Es ist noch kein Doktor vom Himmel gefallen.

Meine Berührungspunkte mit Obdachlosigkeit

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Pommes machen glücklich

Ich hatte an einem Abend letzter Woche mehrere Begegnungen mit Obdachlosen und möchte darüber mal ein bisschen erzählen. Allgemein werde ich hier in Bremen öfter „von der Seite“ angequatscht und beobachte viele Obdachlose in der Innenstadt, am Bahnhof und im Viertel. So kommt es mir auf jeden Fall vor, denn ich bin aus einer kleinen Stadt in Schleswig-Holstein, wo es tatsächlich gar keine Leute gibt, die auf der Straße leben. Das ist wohl so ein Großtstadt-Ding.
Ich laufe sowieso gerade, tierisch naiv, mit vor Erstaunen weit geöffneten Augen durch die Stadt und versuche möglichst alles an Eindrücken nahezu aufzusaugen.

Um mal fortzufahren: An diesem einen Abend schlenderten meine neuen Unifreunde und ich quatschend und lachend durch das Viertel in Bremen.
Ein Mann in zerlumpter Kleidung sprach uns unverblühmt an und bat uns, eine seiner Zeitungen zu kaufen. Meine Freundin antwortete freundlich, sie hätte heute nachmittag schon ein Blatt bei einem anderen „Kollegen“ erworben.
Als wir anschließend zum Rewe gingen, um uns mit Getränken zu versorgen, saßen drei bis vier obdachlose Personen direkt vor den Eingangstüren des Supermarktes.
Meine Freundin gab ihren angezündeten, nicht fertig gerauchten, Zigarettenstengel an einen von den Männern. Der Mann bedankte sich nuschelnd, aber freundlich.
Ich hätte ihm irgendwie auch gerne etwas gegeben, aber bin mir manchmal unschlüssig, was man da am besten spenden sollte.
Kleingeld? Eine Zeitung kaufen? Lebensmittel?
Als wir hinausgingen, fühlte ich mich schon beinahe schlecht nichts von meinen Einkäufen abzugeben und mied den Blickkontakt mit den Bettlern.
Ich weiß natürlich, dass das bestimmt genau ihre Strategie ist und (mal ehrlich) der Wein, den wir gekauft hatten, hätte den Personen ihr Leben ja auch nicht gerade besser gemacht.
Danach tingelten wir durch ein paar Bars, spielten Tischkicker und irgendwann gegen 12 Uhr machte ich mich schon auf den Weg nach Hause.
Da ich gegen Mitternacht immer richtig Bock auf was deftiges zu Essen habe, holte ich mir für unterwegs noch ein paar Pommes aus dem Burgerhaus (das ist da richtig gut – kann ich wärmstens empfehlen!).
In der S-Bahn Richtung Hauptbahnhof merkte ich traurigerweise, dass der Appetit mal wieder größer war als der Hunger selbst. Wer kennt es nicht.
Dann schaute ich bedrückt auf das in meiner Hand liegende, noch ca. Dreiviertel volle Paket mit Pommes.
Weil ich ja jetzt ein „auf-sein-Geld-achtender“ Student bin, ärgerte ich mich über die 2,50 €, die ich verschwendet hatte. Dann kam mir eine Idee.
Bevor ich in die Bahnhofshalle ging, hatte ich an mehreren Tagen auf meinem Weg zur Uni einen bestimmten Obdachlosen beobachtet, der mit Einkaufswagen und Hund vor dem Eingang saß.
Er war immer noch da.
Ich ging zu ihm hinüber und fragte ihn vorsichtig, ob er noch Hunger hätte und bot ihm meine Pommes an. Er nahm sie dankbar entgegen und ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Seine Reaktion hinterließ ein gutes Gefühl bei mir. Als hätte ich etwas „Richtiges“ getan.
Da wusste ich: Das werd ich viel öfter machen.

Ich find es nämlich eigentlich (jetzt mal Butter bei die Fische) ziemlich „scheiße“ diese Menschen einfach zu ignorieren und mit Tunnel-Blick durch die Weltgeschichte zu laufen.
Sich mit Obdachlosigkeit mal näher zu beschäftigen, sowie wir es in unserem dieswöchigen Ethnologie Seminar und der Vorlesung machen, kommt irgendwie einer kleinen Erleuchtung gleich. Man achtet jetzt, ich zumindest, viel mehr auf jene Menschen. Obwohl ich mir schon vorher häufig innerlich Fragen zu den jeweiligen Hintergrundgeschichten und Schicksalen gestellt habe. Aber darüber in einem Feldforschungsbericht zu lesen, hinterlässt bei mir nochmal einen anderen Eindruck.
Wie steht ihr so zu diesem Thema? Wie verhaltet ihr euch gegenüber Obdachlosen? Wie kann man Ihnen als Zivilperson am sinnvollsten helfen?

Bis denne –
x Kummi

PS: Für korrekte Rechtschreibung und Zeichensetzung in diesem Text übernehme ich keine Garantie.
PPS: Wer möchte kann sich in Martin Gruber: „Parallelwelten – Eine Feldforschung über Obdachlosigkeit in der Hamburger Innenstadt“ selbst mal ein Bild machen.

2 Kommentare

  1. Oberg

    Hallo Kummi,
    vielen Dank für diesen Text und Ihre Gedanken über Obdachlose.
    Ich kann das gut nachvollziehen und schwanke selbst häufig zwischen dem Willen zur Spende, Gabe, Kauf von Zeitschriften etc. und einer Fluchttendenz (Straßenseitewechseln, andere Bahnhofstür wählen etc.). Ich bin einfach nicht immer in der Lage zu einer Begegnung – vor allem auch nicht so oft hintereinander. Dabei leben in Bremen längst nicht so viele auf der Straße wie anderswo…
    Wir sollten vielleicht auch mal ein größeres Projekt zu diesem Thema machen…
    Herzliche Grüße,
    Jan Oberg

  2. Maike

    Hey, ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich lieber Lebensmittel kaufe und abgebe, als Geld. Ich finde es eigentlich nicht in Ordnung, den Menschen vor mir zu bervormunden, indem ich ihm die Entscheidung, was mit dem Geld zu kaufen sei, abnehme. Allerdings bekomme ich kein Bafög und muss für jeden Euro arbeiten gehen, weshalb mir nicht egal, was mit dem Geld gekauft wird. Das verrät wahrscheinlich mehr über mein Verhältnis zu Geld als zu Obdachlosen….

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