Autorinnen: Jin Liao, Jasmin Stelter und Marianne Tensing

Beschreibung und AkteurInnen

Der Klimawandel stellt alle Lebensformen auf der Erde vor immer neue Herausforderungen, da sich durch steigende Temperaturen und veränderte Wetterbedingungen zunehmend Lebensräume verschieben oder sich grundsätzlich verändern. Diese Veränderungen beziehen sich nicht nur auf den ländlichen Raum, sondern ganz besonders auch auf das Klima in den Städten. Das Stadtklima ist besonders durch höhere Temperaturen, geringere Niederschläge, andere Windverhältnisse und durch eine schlechtere Luftqualität gekennzeichnet (Essl/Rabitsch 2013: 256). Durch den Klimawandel werden diese Trends weiter verstärkt und wirken sich auf alle in der Stadt lebenden Lebewesen aus. Besonders für Bäume sind die veränderten Bedingungen ein großes Problem, da sie nicht mobil sind und eine hohe Lebenserwartung haben. Zudem sind Stadtbäume, also alle Bäume die innerhalb einer Stadt wachsen, ein wichtiger Helfer bei der Regulierung und Stabilisierung des städtischen Klimas (Miller 2023). Auch der Umweltbetrieb Bremen (2024) stellt fest, dass

“jeder Baum […] wertvoll [ist]. Er wirkt sich kühlend in heißen Sommern aus und trägt somit zu einem erträglichen lokalen Klima bei. Er hilft, Schadstoffe aus der Luft zu filtern und verbessert maßgeblich die Luftqualität. Er dämpft mit seinem Blattwerk die Lärmemissionen der Stadt und fördert den Erhalt der Biodiversität.”

Aus diesem Grund beschäftigt sich unser Beitrag mit der Sorge-Praktik der Pflege an den Stadtbäumen, die dabei helfen sollen, dass die Bäume Wetterextremen wie Starkregen, Hitze und Trockenheit standhalten und ihre Klimaresilienz erhöhen. So sollen sie mit den raschen Auswirkungen der Klimakrise zurechtkommen, während sie gleichzeitig ihre eigene Rolle bei der Regulierung des Stadtklimas behalten.

Baum mit Schutzmatte aus Bambus und Draht im Bürgerpark (eigene Aufnahme)

Die Sorge-Praktiken beinhalten den Baumschnitt, die Bewässerung, die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Bäume gegen Schädlinge, die Bepflanzung der Beete um die Bäume und auch die Auswahl und Erneuerung der Baumarten. Durch den  Klimawandel gibt es neue Anforderungen für die Arbeit an den Bäumen und sie muss entsprechend verändert werden. Das Ziel unserer Untersuchung ist zu analysieren, welche Veränderungen in der Sorge-Praktik in Bremen vorgenommen werden, um den Stadtbäumen zu helfen, die Klimakrise zu bewältigen.

Als Standorte für die Forschung wurden der Bremer Bürgerpark und die öffentlichen Parks in Bremen ausgewählt. Der Bürgerpark wurde 1866 angelegt und liegt in der Bremer Innenstadt (Der Bürgerpark Bremen o. J.). Heute ist der Park ein Gartendenkmal und seine Bäume machen einen wichtigen Teil der Stadtbäume Bremens aus. Neben ihrer Bedeutung für die Regulierung des Stadtklimas spielen viele Bäume auch eine emotionale Rolle im Leben der BremerInnen. Im Bremer Stadtgebiet gibt es neben dem Bürgerpark noch eine Vielzahl anderer öffentlicher und privater Parkanlagen. Für die Pflege der Bäume in den öffentlichen Parkanlagen ist der Umweltbetrieb Bremen zuständig. Auch wenn der Bürgerpark der flächenmäßig größte Park Bremen ist, spielen auch die anderen Parks für die Menschen und das Stadtklima eine wichtige Rolle.

Für unsere Untersuchung haben wir drei AkteurInnen ausgewählt. Entsprechend ihren Zuständigkeiten sind das die Stadt Bremen, der Umweltbetrieb Bremen und der Bürgerparkverein. Die Stadt Bremen stellt das Handlungskonzept Stadtbäume zur Verfügung, das unter anderem Leitlinien zur Auswahl und Erneuerung der Baumarten sowie ein Bewässerungsmanagement für Stadtbäume enthält. Es bezieht sich auf das gesamte Stadtgebiet Bremen und bietet eine Makrosicht auf die Pflege von Bäumen in Bremen im Kontext des Klimawandels. Mit dem Umweltbetrieb Bremen haben wir ein schriftliches Interview per E-Mail geführt, um die Maßnahmen für die von ihnen betreuten Stadtbäume zu erfahren. Außerdem haben wir ein Interview mit dem Bürgerparkverein über ihre Veränderungen bei der Baumpflege geführt.

Arten und Formen der Care-Arbeit

Jungbaum mit Baumpfahl aus Holz als Stütze im Bürgerpark (eigene Aufnahme)

Die öffentlichen Parks in Bremen und der Bürgerpark haben mit ähnlichen Herausforderungen durch den Klimawandel zu kämpfen. Dadurch ergeben sich auch ähnliche Schwierigkeiten bei der Pflege der Parkbäume. So geben beide Interviewpartner (Umweltbetrieb Bremen und Bürgerpark) an, dass sich die größte Problematik durch die zunehmende und länger anhaltende Trockenheit ergeben. Dies betrifft sowohl neu gepflanzte Jungbäume als auch den Altbaumbestand, wobei beide Gruppen unterschiedliche Pflege benötigen. Bei der Pflanzung von Jungbäumen geben beide Parteien an, dass vor allem der Gießaufwand für die Bäume erheblich gestiegen ist. Durch zunehmend längere Trockenheitsphasen müssen die Bäume intensiver gegossen werden und somit statt bisher anderthalb bis zu fünf Jahre intensiv betreut und überwacht werden. Außerdem wird der Fokus auf wassersparendes Vorgehen gelegt und dafür zum Beispiel Gießringe genutzt. Im Bürgerpark wird zum Gießen ausschließlich das Wasser der parkinternen Gewässer verwendet. Zusätzlich wird im Hollersee das Regenwasser vom Dach der ÖVB-Arena gespeichert und verwendet.

Des Weiteren sorgt der Klimawandel auch für steigende Sonneneinstrahlung und Hitze (Lozán et al. 2019), weshalb die Rinde der Bäume geschützt werden muss. Dies kann mit Hilfe von sogenannter Baumschutzfarbe stattfinden oder durch die Verwendung von Baumschutzmatten.

Neben einer Veränderung der Pflegearbeiten ist auch eine veränderte Artenauswahl notwendig. So müssen Arten gewählt werden, die resistenter gegen Trockenheit sind oder auch mit den Belastungen durch ein verändertes Vorkommen von Schädlingen und Pilzen zurechtkommen.

“Also ein klassisches Beispiel ist natürlich die einheimische Rotfichte, die natürlich bei Trockenstress ganz wunderbar vom Borkenkäfer befallen wird. Und der bringt die dann ja auch zum Absterben” (Interview Bürgerpark 2024).

Baum im Bürgerpark mit Stützen aus Metall (eigene Aufnahme)

Während sich der Umweltbetrieb bei der Auswahl neuer Baumarten vor allem auf die Klimabaumliste der Stadt bezieht, nutzt der Bürgerpark Erfahrungen der Mitarbeiter und testet viele neue Arten direkt im Bürgerpark, was jedoch Zeitspannen von 20-40 Jahren in Anspruch nehmen kann. Der Umweltbetrieb setzt außerdem auf eine gemischte Pflanzung von Bäumen, um die Ausbreitung von Schädlingen zu erschweren. Obwohl nicht alle Baumarten den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind, versuchen Bürgerpark und Umweltbetrieb den Altbaumbestand zu schützen und Bäume nur dann auszutauschen, wenn eine Fällung alternativlos ist. Bei Neupflanzungen wird neben den Arten auch auf eine gute Vorbereitung geachtet. So ist eine Vergrößerung der Pflanzgruben sinnvoll sowie die Verwendung spezieller Substrate, die das Anwachsen verbessern. Durch die Veränderungen des Wetters leidet auch die allgemeine Vitalität der Bäume. Besonders beim Altbaumbestand kann es so zu einem erhöhten Vorkommen von Totholz kommen. Um die Sicherheit der ParkbesucherInnen zu gewährleisten und auch den städtischen Verkehr nicht zu gefährden, müssen die Bäume regelmäßig gepflegt werden, was neben dem Entfernen von Totholz auch ein Abstützen von Ästen beinhaltet.

Die Arten der zu leistenden Pflegemaßnahmen verändern sich durch den Klimawandel kaum, wohingegen der Umfang stark zunimmt. Neben dem eigenen Personal werden auch Fremdfirmen für die Pflegearbeiten eingesetzt. Für die Gewährleistung der Pflegequalität suchen beide Parteien den Austausch mit Fachkreisen und ermöglichen ihren MitarbeiterInnen Fortbildungen.

Probleme durch zunehmende Starkregenereignisse spielen bei der Baumpflege in Bremen eine untergeordnete Rolle, da der Bürgerpark gut entwässert wird. Nur bei lang anhaltenden Regenperioden haben die Parks in Bremen Probleme mit abweichendem Boden, welcher  die Standfestigkeit vor allem alter Bäume gefährdet. Ein stark aufgeweichter Boden erschwert außerdem die Neupflanzung von Bäumen.

Theorie und Bedeutung für die Stadt Bremen

Städte sind aufgrund ihres verdichteten Siedlungsraum und der biologischen Vielfalt als

„’Habitat‘ zahlreicher nicht-menschlicher Organismen“ (Hauck/Weisser 2018)

besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Um eine Stadt klimaresilienter (Schramm, Matzinger & Libbe 2020) zu gestalten, gibt es verschiedene Handlungsoptionen. Unter anderem können Stadtbäume eine wichtige Bedeutung einnehmen. Auch einzelne Bäume können dazu beitragen, denn

„[s]elbst kleinste Grünflächen […] und die Verminderung des Versiegelungsgrades tragen zur Verbesserung des Lokalklimas bei“ (Herberg/Kube 2013: 260).

Grünfläche im Bürgerpark mit Bäumen und Sträuchern (eigene Aufnahme)

Die Stadt Bremen versucht mit ihrem Handlungskonzept Stadtbäume die Stadt  klimaresilienter zu machen. Ein Handlungsfeld befasst sich speziell mit Bäumen im Klimawandel. Hier ist das Ziel, den Baumanteil mittel- bis langfristig zu erhöhen. Dabei hilft eine Klimabaumliste, an der sich der Umweltbetrieb beim Pflanzen neuer Bäume orientiert und diese auch im Austausch mit der Stadt Bremen ergänzt (Interview Umweltbetrieb Bremen 2024).

Des Weiteren beinhaltet das Handlungsfeld ein Konzept für das Bewässerungsmanagement der Stadtbäume, denn

„wichtige Altbäume sollen vor dem Absterben aufgrund von Trockenheit bewahrt und es sollen Strategien erarbeitet werden, wie mit der Ressource Wasser in Bezug auf Stadtbäume umgegangen werden soll“ (Die Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft 2024).

Dieses Ziel ist sehr ambitioniert, da durch den Klimawandel vermehrte Dürreperioden die Stadtbäume schwächen. Totholz und Schädlinge sowie vermehrte Stürme und zunehmende Starkregenereignisse führen zu einem größeren Sicherheitsrisiko für Verkehr und für die BewohnerInnen Bremens.

„[W]ir [merken] eben bei den Altbäumen, dass wir da auch einen erheblich höheren Pflegeaufwand haben. Durch die Entstehung von Totholz und dann entsprechend Gewährleistung von Verkehrssicherheit und ähnlichen Sachen. Das […] [d]ort der Aufwand erheblich größer geworden ist“ (Interview Bürgerpark 2024).

Außerdem bestätigt der Umweltbetrieb, dass

„[d]er Fokus bei der Bewässerung […] sich auf die Jungbäume“ (Interview Umweltbetrieb Bremen 2024)

richtet. Somit kann der Eindruck entstehen, dass Altbäume zwar in der Theorie eine wichtige Rolle einnehmen, es in der Realität aber schwierig ist, den Bestand zu erhalten – zumal ein erhöhter Pflegebedarf

„durch das vermehrte Totholz in den Bäumen und [durch] die Beseitigung der Sturmschäden durch Fällungen und Pflegemaßnahmen für geschädigte Bäume [besteht]. [Zudem bedeuten] [h]äufigere Fällungen […] das entsprechend häufigere Planen von Neupflanzungen“ (Interview Umweltbetrieb Bremen 2024).

Dennoch ist mit dem Handlungskonzept Stadtbäume ein erster und wichtiger Schritt in Richtung einer Politik der Fürsorge (Puig de la Bellacasa 2017) gegangen. Unter Fürsorge verstehen Fisher und Tronto (1990)

„a species activity that includes everything that we do to maintain, continue, and repair our world so that we can live in it as well as possible. That world includes our bodies, our selves, and our environment, all of which we seek to interweave in a complex, life-sustaining web“ (S. 40).

Der Begriff der Fürsorge tritt in Studien zu Caring Cities auf und eine klare Trennung zwischen Fürsorge und Pflege ist schwer zu definieren. Care kann sowohl mit Fürsorge als auch mit Pflege übersetzt werden. Davis (2022) merkt an, dass Care sowohl beinhaltet, sich um andere zu kümmern als auch anderen keinen Schaden zuzufügen. In dem Beispiel der Stadtbäume bedeutet dies, sie zu pflegen und sich um sie zu kümmern, damit sie sowohl mit Trockenheitsstress als auch mit Starkregenereignissen zurechtkommen. Hierzu stellt Ameli (2022) fest, dass in einer mehr-als-menschlichen Welt Menschen, Tiere, Naturen und Kulturen in einer wechselseitigen Beziehung stehen und somit eine Pflege der Stadtbäume, nicht nur eine Maßnahme im Umgang mit den Folgen des Klimawandels ist, sondern auch eine Fürsorge der BewohnerInnen der Stadt Bremen beinhaltet.

Literaturverzeichnis

Ameli, Katharina (2022): Multispezies-Ethnographie. In: Poferl, Angelika & Schröer, Norbert (Hrsg.) Handbuch Soziologische Ethnographie. Springer VS, Wiesbaden.

Davis, Juliet (2022): The caring city. Ethics of Urban Design. Bristol: Bristol University Press. 

Der Bürgerpark Bremen (o. J.): Willkommen im Bürgerpark Bremen. Text abrufbar unter: https://www.buergerpark.de/index.php (Zugriff am 29.05.2024).

Die Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft (2024): Handlungskonzept Stadtbäume. Übersicht über die Handlungsfelder. Bremen: Freie Hansestadt Bremen.

Essl, Franz/Rabitsch, Wolfgang (Hrsg.) (2013): Biodiversität und Klimawandel. Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa. Berlin Heidelberg: Springer.

Fisher, Berenice/Tronto, Joan (1990): Toward a feminist theory of caring. In:  Abel, Emily E./Nelson, Margaret (Hrsg.) Circules of care. Albany: SUNY Press.

Hauck, Thomas E./Weisser, Wolfgang W. (2018): Biodiversität der Städte. Die Berücksichtigung der Biodiversität in der Stadtplanung. Text abrufbar unter: https://www.bpb.de/themen/stadt-land/stadt-und-gesellschaft/216882/biodiversitaet-der-staedte/ (Zugriff am 08.08.2024).

Herberg, Alfred/Kube, Alice (2013): Klimawandel und Städte. Naturschutz und Lebensqualität. In: Essl, Franz/Rabitsch, Wolfgang (Hrsg.) Biodiversität und Klimawandel. Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa. Berlin Heidelberg: Springer, 254-262.

Lozán, José L./Breckle, Sigmar-W./Graßl, Hartmut/Kasang, Dieter/Matzarakis, Andreas (2019): Städte im Klimawandel. In: Lozán, José. L./Breckle, Siegmar-W./Graßl, Hartmut/Kuttler, Wilhelm/Matzarakis, Andreas (Hrsg.). Warnsignal Klima: Die Städte. Text abrufbar unter: www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de (Zugriff am 28.05.2024).

Miller, Leif (2023): Innerstädtisches Grün ist natürliche Klimaanlage. Text abrufbar unter: https://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/http/index.php?popup=true&show=37972&db=presseservice (Zugriff am 31.07.2024).

Puig de la Bellacasa, Maria (2017): Matters of care: Speculative ethics in more than human worlds. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Schramm, Engelbert/Matzinger, Andreas/Libbe, Jens (2020): Resilienz. In: Trapp, Jan Hendrik/Winker, Martina (Hrsg.). Blau-grün-graue Infrastruktur vernetzt planen und umsetzen. Ein Beitrag zur Klimaanpassung in Kommunen. Berlin: Difu, 21-23.