Auto-Ethnographie
Die Beobachtung wurde am 05.06.2024, an einem Mittwochnachmittag durchgeführt. Die ehemalige Telefonzelle im Schnoor-Viertel ist der Gegenstand der Beobachtung. Ich habe mich, als ich an dem Platz angekommen bin, zunächst näher mit der ehemaligen Telefonzelle beschäftigt. Ich habe mir im Vorhinein schon einen groben Ablauf vorgenommen. Ich wollte zunächst selber einen Blick in den ehemaligen Fernsprecher werfen und die Bepflanzung auf mich wirken lassen. Im Anschluss hab ich mir vorgenommen, mich in ein angrenzendes Café oder Bar zu setzen, von der ich die Telefonzelle gut beobachten kann, um herauszufinden, ob und wie Vorbeigehende diese wahrnehmen oder mit ihr interagieren.
Mein erster Eindruck der gelben Säule ist, dass ich erstaunt bin über die „Sicherheitsvorkehrungen“, die scheinbar doch nichts nutzen. Vor der eigentlichen Tür hängt ein großes Vorhängeschloss, die Scheiben sind teilweise eingeschlagen und an der einen Seite sogar komplett entfernt. Wie sich in einem späteren Gespräch herausgestellt hat, ist es beabsichtigt, dass die eine Seite keine Scheiben hat, da hierüber die Pflanzen mit Wasser versorgt werden. Der Blick ins Innere der Telefonzelle hat auf mich einen wilden Eindruck hinterlassen. Es sind zwar viele Pflanzen vorhanden, doch die Auswahl finde ich verwirrend. Es befinden sich zwei kleine Tannen, sowie diverse andere Pflanzen und Dekoelemente, wie beispielsweise kleine Steinskulpturen, verschiedene Stöcker und ein Vogelhaus, in der ehemaligen Telefonzelle. An der Vorderseite ist ein Zeitungsartikel angebracht, der über die ehemalige Telefonzelle und Frau Karen Marten berichtet. (Frau Marten ist die Person, die sich um die Telefonzelle kümmert.) Dennoch ist der Gesamteindruck bei mir positiv gewesen, da ich mich über das Gesamtbild der gelb leuchtenden, mit dem grünen Kontrast, der Telefonzelle freuen kann. Besonders sind die zwei Tannen in meinem Kopf hängen geblieben, da ich auch jetzt beim Niederschreiben meiner Notizen diese unpassend für den Sommer empfinde.
Zum jetzigen Zeitpunkt der Beobachtung hab ich mich entschieden, mir einen guten Beobachtungspunkt mit etwas mehr Distanz zu suchen. Der Platz vor dem „Mini-Gewächshaus“ ist sehr belebt. Das Café ist sehr voll. Es ist kein freier Tisch zu sehen. Ich entscheide mich für den angrenzenden Pub, das „Little Marys“. Hier ist wenig los. Eine weitere männliche, junge Person sitzt an einem Tisch, raucht eine Zigarette und trinkt nebenbei ein Bier. Ich bestelle mir im Pub etwas zu trinken und setze mich wieder nach draußen. Es herrscht reger Betrieb. Vereinzelt fahren Autos vorbei, viele Fahrräder und am meisten kann ich über den Platz laufende Fußgänger*innen beobachten, die alle dem ehemaligen Fernsprecher wenig Aufmerksamkeit schenken. Hin und wieder wirft jemand einen Blick auf die gelbe Säule, interagiert aber nicht näher mit dieser. Das hat mich etwas verunsichert. Schaffe ich nun überhaupt irgendwas zu beobachten? Nach ungefähr zehn Minuten hat sich das Treiben auf dem Platz wenig verändert. Es ist immer noch eine Menge los. Die Leute scheinen den Sonnenschein zu genießen und gehen ihrer Wege. Allerdings kann ich ein älteres, vermutlich Ehepaar beobachten, wie sie sich die ehemaligen Telefonzelle näher anschauen. Der Mann und die Frau sind mit dem Fahrrad unterwegs und haben scheinbar extra wegen der ehemaligen Telefonzelle angehalten. Sie schauen sich beide zunächst gemeinsam das Innenleben dieser an und lesen den Zeitungsartikel, der in einer der Scheiben hängt. Das alles dauert nicht lange. Nach kurzer Zeit scheint die Frau das Interesse verloren zu haben und geht zurück zu ihrem Fahrrad. Der Mann stellt sich mit etwas Entfernung vor die Telefonzelle, zückt sein Handy und macht vermutlich ein Foto. An dieser Stelle hat es mich gefreut, dass Personen mit dem Untersuchungsgegenstand interagiert haben. Ich finde, dass das ältere Ehepaar die Möglichkeiten des „Mini-Gewächshaus“ ausgenutzt hat. Sie haben sich die Pflanzen angeschaut, vermutlich den Vandalismus wahrgenommen, den Zeitungsartikel durchgelesen und ein Erinnerungsfoto geschossen. Nachdem die beiden auf ihren Rädern weggefahren sind, hat sich an dem umliegenden Bild nicht viel verändert. Der Platz ist immer noch sehr belebt, das Café gut besucht und die umliegenden Tische von mir, sind immer noch leer. Inzwischen ist auch der junge Mann, der vorhin im Pub saß gegangen. Nach weiteren vergangenen 20 Minuten ist eine Gruppe von – meiner Schätzung nach – 50-60 Jährigen bei der Telefonzelle und lesen sich in einem Halbkreis davorstehend den Zeitungsartikel durch. Die Verweildauer der Gruppe ist kürzer als bei dem Ehepaar zuvor. Aus der fünfköpfigen Gruppe haben nach dem Studium des Textes und kurzer Diskussion zwei Leute ein Foto von dem ehemaligen Fernsprecher gemacht. Ich kann leider nicht hören, was sie sagen, ich nehme aber an, dass es thematisch um die Installation geht. Ich wende, nachdem die Personengruppe zu Fuß weggegangen ist, meine Beobachtung wieder dem umliegenden Platz zu. Auch in den nächsten zehn Minuten kann ich nichts auffälliges beobachten. Ich habe versucht die Blickrichtung der Personen zu beobachten und zu deuten. Es kann durchaus sein, dass hin und wieder mal ein Blick auf die Telefonzelle geworfen wurde. Das kann ich aber nicht mit absoluter Gewissheit sagen. Dann kommen zwei, wie Schülerinnen aussehende Mädchen vorbei. Auch die beiden lesen sich den Zeitungsartikel im Vorbeigehen durch. Allerdings macht keine von beiden ein Foto. Auch ist die Verweildauer der beiden Mädchen sehr kurz.
An dieser Stelle breche ich meine Beobachtung ab. Ich bin der Meinung ein ausreichend gutes Bild von ehemaligen Telefonzelle und dem umliegenden Platz gewonnen zu haben. Ein bisschen enttäuscht bin ich darüber, wie wenig Menschen sich näher mit der gelben Säule beschäftigt haben. Aber ich muss selber zugeben, dass ich persönlich nicht anders interagieren würde, wenn es nicht der Gegenstand der Forschung ist. Ich kann die Erkenntnis gewinnen, dass sich ein breites Publikum, von jung bis alt mit dem „Mini-Gewächshaus“ beschäftigt. Die Dauer der Interaktion und die Freude an dieser scheint mit zunehmendem Alter zuzunehmen. Dennoch ist das generelle Interesse auch bei den augenscheinlichen Tourist*innen eher gering.
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