Prof. Dr. Frank J. Müller: Auf dem Weg zu einer Schule

Wir alle haben und brauchen Vorbilder. Das betrifft SuS ohne Förderbedarf genauso wie SuS mit Förderbedarf. Vorbilder dienen dazu, dass wir von ihnen lernen und uns viel von ihnen abschauen. Wenn SuS mit Förderbedarf in Restschulen, oder -gruppen ausgesondert werden, dann fehlen ihnen diese Vorbilder. Sie schauen sich mit großer Wahrscheinlichkeit die falschen Dinge von ihren Mitschülern ab und werden so daran gehindert, sich bestmöglich zu entwickeln.

Zuallererst ist zu erwähnen, dass es schwer ist, solche Förderschwerpunkte zu etikettieren. Es kann durchaus sein, dass zwei Kinder, die demselben Förderungsschwerpunkt zugeordnet werden, völlig verschieden sind. So kann ein Kind mit dem Schwerpunkt „Wahrnehmung und Entwicklung“ zum Beispiel Probleme im Bereich der Kombinationsfähigkeit und Problemlösung haben und einem anderen hingegen fällt es schwer kreativ zu denken. Genau dasselbe Problem trifft auch auf den „Förderschwerpunkt Lernen“ und alle anderen Schwerpunkte zu.
Wichtig wäre es für mich als Lehrerin also, erst einmal herauszufinden, wo genau die Problemschwerpunkte des Kindes liegen. Hierfür könnte man unter anderem versuchen mit den Eltern und mit deren Erlaubnis auch alten LehrerInnen in Kontakt zu treten, um herauszufinden, wie die SuS in der Vergangenheit gefördert wurden, um gegebenenfalls an diesen Methoden anzuknüpfen.

Diese Methode der Informationsbeschaffung wäre der erste Schritt dahin, den SuS mit Förderungsbedarf am besten gerecht zu werden. Wichtig wäre es jedoch auch, mit dem Kind selbst zu sprechen. Wie hat es die vorangegangenen Unterrichtsmethoden wahrgenommen. Was hat das Kind daran als besonders positiv oder negativ in Erinnerung? Ich denke, dass das an vorderster Stelle stehen sollte. Leider kommt es viel zu oft vor, dass die Kinder bei Entscheidungen über ihre eigene Zukunft zuletzt gefragt werden.

Meint Inklusion wirklich alle?

Das zentrale Thema der Ringvorlesung von Frau Dr. Eileen Schwarzenberg war die Frage: „Meint Inklusion wirklich alle?“

Bei dem sonderpädagogischen Förderbedarf handelt es sich um eine administrative Vereinbarung, die die Be- und Entrechtungen einer Person regelt. Diese wird diagnostiziert und ist keine Eigenschaft einer Person, führt aber in vielen Bundesländern dazu, dass SuS eine Sonder- oder Förderschule besuchen. Festgestellt wird dieser Förderbedarf für SuS mit Behinderung, die hierdurch z.B. langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben. Ziel der Inklusion ist es, Sonder- und Förderschulen weitestgehend abzuschaffen und die SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf langfristig in den normalen Schulalltag zu integrieren und diese mit Sus ohne Förderbedarf zu unterrichten.
Die Inklusion als Systemwandel sieht eine grundlegende Veränderung des Schulsystems vor und zielt in erster Linie auf die Menschenrechte.
Bei der zweiten Form von Inklusion wird eine Doppelstruktur vorgesehen, bei der es eine Vielzahl von Beschulungsformen und ein Wahlangebot gibt. Und bei der neuesten, dritten Form der Inklusion handelt es sich um eine Inklusion unter Berücksichtigung der Förderbedarfe, bei der kein Parallelsystem vorgesehen wird, sondern alle SuS bei Bedarf eine persönliche Förderung erhalten können.

Ich denke, dass es wichtig ist, dass allen SuS die Möglichkeit gegeben wird, so viel zu erreichen wie sie können und wollen, was heutzutage in den meisten Bundesländern mit Sonder- und Förderschulen nicht gegeben ist. Wichtig ist hierbei, dass das Schulsystem auf vernünftige Art umgestellt wird und nicht zu voreilig, um die LehrerInnen nicht zu überfordern. Diese sollten durch vorangestellte Fortbildungen und Sonderpädagogen während des Unterrichts ausreichend unterstützt werden. Damit diese Chancengleichheit für alle SuS besteht, ist es meiner Meinung nach jedoch nicht richtig, alle SuS in eine Klasse zu stecken, da ich denke, dass gerade SuS mit besonderem Förderbedarf sonst aus dem System fallen. Trotzdem finde ich den Ansatz der ersten Form der Inklusion, die einen Systemwandel vorsieht, nicht schlecht und würde diesen vielleicht auf Grundschulen anwenden, sodass danach entschieden wird, ob und inwiefern besonderer Förderbedarf besteht.

Am wichtigsten ist meiner Meinung nach immer der Umgang der SuS untereinander. Die SuS mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf können nicht von der Inklusion profitieren, wenn es den LehrerInnen nicht gelingt, alle gemeinsam in den Unterricht mit einzubeziehen und vor allem wenn die Akzeptanz der SuS ohne Förderbedarf gegenüber denen mit Förderbedarf nicht gegeben ist. An erster Stelle steht also, die SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Gemeinschaft zu integrieren, sodass alle SuS gemeinsam die Aufgaben bearbeiten. Spannend für mich wäre während des Praktikums also, wie die LehrerInnen genau dies umsetzen. Vielleicht durch Gruppenarbeit oder Partnerarbeit.

Eingliederung von SeiteneinsteigerInnen

Als Seiteneinsteiger gelten die SuS, die mit keinen/wenigen Deutschkenntnissen nach Deutschland zugewandert sind und ihre Schullaufbahn nicht im deutschen Schulsystem begonnen haben. Ein großer Anteil dieser Gruppe hatte vorher nur eine begrenzte oder unterbrochene Schulausbildung.
In Bremer Schulen gibt es sogenannte Vorkurse, die die Sprachförderung für zugewanderte SuS vor dem Regelunterricht unterstützen. Diese werden durch die Alphabetisierungskurse ergänzt, die von SeiteneinsteigerInnen besucht werden, die auch in ihrer Muttersprache nicht literalisiert sind. Beide Kursvarianten beziehen sich auf SuS der Sek. I, neu zugewanderte SuS der Sek. II besuchen die abschlussorientierten Klassen. Alle Kurse haben die Vermittlung von produktiven (A2) und rezeptiven (B2) Deutschkenntnissen zum Ziel. Es ist möglich, dass die SuS vor Beendigung dieser Kurse schon den Regelunterricht besuchen, abhängig von ihrem individuellen Entwicklungsfortschritt.

Die von den SeiteneinsteigerInnen erlernten Kenntnisse nach Vollendung eines vorbereitenden Vorkurses sind sehr unterschiedlich. Manchen von ihnen fällt das Erlernen einer neuen Sprache besonders leicht und andere brauchen für eine ähnliche Kompetenz mehr Zeit. Genau hier setzen Binnendifferenzierende Maßnahmen an und sind gerade deswegen wichtig, da diese Lernunterschiede durch unterschiedliche Vorkenntnisse/-bildung aber auch unterschiedliche Auffassungsgabe der SuS ganz natürlich sind.
Leider habe ich keine Praxiserfahrungen mit SeiteneinsteigerInnen. Der einzigähnliche Fall, der sich in meinem Umfeld abgespielt hat, war der eines argentinischen Aupairmädchens, das für ein Jahr nach Deutschland gekommen war. Hier hat sich gezeigt, dass neben dem Besuch von schulischen Vorkursen vor allem der Umgang mit Muttersprachlern sehr wichtig war. Deswegen halte ich es nicht für sinnvoll, SeiteneinsteigerInnen komplett in eigenen Klassen abzuschotten, sondern würde diese direkt in die anderen Klassen integrieren. So können sich Freundschaften bilden und das Erlernen der neuen Sprache ist nicht mehr nur rein theoretisch, sondern erfolgt auch auf praktischer Ebene.

Da die SeiteneinsteigerInnen sich am Anfang nicht auf schriftlichem oder sprachlichem Weg ausdrücken können, wäre es meiner Meinung nach eine gute Idee, wenn Ihnen Aufgaben gestellt würden, bei denen sie Dinge bildlich darstellen müssen. Zum Beispiel wäre es ein guter Einstieg, wenn alle SeiteneinsteigerInnen etwas über sich malen müssten, eine Art Steckbrief. Diese Aufgabe könnte auch den deutschsprachigen SuS gestellt werden und nach Abschluss dieser Aufgabe könnte man die Ergebnisse vergleichen. Auf diese Art und Weise könne man die SeiteneinsteigerInnen spielerisch in die Gemeinschaft integrieren und es würden sich sicherlich auch viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gruppen finden lassen, sodass die ersten Schritte für eine Eingliederung getan wären.