Dialog im Dunkeln – ein Perspektivwechsel in eine fremde Welt
Als ich im Jahre 2016 mein Freiwilliges Soziales Jahr in einem bremer Krankenhaus absolviert habe, besuchten wir die interaktive Ausstellung: “Dialog im Dunkeln“ in Hamburg.
Dieser Besuch liegt nun vier Jahre in der Vergangenheit, jedoch ist mir deren Impressionen und die daraus resultierenden Erfahrungen immer noch präsent.
Ziel der 1988 ins Leben gerufenen Ausstellung ist es, sehenden Menschen die Welt von Menschen mit Blindheit näherzubringen und diesen eine möglichst authentischen Kontakt mit der Erfahrung des Sehverlustes zu ermöglichen. Mittlerweile ist die interaktive Ausstellung in rund 30 Ländern und mehr als 130 Städten auf der Welt begehbar.
Ich besuchte damals die hier in Norddeutschland stationierte Ausstellung in Hamburg, wo sich direkt an der Speichstadt, in einer eher unscheinbaren Gegend, im Gewölbe einer Lagerhalle, der Eingang zum „Dialog im Dunkeln“ befindet.
Als ich damals zusammen mit den anderen Seminarteilnehmern die völlig abgedunkelten und lichtlosen Räumlichkeiten der Ausstellung betrat, war ich zuerst irritiert. Es war ein schier fremdes und unbehagliches Gefühl sich ohne jegliche Orientierung in eine völlig lichtlose Atmosphäre zu begeben: Kontrollverlust. Diese Kontrolle und Verantwortung übergaben wir jedoch an unseren Gruppenleiter, welcher die Führung durch das Kabinett leitete. Dieser hatte selber schon als Kind das Augenlicht verloren und war demnach nicht mehr im Stande visuelle Reize wahrzunehmen. Was für mich völlig fremd und unbehaglich war, war für ihn Alltag.
Unsere Führung führte uns eine gute Stunde durch die verschiedensten (nachgestellten) Lokalitäten, wie zum Beispiel über eine Straße, über einen Wochenmarkt, durch ein Restaurant und in eine Bar. Gesehen haben wir hiervon natürlich nichts, doch komplementär wurde unsere abenteuerliche Reise von einer Vielzahl verschiedener Sinneseindrücke untermauert. Dementsprechend konnten wir den Geruch der Gewürze wahrnehmen, das laute Hupen der Autos vernehmen und den Wind beim Überqueren der Straße spüren. Für mich eine unbeschreibliche Erfahrung, welche mich gerade hingehend meiner Studienwahl (Inklusive Pädagogik) positiv beeinflusst hat (Dialog im Dunkeln, 2019, Ausstellung).
Folglich verfolgt das Konzept des Dialogs im Dunklen die Intention soziale Nachhaltigkeit zu übermitteln. Demzufolge soll den Besuchern ein Lernort geboten werden, in dem sich eine emphatische und vorurteilsfreie Haltung gegenüber Menschen mit sozialen Beeinträchtigungen entwickeln kann. Durch die Etablierung des inklusiven Gedankens innerhalb des Projektes sollen die Menschen zu mehr sozialem Handeln und Hilfsbereitschaft angeregt werden. Hierbei wird besonderes die in der Gesellschaft angestrebte Barrierefreiheit in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Hierbei handelt es sich um eine Art der gesellschaftlichen Gestaltung, welche es Menschen mit einer Behinderung ermöglicht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (Bundesfachstelle-Barrierefreiheit, 2019, Definition). Diesbezüglich sind über 60 Prozent der Menschen die bei dem Unternehmen beschäftigt sind gehörlos oder sehbeeinträchtigt und trägt somit dazu bei, dass Menschen welche des Öfteren von der Gesellschaft exkludiert werden eine Arbeitsplatz zu Gunsten ihrer individuellen Stärken erhalten
Jedoch steht im Forderung der Aussage, dass Menschen welche eine Sehbeeinträchtigung haben und auf Hilfe von Außen angewiesen sind, ihre Welt zwar anders wahrnehmen, jedoch ihre Situation in keiner Weise bemitleidenswert ist.
Für mich ist die Ausstellung im Dialog in Dunkeln ein repräsentativer außerschulischer Lernort, weil er anders als andere Museen oder Ausflugsziele die interkulturelle und soziale Kompetent der Schüler/innen anspricht. Gerade im Kontext des Studienganges der Inklusive Pädagogik empfinde ich den Lernort als besonders ansprechend, da ich das Wort „Lernen“ nicht nur mit der stumpfen Vermittlung von faktischen Wissen konsolidiere.
Besonders relevant für die Arbeit mit Schüler/innen an außerschulischen Lernorten ist es, dass allgemeine Interesse der Lernenden für das Unterrichtsgeschehen zu wecken (Dühlmeier, S.36). Dies könne nur gelingen, in dem eine aktive Arbeit und Handlungsmöglichkeiten für die Schüler/innen in den außerschulischen Unterricht mit inkludiert wird (Dühlmeier, S. 36). Diesbezüglich würde es sich bei einem Besuch im Dialog im Dunkeln besonders anbieten, den jeweiligen Lernenden je nach Klassenstufe, einen Beobachtungs- oder Rechercheauftrag aufzugeben. Als ebenfalls passend erscheint mir für ältere Klassen die Methodik ein Interview mit einem der Verantwortlichen oder Angestellten durchzuführen (Dühlmeier, S.36). Dies träge dazu bei, dass die Lernenden eine Perspektivwechsel in die Rolle eines Menschen mit einer Behinderung vornehmen könnten, oder sich vermehrt auf die Wahrnehmung innerhalb des Kabinetts konzentrieren müssen.
Bezugnehmend auf die theoretische Grundlage und durch den Erziehungswissenschaften Robert Baar etablierten Definition von außerschulischen Lernorten wird deutlich, dass es eine Vielzahl von Orten gibt, welche auf die Kriterien eines außerschulischen Lernortes zutreffen (Baar, 2018, S.23). Folglich ist jeder Ort ein außerschulischer Lernort, sofern sie international in den Lern- und Bildungsprozess der Kinder einbezogen werden. Jedoch ist es relevant, dass der jeweilige Lernort eine Orientierung an die Lebenswelt der Kinder aufweist oder einen schulischen Nahraum aufweist (Baar, 2018, S. 19). Bezugnehemend auf den von mir thematisierten außerschulischen Lernort des „Dialogs im Dunklen“ wird deutlich dass dieser das politische und gesellschaftliche Leben in den Vordergrund stellt und demnach einen eine sekundären Bildungsauftrag aufweist Baar, 2018, S.19).
Literatur:
Bundesfachstelle – Barrierefreiheit (2019): Definition Barrierefreiheit, Knappschaft Bahn See, verfügbar unter: https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Ueber-Uns/Definition-Barrierefreiheit/definition-barrierefreiheit_node.html Stand: 22.04.2020
Baar, R (2018): Außerschulische Lernorte: Didaktik und methodische Grundlagen, Gudrun: Schönknecht
Dialog im Dunklen (2019): Ausstellung, verfügbar unter: https://dialog-in-hamburg.de/erlebnisausstellungen/dialog-im-dunkeln/ Stand: 22.04.2020
Dühlmeier, B (Hrsg.) (2018): Außerschulische Lernorte in der Grundschule – neun Beispiele für eine fachübergreifenden Sachunterricht, Hohengehren: Schneider Verlag.
0 Antworten auf „Dialog im Dunklen – ein außerschulischer Lernort“
Liebe Jill,
erst einmal danke für diesen interessanten und sehr informativen Blogbeitrag, es hat sehr viel Spaß gemacht ihn zu lesen. 🙂
Mir war die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ tatsächlich neu, aber ich habe durch deinen Beitrag den Anreiz bekommen, mir diese auch einmal anzuschauen, wenn sie in der Nähe ist. Ich finde es auch unheimlich schwierig, sich vorzustellen, wie es den Menschen ohne Augenlicht in ihrem Alltag ergeht. Für jemanden, der sehen kann ist es unvorstellbar, von heute auf morgen sein Augenlicht zu verlieren und die Welt dann im Dunkeln „zu sehen“. Ich konnte demnach deine beschriebenen Gedanken und Gefühle, die du während der Ausstellung erlebt hast, beim Leben sehr gut nachvollziehen.
Generell finde ich so ein „Experiment“ auch spannend, wenn man in inklusiven Schulen unterrichtet und Kinder in der Klasse sind, die eine Sehbehinderung haben. Im Rahmen dieser Ausstellung, können die Mitschüler/innen für die Beeinträchtigung sensibilisiert werden und an sich selbst, für ein paar Stunden, erleben, wie sich der Mitschüler oder die Mitschülerin im Alltag fühlt. Hinterher kann im Plenum in den Austausch gehen und die eigenen Erfahrungen und Gefühle reflektieren.
– Wie hast du dich gefühlt?
– Wo hättest du dir Hilfe gewünscht?
– Wurde dir Hilfe angeboten?
– Wie hast du Gerüche und Geräusche wahrgenommen?
Wie gesagt, ein sehr spannendes Thema, welches du aufgegriffen hast. Und definitiv eines, mit dem man sich näher auseinandersetzen kann.
Ich wünsche dir einen schönen Tag. 🙂
Liebe Grüße
Esther
Liebe Jill,
vielen Dank für deinen interessanten Beitrag!
Du hast deine Erfahrungen während der Ausstellung sehr intensiv und toll beschrieben, so dass ich eine gute Vorstellung davon bekommen habe, wie beeindruckend die Eindrücke gewesen sein müssen.
Ich kann mir vorstellen, dass die Ausstellung gerade durch das Nachempfinden des „Blindseins“ durch die Darstellung der dunklen Räume mit den dazugehörigen Geräuschen und Gerüchen, nachhaltig wirkt.
Gerade im Hinblick auf die Empathie ist die Ausstellung eine effektive Möglichkeit, den Menschen näher zu bringen, wie Menschen mit einer Beeinträchtigung des Sehvermögens in der Gesllschaft zurecht kommen müssen und wie wichtig Barrierefreiheit ist.
Ich hoffe, die Wanderausstellung ist bald in der Nähe, dann schaue ich sie mir unbedingt an!
Viele Grüße Anne