Bedeutungen

Nach langem Nachdenken und Entfernen meine anfänglichen “Anti-Haltung“ gegenüber der Aussage, jedes Tattoo habe eine Bedeutung, muss ich nach Beendigung dieses Projekts tatsächlich einlenken und diese Aussage bestätigen. Bei genauem Überlegen geht es mir nämlich nicht anders. Dass die Intensität der Verbundenheit mit einer meiner Tätowierungen mit der stetig wachsenden Anzahl abnimmt ist zwar der Fall, aber vollkommen verloren hat sie sich, bislang, noch nicht. Hinter jedem Tattoo steht ein Moment der Entscheidung, ein Moment der Überlegung, vielleicht eine Konversation, eine Schnapsidee, eine Welle der Euphorie und auch nach dem Stechen unabhängig alles anderem Stolz und Zufriedenheit. Vermutlich kennt jeder den Moment, wenn man ein Kleidungsstück findet, dass wie für einen gemacht scheint und man es das erste Mal trägt?! So würde ich das Gefühl einer neuen Tätowierung beschreiben. Anfänglich habe ich dieses Gefühl nicht dem Begriff “Bedeutung“ zugeordnet, doch mittlerweile würde ich so weit gehen. Es ist ein Geschenk an sich selbst, welches die Brust vor Stolz schwellen und das Herz einen Satz machen lässt. Das Selbstbewusstsein ist gestärkt und bei jedem Betrachten breitet sich ein Glücksgefühl aus. Das alleine ist es in meinen Augen schon wert als Rechtfertigung für das Stechen eines Tattoos zu zählen, ganz zu schweigen von den vielen emotionalen Bedeutungen die der Träger seiner Hautkunst in so vielen Fällen (wie ich gelernt habe) beimisst. Also ja, Tattoos haben immer Bedeutungen, auch ohne für etwas bestimmtes stehen zu müssen.

Ein Tattoo Gegner

Nachgefragt bei Marco Rudel (23 Jahre aus Groß Schwülper)

1. Was waren deine ersten Berührungspunkte mit Tattoos?

Ich habe 2 ältere Schwestern und wohne noch bei meinen Eltern. Keiner aus meiner Familie hat Tattoos oder findet diese in irgendeiner Weise gut. Das was man so liest und hört schreckt mich da auch ab, dass es schlecht für die Lymphgefäße ist zum Beispiel. Makellose Haut ist einfach schön. Wenn einem ein Bild gefällt kann er sich das an die Wand hängen und eben auch wieder abnehmen, wenn es einem nicht mehr gefällt.

2. Wann warst du dir sicher dass du keine Tattoos möchtest

Keine Ahnung, ..bestimmt so 12 oder 13 Jahre. Ich mag Tattoos einfach nicht. Ich verbinde damit auch immer irgendwie noch dieses „Knasti Image“. Außerdem hat man Nachteile im Berufsleben, da kann mir keiner was anderes erzählen und Tattoos sind unnötig teuer. Also allgemein sehe ich in Tätowierungen einfach keine Vorteile, demnach auch keinen Grund, weshalb man sich welche machen sollte.

3.Ist dir die Bedeutung von Tattoos wichtig?

Nicht unbedingt, wenn es schon sein muss, dann soll es wenigstens gut aussehen. Die Bedeutung ist in dem Fall dann zweitrangig für mich.

4. Worauf achtest du bei Tattoos?

Ob’s cool aussieht. Tattoos sind eben ein Eye catcher, also ich will das gar nicht leugnen, dass ich da hingucke wenn jemand auffällige Tattoos hat. Aber ganz ehrlich, entweder denke ich mir „jo, sieht gut aus“ aber in 90% der Fälle denke ich mir eben, dass es hässlich aussieht und die Person ohne Tattoos schöner wäre.

6. Was geht gar nicht?

Waden Tattoos. Die sehen wirklich scheisse aus… Tattoos an den Beinen allgemein finde ich nicht so schön. Tattoos sollten (wenn dann) an den Armen sein …Bauch ist auch eine komische Stelle für sowas.
Ich glaube am Arm und dann so die Seite runter, das sieht bestimmt gut aus, egal bei welchem Geschlecht.
Oh und Gesicht geht natürlich auch gar nicht.

7. Was findest du besonders schön?

Tattoos sollten zusammen passen, wenn man mehrere hat.
Und Schwarz/weiß finde ich schöner als Farbige.

8. Glaubst du je mehr Tattoos man hat, desto weniger Bedeutung steckt hinter den einzelnen?

Nein.

Eine Tattoo Befürworterin

Nachgefragt bei Lina Röseler (18 Jahre aus Braunschweig)

1. Was waren deine ersten Berührungspunkte mit Tattoos?

Da ein paar meiner Familienmitglieder Tattoos haben, würde ich sagen, dass das meine ersten „richtigen“ Berührungspunkte mit Tattoos waren. Ich fand Tattoos schon seitdem ich klein war super, weil es immer „coole“ Leute (z.B. Sänger aus meinen Lieblingsbands) getragen haben.

2. Wie/Wann warst du dir sicher dass du welche möchtest?

Mir war eigentlich direkt als kleines Kind klar, dass ich später unbedingt zumindest eins haben möchte.

3. Ist dir die Bedeutung von Tattoos wichtig?

Ich finde darauf kann man keine genau Antwort geben, da ich denke, dass selbst „Spaß-Tattoos“ eine Bedeutung haben, sonst würde man sich diese schließlich nicht stechen lassen. (Auch wenn dann die Bedeutung vielleicht nicht unfassbar emotional ist)

4. Wie sieht es mit deinen aus?

Von meinen bis jetzt 4 Tattoos hat jedes seine eigene, vielleicht nicht unbedingt spektakuläre Geschichte.

5. Worauf achtest du bei Tattoos?

Dass die Tattoos gut gestochen sind und es nicht nach dem Motto „Hauptsache günstig“ läuft. Gerade so etwas wie Tattoos sollte man gut überdenken.

6. Was geht gar nicht?

Unfassbar schlecht gestochene Tattoos und irgendwelche Namen von der Frau/Freundin etc.

7. Was findest du besonders schön?

Farbenintensive Old School / Traditional Tattoos

8. Glaubst du je mehr Tattoos man hat, desto weniger Bedeutung steckt hinter den einzelnen?

Nein, glaube ich nicht. Wie schon vorher beschrieben, hat jedes Tattoo seine eigene Bedeutung, auch wenn es vielleicht nur aus Spaß gestochen wurde. Egal wie viele Tattoos man hat, jedes hat seine kleine Geschichte.

Tattoos von Lina R.

Ja moin.

Moin Freunde des guten Geschmacks, ich bin eine der beiden, die hier so rumdümpelt. 

Alter: 20
„Beruf“: Studentin der Linguistik und Germanistik
Anzahl der Tattoos: 25
Tattoo mit der größten Bedeutung:
Das sind bei mir zwei. Beide gehen in die japanische Richtung, das eine zeigt eine traditionell und authentisch gestochene Geisha (auf meinem rechten Schulterblatt), das andere einen Teil meines Lieblingsliedes vor dem Hintergrund einer modernen, tätowierten Geisha (über die Rippen). Ursprünglich wollte ich einen Schüleraustausch nach Japan machen, aber meine Gastfamilie ist abgesprungen. Dennoch habe ich es nach Japan geschafft und verbinde seit frühster Jugend viel mit dem Land und der Kultur. Leider ist es aber nicht mal eben schnell zu erreichen, wie etwa Mallorca, und auch finanziell wesentlich aufwendiger, sodass ich mich mit diesen Tattoos bis zum nächsten Aufenthalt vertröste.
Tattoo mit wenig/keiner Bedeutung: Vermutlich bin ich der typische Kandidat, bei dem man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, wenn man jede Geschichte zu den Tattoos wüsste. Um aber mal ein Beispiel zu geben, ist das Tattoo links an meinem Knöchel ganz gut denke ich. Man sieht ein Herz in der Old School Stilrichtung, in welchem einfach nur “Well Fuck“ steht. Ich habe das Motiv gesehen. Musste lachen. Ließ es mir stechen. Das ist jetzt 3 Jahre her und ich finde es immer noch total super.
Persönliche Einstellung zum Thema „Bedeutung von Tattoos“
Ich bin nicht der größte Anhänger von Tattoos mit tiefgründigen Bedeutungen, denn ich persönlich brauche nicht unbedingt eine “Rechtfertigung“ um etwas auf der Haut zu tragen, beziehungsweise empfinde ich die wenigsten Gründe als plausibel. Das ist aber nur meine Einstellung, bei anderen Menschen verstehe ich es oftmals sehr gut. Beispielsweise gibt es viele Frauen, die sich nach dem gewonnenen Kampf mit Brustkrebs, der ja leider oft eben diese fordert, ein großes Tattoo als Denk- oder Mahnmal stechen lassen und täglich Kraft daraus schöpfen. Bedeutungen sind für mich auch nicht zwingend unmöglich oder unsinnig, aber ich mag es lieber ungebundener. (Gute Ausdrucksweise um über Tattoos zu sprechen, nicht wahr?) Denn die meisten Bedeutungen sind an andere Personen und damit Beziehungen, egal welcher Art geknüpft und das empfinde ich als wesentlich unstetiger und gefährlicher als einfach Farbe unter der Haut. Für mich gehören sie einfach wie ein besonders wertvolles Accessoire dazu, ohne sie würde ich mich nackt und unvollkommen fühlen. Man könnte also sagen, dass Tätowierungen für mich in erster Linie Teil der Selbstverwirklichung sind und eher zweitrangig mit Erlebnissen verbunden.

Hautkunst schön und gut…

Im Rahmen des Digital Storytelling fand sich unsere Gruppe, bestehend aus Anni Gabka und mir, Janne Heidorn, ziemlich schnell zusammen. Wir beide teilen eine Leidenschaft: Tätowierungen. Schnell sind wir auf die Frage gekommen, ob sie eigentlich zwingend etwas bedeuten müssen? Oft hört man von schweren Schicksalen die der Grund für die Anschaffung dieser Art des Körperschmuckes sind. Erinnerungen an Verstorbene, Mahnmale die an schlimme Zeiten erinnern und einem Kraft geben sollen. Da wir beide persönlich involviert sind, als Träger von dem ein oder anderen Tattoo, versuchten wir natürlich erst mal jeder für sich in einem kleinen Steckbrief diese Frage persönlich zu beantworten und schnell fiel uns auf, dass das gar nicht so einfach ist. Auch war schnell klar, dass alleine die Meinungen von Anni und mir auseinander gingen, was in Hinsicht auf das weitere Projekt natürlich schon eine spannende Erkenntnis war. Tatsächlich war es auch das erste Mal, dass ich mich intensiv mit Bedeutungen beschäftigt habe. In der Theorie sind Bedeutungen natürlich subjektiv,was die Beantwortung unserer Frage etwas schwierig macht. Tätowierungen haben eine gewisse Normalität in meinem Leben und da ich persönlich nicht Emotionen sondergleichen mit meinen Verschönerungen verbinde, habe ich gar nicht daran gedacht, dass es für andere oftmals anders aussieht. Da Anni und ich beide wie bereits erwähnt auch persönlichen Kontakte in die Tattoo-Szene pflegen haben wir uns entschieden, direkt am Anfang der Kette, nämlich bei einem Tätowierer anzufangen. Schließlich ist dieser der Mensch hinter den Werken, der Stunden um Stunden unter mal mehr und mal weniger größeren Schmerzen mit seinen Kunden verbringt und dabei auch nicht allzu selten die Hintergründe der Motive erfährt oder sogar komplette Teile der Lebensgeschichte. Vorher haben wir beide uns natürlich auch schon mal in unserem eigenen Freundeskreis umgehört und einmal mehr festgestellt, wie sensibel das Thema unter Umständen sein kann. Es geht nicht nur wahrhaftig, sondern auch sprichwörtlich unter die Haut weswegen es uns erneut sinnvoller vor kam, den indirekten, aber nicht weniger authentischen Kontakt zum Tätowierer selbst zu suchen, quasi als Erzähler. Das stellte sich als richtige Entscheidung heraus, denn unser Protagonist arbeitet nicht nur in einem spannenden Beruf, sondern ist auch eine spannende Persönlichkeit die Unmengen zu erzählen hat. Praktischer Weise nicht nur allgemein, sondern auch und vor allem passend zu unserem Thema. Ursprünglich wollten wir vor allem etwas über seine Kunden erfahren, aber mit der Zeit geriet er selbst in den Fokus, als jemand der respektvoll und in dem Wissen um die lebenslange Verpflichtung die er einem unter die Haut bringt umgeht. Dass Tattoos also, wie wir nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema herausgefunden haben, irgendwie immer was bedeuten, auch wenn es nur die Geschichte hinter einem spontanen Motiv ist, hat mich selbst tatsächlich überrascht. Noch viel mehr aber, als Carl Ray Mann uns von seiner Arbeit erzählte. Dabei kam heraus: überraschend viele Menschen verbinden mit ihren Tätowierungen tiefe Emotionen, verarbeiten so Erlebnisse und ehren ihre Lieben. Oft ist ein Tattoo eine Erinnerung an Verstorbene, ein Kraftspender der einen aus schweren Zeiten helfen und neues Selbstvertrauen spenden soll. Menschen schöpfen neuen Mut aus ihrer Hautkunst, sie spendet Trost in schweren Zeiten und lässt sie weiter machen. Wie weit verbreitet das ist, war mir gar nicht bewusst. Ich hielt so tiefgründige Umstände immer für Ausnahmen und habe oftmals nur an Tattoos als Accessoire gedacht. So oder so ist uns aber durch dieses Projekt klar geworden, dass die Kunst die unter die Haut ist von Bedeutungen geprägt ist. Mal mehr, mal weniger intensiv oder tiefgründig. Aber eine Geschichte verbirgt sich alle mal hinter der Tinte unter der Haut.