Film: I Am Not Your Negro (2016)
Regie: Raoul Peck
Dauer: 93 Min.
Autor: Helena Holl

Disclaimer: Dieser Artikel zitiert historische Archivdokumente, die belästigende Wörter einigen Menschen entgegen stießen. Dennoch diese Wörter müssen im historischen Kontext betrachtet werden und spiegeln auf keinem Fall eine politische Meinung der Autor.

 

 

– The questions we need to face –

“What white people have to do is try and find out in their own hearts why it is necessary to have a ’nigger‘ in the first place, because I’m not a nigger. I’m a man. But if you think I’m a nigger, it means you need it.”
– James Baldwin (1924-1987), im Gespräch mit C.K. Bancroft, 1963 –

Es sind Archivbilder aus einer Fernsehsendung im Jahr 1963, die im Film I Am Not Your Negro (2016) gezeigt wurden. Der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin wurde über seine Sicht vom Pessimismus, in einer Welt geprägt von der Bürgerrechtsbewegung und Kampf um die Integration von Afroamerikanern befragt. Er sagte er könne nicht pessimistisch sein, weil er am Leben wäre. An diesem Tag hatte er keine Ahnung, dass drei seiner Freunden in den kommenden Jahren ermordet sein werden. Erst Medgar Evers, ein paar Tage nach der Veröffentlichung dieser Fernsehsendung (am 12. Juni 1963). Danach Malcolm X, 21. Februar 1965, und schließlich Martin Luther King Jr. am 4. April 1968. Alle drei waren Civil Rights Aktivisten und starben, weil sie das Bild des „schwarzen Mensches“ hoch und stolz trugen, was als Gefahr von manchen weiß-amerikanische Zeitgenossen betrachtet wurde. Alle drei starben wegen eines Konzepts. Baldwin erklärt er sei nur ein Mann und die Tatsache, dass er als schwarz betrachtet wurde, wäre das Ergebnis eines Konstrukts. Der „Terror“ der weißen Menschen und die „Rage“ der schwarzen Menschen führten die Lage in den USA immer weiter in der Gewalt . Die Frage, die im Raum bleibt: „Warum?“, ist an jeden „white people“ gerichtet und wird von der Film I Am Not Your Negro nicht beantwortet. Vielleicht, weil die Antwort immer wechselnd ist oder weil sie tiefer geht: warum brauchen Menschen ein Ziel für jeden Hass? Dieser Frage folgt der Zuschauer im ganzen Film, denn der Blick Baldwins richtet sich vorallem menschlichen Fragen. Woher kommt dieser Hass? Was erlaubte er für eine Zukunft in den USA? Warum konnte kein Verständnis stattfinden?

Dies ist kein Film über epische Kämpfe, dies ist ein Weg nach menschlicher moralischer Entwicklung und eine Suche nach Urteilen für solche. Archivgespräche von Baldwin werden als roten Faden für den Film verwendet. Jede Abteilung der Gliederung sind Auszüge Baldwins Briefe. Dazwischen stürmen Bilder aus Archiv und Aktualitäten, aus der Werbung, aus Filmen, begleitet von Samuel L. Jacksons Stimme. Gelesen wird der unbeendete Roman Remember This House indem Baldwin seine Erinnerungen von Evers, Malcolm X und Luther King erzählen sollte. Es ist viel für den Zuschauer, denn auf dem Bildschirm ist eine Masse verschiedener Medien, die uns vor Geschichte und Gegenwart sitzen lassen. Es gibt keine Zeit zu atmen: jede Pause führt neue Reflexionsschlüssel ein. Mich stört diese Schnelligkeit nicht, den Film muss man mehrmals schauen und sich von dieser Dringlichkeit imprägnieren lassen. Weil der Kampf in den USA, um Gleichheit noch alltäglich stattfindet und Rassismus immer noch ein weltweit aktuelles Thema ist. Beweis dafür ist die Black Lives Matter Bewegung, welche sich 2013 in der Welt verbreitete. Dieses wilde Treiben von Bildern zeigt auch den Kampf um Civil Rights, wie Baldwin selber es empfinden sollte. Baldwin war kein Leader, obwohl er eine öffentliche Persönlichkeit war und vom FBI als Gefahr aufgelistet wurde. Baldwin sah sich wie ein Zeuge der Geschichte. Genau dieser Sichtpunkt wird im Film mitgeteilt. Es ist nicht episch, das ganze Werk ist unverblümt und effizient. Da der Zuschauer selbst ein Zeuge ist, funktioniert diese Regie Entscheidung extrem gut. Jeder wird von dem Film angesprochen. Jeder hat eine Rolle zu spielen im Kampf gegen Rassismus und für Integration. Baldwin sagt, er sei ein Zeuge geblieben , um die Geschichte später erzählen zu können: eine Art gemeinsame Erinnerungsbewacher. Dies erlaubt uns jetzt noch unsere Gesellschaft zu spiegeln und uns die Fragen zu stellen. Was ist der Zukunft unseres Systems? Was sagt Rassismus über unsere Gesellschaft aus und woher kommt es? Dieser Film bringt uns dazu unserer Realität in die Augen zu schauen und sie auf an einer tief moralischen Ebene zu hinterfragen. Denn wie Baldwin es erläutert: „History is not the past. It is the present” .

Die Frage der Moralität kommt immer vor. Im Film wird der anderen Seite der American Dream vorgestellt: einer Welt auf Ausschließung gebaut. Technisch gesehen hat der Regisseur Raoul Peck einen sehr scharfen Blick dem Film gegenüber beigebracht. Eine Mischung aus Gegenwart und Vergangenheit verankert das Thema in der heutigen Welt. Dabei bleibt die Geschichte des Civil Rights Kampfes immer im Bewusstsein der Zuschauer. So schockiert wie man sein kann, kommen sobald Bilder, die uns erinnern, dass diese Lage leider in einer Form noch aktuell ist. Das Spiel mit Farben wurde auch sehr klug benutzt. Das ganze Werk fängt und endet in Schwarz-Weiß. So ist die Grundnachricht klar. Aber, wenn es tiefer reinschaut wird, wurden Farben sehr fein benutzt. Wenn Baldwin bei einer Konferenz plötzlich Applaus bekommt wird das Video zur Farbe. Es stellt seine Äußerungen dar, denn er sagt, dass schwarze Menschen eigentlich überhaupt nicht anerkannt werden. Wenn das Publikum applaudiert, wird Baldwin endlich Teil der weißen Realität. Ein bisschen früher im Film, erzählt er, wie Kinder ab einem Punkt entdecken, dass sie schwarz sind. Dieser Punkt an dem people of color merken, dass die Welt nach Hautfarbe geteilt sei und, dass sie auf der härteren Seite geboren sind. Das Video wird von Schwarz-Weiß zu Farben geändert. Dieses Erlebnis ist leider ein häufiges Thema (bemerkenswertes Beispiel dafür ist Maya Angelous I Know Why the Caged Bird Sings ). In diesem Film ist der Zuschauer eine Zeuge aber gleichzeitig erleben wir mit, was die Herausforderungen des Schwarz-Seins in den USA sind. Wir sehen die Welt mit anderen Augen, denen Baldwin und denen von so vielen Menschen. Natürlich wird jeder bei diesem Film eine andere Gefühlsreise erleben. Aber sicher bleibt: I Am Not Your Negro ändert das Bild der Welt und steckt viele Reflektionsmöglichkeiten in den Geist der Zuschauer. Den Film will man wieder sehen und immer tiefer verstehen. Weil es wichtig ist und weil es alle Menschen betrifft, die stigmatisierte Menschen, die Beteiligte, die Leader…aber auch Sie und ich: die Zeugen.