- Versuchen Sie Maßnahmen, Projekte oder Initiativen, die Sie im schulischen Umfeld zum Umgang mit soziokultureller Heterogenität, inklusive der Vielfalt von Weltanschauungen und sozialen Lebenslagen, kennen gelernt haben (in Praktika, Arbeit, eigener Schulzeit o.ä.) zu charakterisieren, entsprechend dem theoretischen Vergleichsmodel aus der Vorlesung (Ausländerpädagogik/Interkulturelle Bildung/Antirassistische Pädagogik/Diversity Education). Begründen Sie die Einordnung und bewerten Sie die jeweilige Wirkung.
Im Rahmen eines Praktikums der Erzieherausbildung in einer Integrationskindergartengruppe (18 Kinder, davon 3 Kinder mit besonderem Förderbedarf1 im sprachlichen, sozial- emotionalen und motorischen Entwicklungsbereich) durfte ich vielseitige Erfahrungen sammeln. Die Integrationsgruppe im Alter von 3;0-7;0 Jahren vertraten in der Elternschaft Menschen, aus den verschiedensten Kulturen, Konfessionen und Lebenswelten. Auf die jeweiligen Grundsätze musste das pädagogische Personal adäquat eingehen und die Prinzipien der jeweiligen Konfession bei den Kindern berücksichtigen. Beispielsweise wurde bei der Zubereitung des Mittagsessens auf schweinefleischlose Kost geachtet und die Diversität der Kulturen in Gesprächen mit der Kindergartengruppe nahegelegt. Der Kindergartenname „Kunterbunt“ repräsentierte die pädagogische und menschliche Haltung/ Philosophie des Kindergartens und verordnete einen tolerante und weltoffene Einstellung im Qualitätshandbuch/ Konzeption der Kindertagesstätte. Im Zuge dessen wurde einmal im Jahr ein interkulturelles Fest mit den Familien aus dem gesamten Kindergarten gefeiert. Der soziale Austausch der Familien mit dem pädagogischen Fachpersonal stand im Vordergrund und die Beziehungsarbeit zu den Kindern und Familien war durch das gegenseitige Verständnis sowie Wertschätzung gekennzeichnet. Die Beziehungsarbeit, Kulturvermittlung wurde über den interkulturellen Dialog bei einem beispielsweise kulinarischen Buffet2 während des Festes mit den Familien gepflegt. Die Anerkennung von Heterogenität spiegelte sich im ritualisiertem Alltag der integrativen Kindergartengruppe wider. Die Kinder bemalten Flaggen, brachten Lieder und Fingerspiele von Zuhause mit oder auch interkulturelle Speisen. Ebenfalls bezog sich die Projektplanung auf den sozio- kulturellen Hintergrund der Kinder, welches sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung/ Identitätsfindung stärkte. Die Raumgestaltung und Spielzeugauswahl wurden entsprechend der Bildungsbereiche mit diversen Materialien versehen (ästhetischer Bildungsbereich, bsp. Verkleidungsstücke aus aller Welt, symbolisches Lernen und szenendarstellendes Spiel).
Folgend würde ich die beschriebenen Beobachtungen des sozialpädagogischen Handelns in Anlehnung der Vergleichsübersicht aus der Vorlesung zur Interkulturellen und antirassistischen/rassismuskritischen Pädagogik zu ordnen.
Begründung: Die Kindertagesstätte verleiht durch ihr Leitbild eine Wertschätzung und Anerkennung von Heterogenität. Gleichermaßen wurden über das Kitajahr verteilt unterschiedliche Projekte zur Diversität und Ethnizität angeboten. Somit wird im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrag präventiv ein Abbau von Diskriminierung und Rassismus in diesem Umfeld geschaffen. Die Berührungspunkte der individuellen Kulturen werden durch die tägliche Zusammenarbeit (Erziehungspartnerschaft) und durch gemeinsame Feste und Rituale geschaffen. Dies beugt unbegründeten Ängsten und Vorurteilen nachhaltig von Rassismus und Diskriminierung der Kinder (auch untereinander) und der Familien vor.
Nach der beliebten Anlage- Umwelt- Selbststeuerungsthese aus der Lerntheorie wird seitens der Bildungsinstitution, die Umwelt der Adressaten*innen durch den Abbau von Berührungsängsten der heterogenen Gesellschaft das Fundament für eine „gerechte“ Gesellschaft gesetzt. Die Selbststeuerungsprozesse müssten demnach von dem jeweiligem Individuum aktiviert werden!
- Welche Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika könnte man aus dieser durch Theorie geleiteten Reflexion zu 1. ableiten?
Also ich würde gerne die Rolle, Haltung und Einstellung der mir, der Schülerschaft und der Lehrkraft zum Thema Heterogenität in der Schule beleuchten/ beobachten. Die Kriterien habe ich aus der Vorlesung „soziokulturelle Heterogenität“ von Herrn Dr. Fantini abgeleitet und lasse diese in den folgenden Formulierungen mit einfließen. Anschließend ergänze ich die Kriterien mit meinen persönlichen Schwerpunkten und gebe ihnen anhand der Schlüsselqualifikationen aus dem pädagogischen Arbeitsfeld einen Rahmen.
- Meine Rolle: Personale Kompetenz: Beziehungsarbeit- aufbau zu den einzelnen Kindern. Aktuelle Bedürfnisse und Interessen wahrnehmen.
- Meine Rolle: Methoden/ Fach-/Personalekompetenz: Reflexionsfähigkeit über meine Wertevermittlung, Bild des Kindes, Rolle als Praktikantin, Aufgaben und Pflichten.
- Rolle der Lehrkraft: Personale-/ Fachkompetenz: Einstellung und Umgang mit Familien/ Eltern mit/ ohne Migrationshintergrund, (intersektionale Perspektive einnehmen)
- Rolle der Lehrkraft: Methoden-/ Fachkompetenz: Methoden im Unterricht. Das Unterrichtsmaterial auf Stereotypen überprüfen, Unterrichtsmethoden (Begründung/didaktische Reduktion), Sozialformen, Lernmaterial nach den Interessen und Ressourcen der SuS usw.
- Rolle der Lehrkraft: Methoden/ Fach-/Personalekompetenz: Reflexionsverhalten.„Fehlentscheidungen“ wahrnehmen, benennen und evaluieren können. Stetige Reflexion, Selbst- und Fremdwahrnehmung.
- Rolle der Lehrkraft: Personale-/ Fachkompetenz: Bild des Kindes: Sensibler Umgang, Empathie, Fairness, Multiperspektivität, Kommunikationsregeln, Konfliktlösungsstrategien, Freude an der Vermittlung und Offenheit zu neuen Erkenntnissen= personale Schlüsselqualifikation.
- Rolle der Schülerschaft: Lebenswelten der Kinder: Interessen, Ressourcen, Eigenschaften und Persönlichkeiten kennen lernen/ als Schlüssel für den Unterricht.
- Rolle der Schülerschaft: Sozialverhalten: Umgang untereinander, Soziogramm, Konfliktlösungsstrategien, Werte und Normen, soziale Benachteiligungen usw.
- Sehen Sie durch die Reflexion dieser Maßnahmen und Projekte Ansatzpunkte für mögliche Programme zur grundsätzlichen Weiterentwicklung von Schule und/oder Unterricht? Aus dem Rahmen des Projekts >>Kinderwelten3<< wurde ein praxiserprobter Ansatz zur vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung entwickelt. Anhand dieses Konzepts ließen sich eine diversitäts- und diskrimminierungsbewusste Organisationsentwicklung für das pädagogische Handlungsfeld ableiten. In den Einrichtungen geht es um folgende Bereiche:
- Familienkulturen achten – auf Eltern zu gehen
- Sprachvielfalt hören, sehen und verstehen
- Stereotypen vermeiden/ Anti Bias4 Umgebung schaffen
- Vielfalt ins Gespräch bringen mit diversen Lernmaterialien
- bei Diskriminierung eingreifen: Werte zeigen und Position beziehen
- Kinderliteratur und Arbeitsmaterialien im Sinne der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung einsetzen
- die Bildungsinstitution vorurteilsbewusst leiten5
Abschließend sehe ich eine große Verantwortung der primären und sekundären Sozialisationsinstanzen zur Prävention von Diskriminierung und Rasismus in unserer Gesellschaft. Um dies einheitlich in das Bildungssystem/ in die Gesellschaft zu transferieren, bedarf es an Innovation und Reflexion des Berufsfeldes einer Lehrkraft und der umliegenden Ressourcen.
„Kinder sind gleich und unterscheiden sich. Sie haben gleiche elementare bedürfnisse, aber ihre Biografien und Lebenswelten machen sie einzigartig.“(Prengel/ Steinhilber 2008, S.85)
In diesem Sinne freue ich mich auf die Kommentare! Bleibt gesund und munter!! Liebe Grüße Melina
Schlagwort: rv02
1Diesen Begriff/ Ausdruck verwendeten die damaligen Erzieher*innen, 2010
2Die Speisen mit kulturellem Bezug wurden von den Familien hergestellt und serviert.
3https://situationsansatz.de/fachstelle-kinderwelten.html am 29.04.2020 um 09.51 Uhr
4Situationsansatz und der Anti Bias Ansatz von Derman- Sparks aus Kalifornien
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