Liebe Leser*innen,
in meinem heutigen Blogbeitrag wird es um verschiedene Heterogenitätsdimensionen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht gehen.
Sandra, eine Schülerin der 3b, wählt bei einem Projekttag im Wald die Aufgabe ein Wald Mandala zu gestalten, obwohl sie lieber die Nistkästen repariert hätte. Die meisten anderen Mädchen der Klasse wählen auch die Aufgabe ein Wald Mandala zu gestalten.
Für die Interessensgenese nach Deci und Ryan müssen grundlegende psychologische Bedürfnisse der Selbstbestimmung erfüllt sein. Diese umfassen das Kompetenzerleben, die Selbstbestimmung/Autonomie und die soziale Eingebundenheit. Wenn man diese pädagogische Interessenstheorie nun auf den vorher geschilderten Fall bezieht, wird deutlich, dass die soziale Eingebundenheit bei der Wahl der Aufgabe eine Rolle gespielt haben könnte. Das Mädchen hat sich vermutlich so entschieden, weil es dasselbe machen wollte wie die anderen Mädchen. So fühlt sie sich in ihrer Umgebung akzeptiert und anerkannt. Außerdem könnte es sein, dass sich das Kind gegen die Nistkästenaufgabe entschieden hat, weil es selbst noch nicht so viele Erfahrungen mit Reparaturarbeiten gemacht hat und somit noch kein Kompetenzerleben hatte. Im Vergleich dazu hat sie womöglich schon einige Erfahrungen mit Mandalas gemacht.
Die Lehrkraft hat hier die Aufgaben stark an vorhandenen Geschlechterklischees ausgerichtet. Dies ist für eine vielfältige Interessensbildung eher hinderlich. So konnte von vornhinein vermutet werden, dass es zu einer Trennung der Geschlechter kommen würde. Als Lehrkraft hätte man die Aufgabenstellung sinnvollerweise anders gewählt und in beiden Gruppen sowohl Aspekte, die Mädchen als auch Aspekte die Jungen mehrheitlich interessieren mit eingebaut. So hätten sich die Kinder in vielfältigen Gebieten erproben können und durch diese persönlichen Erfahrungen individuelle Interessen herausfinden können. Auch Sandra aus unserem Fallbeispiel wäre dann nicht dem Gruppenzwang ausgesetzt und könnte sich freier entfalten.
Meiner Ansicht sollte im Werkunterricht nicht ausschließlich in Zweierteams kombiniert aus Mädchen und Jungen gearbeitet werden. So bekämen die Mädchen den Eindruck, dass sie in technischen Dingen die Unterstützung der Jungen benötigen würden. Dies wäre für den Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes eher hinderlich. Des Weiteren hängen die Interessen stark von dem sozialen Umfeld der Kinder ab. Folglich gibt es auch Jungen, die sich wenig oder gar nicht für Technik interessieren und Mädchen, die in ihrem Alltag schon vielfältige Erfahrungen mit technischen Themen gemacht haben und sich dafür interessieren. Im Mittel ist das Interesse an technischen Themen bei Mädchen im Grundschulalter zwar geringer, jedoch sollte immer auf die individuelle Lerngruppe geschaut werden, um Gruppen einzuteilen. Bei der Einteilung von Gruppen im Technikunterricht gibt es deutlich mehr Kriterien wie zum Beispiel der Umgang mit Werkzeugen, Feinmotorik, Genauigkeit, Kreativität, die eine Rolle spielen sollten.
Würde ich eine Bachelorarbeit zum Thema gendersensiblen Sachunterricht schreiben, würde ich mich mit gendersensibler Sprache im Sachunterricht auseinandersetzen. Eine mögliche Forschungsfrage könnte sein: „Inwiefern wird in heutigen Schulbüchern für den Sachunterricht auf eine gendersensible Sprache und Gestaltung geachtet?“ Hierzu könnte man sich Schulbücher von verschiedenen Schulbuchverlagen ansehen und die Sprache sowie Bilder und Themen analysieren. Bei der Sprache sollte zum Beispiel immer von Wissenschaftler*innen und Forscher*innen die Rede sein und bei Bildergestaltung sollte nicht nur das männliche Geschlecht abgebildet werden. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass sowohl Themen die Mädchen mehrheitlich interessieren als auch Themen die Jungen mehrheitlich interessieren in einem ausgewogenen Verhältnis in den Schulbüchern auftauchen.
Vielen Dank für Lesen
Eure Caroline
Deci, Edward; Ryan, Richard 1993: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und die Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik 39, S. 223-238.
Maltzahn, Katharina von 2014: Mädchen und Naturwissenschaften. Zur Entwicklung von Interessen nach der Grundschule. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.
Ich stimme dem zu, dass „für die Interessensgenese grundlegende psychologische Bedürfnisse der Selbstbestimmung erfüllt sein müssen“ (Deci und Ryan 1993). Die Theorie der Selbstbestimmung wird als „menschliche Motivation“ bezeichnet (Deci und Ryan 1993: 223). Das Selbst steht im Zentrum der Forschung und wird als Prozess und Ergebnis der Entwicklung dargestellt (Deci und Ryan 1993: 223). Es kommt jedoch häufig vor, dass der Integrationsprozess vom sozialen Umfeld beeinflusst wird (Deci und Ryan 1993: 223). Deci und Ryan (1993: 223) zufolge spielen „angeborene psychologische Bedürfnisse und grundlegende Fähigkeiten und Interessen des Individuums“ eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus erweitert sich die Struktur des Selbst im Laufe der Entwicklung durch „die Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt“ (Deci und Ryan 1993: 223).
Ich bin auch der Meinung, dass die Lehrkräfte manchmal die Aufgaben nach dem Geschlecht des Kindes aufteilen können. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich bestätigen, dass der Werkunterricht sich zwischen Mädchen und Jungen deutlich unterschieden hat. Die Mädchen beschäftigen sich meistens mit Sticken und Stricken. Deswegen denke ich auch, dass das Kind in diesem Fall auf seine eigenen Bedürfnisse und Interessen verzichtet, weil es in der Gesellschaft akzeptiert werden möchte.
Das Thema „Heterogenitätsdimensionen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht“ ist mit dem Modulthema „Umgang mit Heterogenität in der Schule“ eng verbunden, denn hier liegt der Fokus auf dem Kind als Individuum. Dabei spielen Emotionen, physiologische und psychologische Bedürfnisse eines Kindes eine wichtige Rolle (Deci und Ryan 1993: 229). Die oben genannten Aspekte sollen auch berücksichtigt werden, damit der Integrationsprozess gelingt.
Literaturverzeichnis
Deci, Edward L.; Ryan, Richard M.: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik – In: Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) 2, S. 223-238.