karte aufzudecken, weil sie nur den Anlaut lesen (zum Beispiel bei “Bus” und “Buch”). Dennoch erkennen sie größtenteils das gesamte Wort richtig und verfolgen es beim Sprechen mit dem Finger (vgl. Dehn, Mechthild/Hüttis-Graff, Petra (2000), S. 32-54). Im Gegensatz zu den beiden Kindern aus dem Video der Ringvorlesung 04, können Mia und Anastasia bereits deutlich schneller erkennen, was sie sehen und es dem passenden Wort zuordnen. Sie brauchen das Wort nicht zu buchstabieren, sondern können es flüssig einordnen.

 

2. Erklären Sie den Begriff „elementare Schriftkultur“, grenzen Sie ihn von dem Begriff der Kulturtechnik ab. Führen Sie anschließend drei Beispiele konkret aus, in denen Sie Kindern in Kita oder Unterricht bereits Zugänge zur elementaren Schriftkultur ermöglicht haben bzw. ermöglichen könnten.
Sie können zur Unterstützung den Text aus Schüler, Lis (2021) (Hg.): Elementare Schriftkultur in heterogenen Lernkontexten. Zugänge zu Schrift und Schriftlichkeit. Seelze: Klett/Kallmeyer, S. 7-26 nutzen.

Von dem Begriff selbst der “elementaren Schriftkultur” lässt sich ableiten, dass es sich um eine grundlegende und geläufige Art der Schriftkultur handelt. Demnach bezieht sie sich auf grundlegende und essenzielle Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit der Schrift, genauso wie das Lesen und Schreiben der Buchstaben (auch in Wörtern und Sätzen). Demnach beinhaltet sie jegliche erste Zugänge und Verknüpfungen, die mit der Schrift geschaffen wurden. Dadurch haben unterschiedliche Kinder auch unterschiedliche Berührungspunkte mit niedergeschriebener Sprache. Diese Berührungspunkte können entweder formell oder informell erworben werden, also entweder beispielsweise im schulischen Kontext oder aber auch privat. Schilder, Plakate und Co., die man unterwegs sieht, sind demzufolge ebenfalls ein Anstoß für den Schriftspracherwerb. Anderen Leuten beim Schreiben zuschauen oder aber auch jegliche mediale Stimuli, das einfache Ausprobieren von Schrift und ganz persönliche Bezüge veranlassen die Förderung und Weiterentwicklung des Schriftspracherwerbs (vgl. Schüler, 2022, S.152-154).

Der Begriff der Kulturtechnik ist insofern abzugrenzen von der zuvor beschriebenen elementaren Schriftkultur, indem man festhalten kann, dass die Kulturtechnik ein viel breiter gefächerter Begriff ist, welcher sich mit verschiedenen Fähigkeiten befasst die wichtig sind um als Individuum in der Gesellschaft teilhaben zu können. Somit kann man die elementare Schriftkultur der Kulturtechnik unterordnen. 

Man könnte Kindern in Kita oder Unterricht beispielsweise durch das diktierende Schreiben einen Zugang zur elementaren Schriftkultur ermöglichen (vgl. Folie 22, RV04). Dadurch, dass die Kinder beispielsweise der Lehrkraft diktieren, was geschrieben werden soll, haben sie die Möglichkeit einen persönlichen Bezug herzustellen und können gleichzeitig zusehen, wie die eigens ausgewählten Worte niedergeschrieben werden. 

Des Weiteren könnte man regelmäßige Sprachspiele und Reime in den Kita- oder Unterrichtsalltag einführen. Durch Sprachspiele, Reime und Lieder können Kinder spielerisch mit Lauten und Buchstaben experimentieren und erste phonologische Bewusstheit entwickeln. Die Kinder könnten sich somit beispielsweise Dienstags und Donnerstags im Rahmen eines Morgenkreises damit auseinadersetzen.

Zu guter letzt spielt man selbst durch die eigene Vorbildsfunktion eine wichtige Rolle. Man kann nämlich die eigene Begeisterung für das Lesen und Schreiben zeigen und dadurch die Kinder dazu ermutigen sich mit Schriftsprache zu beschäftigen. Um dies authentisch rüberbrignen zu können, muss man aber bereit sein selbst regelmäßig Bücher zu lesen, Geschichten zu erzählen oder Gedichte vorzutragen. Die Kinder sollten am besten ermutigt werden, Fragen zu stellen, ihre Gedanken zu teilen und ihre eigene Ideen zu schreiben. Um dies zu verwirklichen kann man zum Beispiel ein Format wie „das Buch der Woche“, „mein Lieblingssatz der Woche“ oder „mein Lieblingswort der Woche“ einführen, wobei man sich selbst auch daran beteiligt.

 

3. Die neuesten Ergebnisse der IGLU Studie 2022 zeigen einmal mehr, dass sich die Leistungsheterogenität im Lesen(lernen) weiter verschärft. Stellen Sie vor dem Hintergrund des weiten Begriffs von Schriftspracherwerb (Folie 19) und insbesondere des Begriffs der elementaren Schriftkultur Überlegungen dazu an, wie es zu diesen Ergebnissen kommen konnte und wie sich Leseunterricht verändern müsste, damit viel mehr Kinder zu Leser:innen werden können.

Das Erlernen des Lesens ist eine zentrale Fähigkeit, die jedes Kind in der Schule entwickeln sollte. Im Kontext der grundlegenden Schriftkultur können Kinder besser lesen und schreiben lernen, wenn sie persönliche Erfahrungen mit Schrift machen und in ihrer Umgebung viele Begegnungen damit haben. Es scheint jedoch, dass Vorleseaktivitäten zu Hause zunehmend durch Handys, das Internet usw. ersetzt werden, wodurch Kinder weniger mit Büchern in Berührung kommen und potenzielle Leseerfahrungen vermissen. Darüber hinaus hat das Homeschooling während der Pandemie und auch die Pandemie im Allgemeinen den Austausch mit Gleichaltrigen und die Diskussion über das Lesen generell unterbrochen. Dies führt nicht nur dazu, dass natürliche Begegnungen mit Schrift fehlen, sondern auch, dass die offizielle Einführung in das Schreiben verzögert wird. Da Lesen eine Schlüsselkompetenz ist, kann sie auch in anderen Fächern wie Mathematik, Kunst oder Sachunterricht integriert und gefördert werden. Zum Beispiel kann das laute Vorlesen gezielt in Partnerarbeit im Deutschunterricht geübt werden. Zusätzlich kann die Einrichtung einer Leseecke dazu beitragen, Schrift präsenter zu machen und Kindern, die möglicherweise zu Hause keine Bücher haben, den Zugang zu ermöglichen. Zentral ist auch, den Kindern einen Grund zu geben, beziehungsweise mit den Kindern einen Grund zu finden, warum Schreiben und Lesen für sie selbst wichtig und von Vorteil sein können. Dies haben wir während der Ringvorlesung 04 am Beispiel von Pascal gesehen!

Da Kinder unterschiedliche Lernvoraussetzungen in den Leseunterricht einbringen, die ihren Schriftspracherwerb beeinflussen können, ist ein individualisierter und differenzierter Unterricht, der den Bedürfnissen jedes Kindes gerecht wird, von großer Bedeutung. Der Leseunterricht sollte möglichst auf die individuellen Lernbedürfnisse der Kinder zugeschnitten sein und differenzierte Lernangebote sowie intensive Fördermaßnahmen umfassen, um den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten gerecht zu werden. Kleingruppenarbeit, individuelle Förderpläne und gezielte Fördermaßnahmen könnten hier unterstützend wirken.

 

 

Quellen:

Bär, Christina/Last, Sandra/Merklinger, Daniela (2022): Grundschule Deutsch Nr. 54 – Sprachförderung in der Klasse: Spiel mit Schrift und als Beobachtungsfeld. Hannover. URL: Spiel mit Schrift als Lern- und Beobachtungsfeld). 

Dehn, Mechthild/Hüttis-Graff, Petra (2000) (Hrsg.): Zeit für die Schrift II. Beobachtung und Diagnose. Berlin, S. 32-54.

Schüler, Lis (2021) (Hg.): Elementare Schriftkultur in heterogenen Lernkontexten. Zugänge zu Schrift und Schriftlichkeit. Seelze: Klett/Kallmeyer, S. 7-26.

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