Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der gymnasialen Oberstufe

  1. In dieser Situation müssen wir die individuellen Bedürfnisse der Seiteneinsteiger*innen am Gymnasium gründlich abwägen. Zwar mögen ihre Deutschkenntnisse noch nicht vollständig ausreichend sein, doch dürfen wir nicht übersehen, dass sie bereits über die akademischen Fähigkeiten und die Vorbildung verfügen, die eigentlich für den Besuch des Gymnasiums erforderlich sind. Darüber hinaus haben sie bereits Kontakte zu anderen Schüler*innen geknüpft, was für ihre soziale Integration von großer Bedeutung ist.Die Argumentation einiger Lehrpersonen, die Schüler*innen an eine Oberschule zu überweisen, mag auf den ersten Blick aufgrund der noch nicht vollständig entwickelten Deutschkenntnisse plausibel erscheinen. Allerdings birgt eine solche Entscheidung das Risiko, dass die Motivation der Seiteneinsteiger*innen sinkt und ihre bereits geknüpften sozialen Bindungen unterbrochen werden. Dies könnte sich negativ auf ihren Lernfortschritt und ihre Integration auswirken.

    Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, gezielte Unterstützungsmöglichkeiten anzubieten, um die Deutschkenntnisse der Seiteneinsteiger*innen zu verbessern und gleichzeitig ihre akademischen Fähigkeiten zu fördern. Dies kann durch zusätzlichen Deutschunterricht, unterstützende Materialien und individuelle Betreuung geschehen. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass sie die notwendigen sprachlichen Fähigkeiten entwickeln, um erfolgreich am Regelunterricht teilnehmen zu können, während sie gleichzeitig von den sozialen Kontakten und der Umgebung des Gymnasiums profitieren können. (Prof. Dr. Andrea Daase)

  2. Während meiner Schulzeit von 2017 bis 2020 an einer deutschen Schule in der Türkei hatte ich intensiv mit Mehrsprachigkeit zu tun. Diese Schule war ausschließlich für Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft zugänglich, jedoch war Deutschkenntnisse eine Voraussetzung. Trotzdem war es eine Schule, an der Schüler aus verschiedenen Ländern zusammenkamen. Diese Zeit war für mich die beste meines Lebens.Sowohl die Lehrkräfte als auch die Schüler haben dazu beigetragen, dass meine Erfahrungen dort einfach toll waren. Niemand wurde aufgrund seiner Deutschkenntnisse ausgegrenzt, und die Vielfalt der Sprachen und Kulturen wurde als Bereicherung betrachtet. 

    In Deutschland hingegen erlebe ich manchmal eine andere Realität. Hier passieren gelegentlich unfair Handlungen gegenüber Kindern, die mehrsprachig aufgewachsen sind. Dieser Unterschied in der Wertschätzung von Mehrsprachigkeit hat mich nachdenklich gemacht und verstärkt mein Anliegen, für eine inklusive und respektvolle Umgebung für alle Kinder einzutreten.

  3. In meiner zukünftigen Unterrichtsgestaltung plane ich, die Mehrsprachigkeit als eine wertvolle Ressource zu nutzen, um die individuellen Kompetenzen der Schüler vollständig zu entfalten und Chancengleichheit zu fördern. Anstatt ausschließlich auf die deutsche Sprache zu setzen, möchte ich den Schülern ermöglichen, auch ihre Muttersprachen aktiv einzubringen und zu nutzen, um Aufgaben zu lösen und sich auszudrücken.Durch die Integration verschiedener Sprachen und kultureller Hintergründe in den Unterricht möchte ich ein Umfeld schaffen, das die sprachliche Vielfalt der Schüler würdigt und als Bereicherung betrachtet. Dabei ist es mir wichtig, die sprachliche Toleranz zu fördern und ein Bewusstsein für die Bedeutung und den Wert von Mehrsprachigkeit zu schaffen. 

    Indem ich die Schüler ermutige, ihre Muttersprachen aktiv zu nutzen und zu pflegen, schaffe ich nicht nur eine inklusive Lernumgebung, sondern eröffne auch Möglichkeiten für sie, ihre sprachlichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln und neue Sprachen zu erlernen. Somit unterstütze ich sie dabei, sich zu selbstbewussten und vielsprachigen Individuen zu entwickeln, die in einer globalisierten Welt erfolgreich agieren können

  4. Die Schule in unserer mehrsprachigen Gesellschaft sollte eine offene und inklusive Atmosphäre schaffen, in der die Vielfalt der Sprachen und Kulturen der Schüler*innen aktiv unterstützt wird. Lehrkräfte müssen sensibel für unterschiedliche Sprachregister und kulturelle Hintergründe sein und flexible Lehrmethoden anwenden, um auf die individuellen sprachlichen Bedürfnisse einzugehen. Eine enge Zusammenarbeit mit Eltern und der Community ist ebenfalls entscheidend, um die Mehrsprachigkeit außerhalb der Schule zu fördern. So kann die Schule einen Rahmen schaffen, in dem alle Schüler*innen gleiche Bildungschancen erhalten und ihre sprachlichen Fähigkeiten entfalten können.(Prof. Dr. Andrea Daase)

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert