Chemie – Kein Fach für alle? Gesellschaftskritische Ansätze aus der Chemiedidaktik

  • Formulieren Sie basierend auf den Vorlesungsinhalten drei Thesen, die für Sie (!) einen modernen Chemieunterricht für alle ausmachen. Orientieren Sie sich gerne an den Grundannahmen von STL (Scientific and Technological Literacy for All), setzen Sie jedoch eigene Schwerpunkte.
  1. Eine These wäre, den Chemieunterricht verschieden zu gestalten, heißt ein neues Konzept entwickeln. Dabei konnte der Fokus auf zum Beispiel methodischen Aspekten gesetzt werden. „Unser Ziel ist es, entsprechende Konzepte auch für den bundesdeutschen Chemieunterricht zu entwickeln, wobei neben Veränderungen der inhaltlichen Gewichtung auch die methodische Komponente im Vordergrund steht.“ (Heike Huntemann, Antje Paschmann, Ilka Parchmann und Bernd Ralle, 1999)

 

  1. Eine weitere These wäre, den Chemieunterricht durch das Verwenden verschiedener Medien spannender zu gestalten. Der Einbezug von neuester Technologie, wie Filmen, Videos, Bilder, Social-Media oder Lernplattformen könnte Interesse bei den Schülern wecken.

 

  1. Anschließend wäre eine dritte These, dass der Chemieunterricht basierend auf praktische Einheiten aufgebaut wird, zum Beispiel viele Experimente ausführen, vor allem auch vielleicht außerhalb der Schule. So kommen die Schüler selbst mit Chemie in Verbindung/Berührung und haben auch eventuell Spaß am Unterricht.

 

 

  • Reflektieren Sie auf Basis der Vorlesungsinhalte und des Grundlagentextes, inwieweit chemisches Wissen im Allgemeinen und naturwissenschaftliches Wissen im Speziellen aus Ihrer Sicht als Teil des Allgemeinwissens (im Sinne einer „Scientific Literacy for All“) angesehen werden kann. Beziehen Sie hier auch ihre eigenen Erfahrungen aus dem schulischen Chemieunterricht/Ihrem Alltag ein.

 

Die Frage ob Chemisches Wissen im Allgemeinen und das naturwissenschaftliche Wissen als ein Teil des Allgemeinwissens gesehen wird ist diskutabel. Meiner Meinung nach hat dies eine Grenze bzw. sollte es eine Grenze vom Lehrenden gesetzt werden. Natürlich haben Schüler verschiedene Interessen, Stärken oder sogenannte Lieblingsunterrichtsfächer, in der sie besser sind – meist zählt der Chemieunterricht nicht dazu, auf dies sollte Rücksicht genommen werden. Das heißt, der Chemieunterricht ist ein Schulfach, welches wichtige, fast lebenswichtige Inhalte wiedergibt, diese Inhalte sollten auch schon im jungen Alter (ab der fünften Klasse) den Schülern beigebracht werden. Die Grenze der Lehrenden sollte dabei, meiner Meinung nach beim Inhalt gesetzt werden, die Themen im Chemieunterricht sollten „oberflächlich“, ausreichend aber genug vermittelt werden – sodass, das vermittelte Wissen als Allgemeinwissen angesehen werden kann. Eine Überschreitung bei Vermittlung der relevanten Themen, könnte bei den Schülern zu mehr Desinteresse führen. Aus meinen eigenen Erfahrungen gesprochen, bekam ich von der fünften bis zur zehnten Klasse einen recht interessant gestalteten Chemieunterricht von meinem damaligen Lehrer vermittelt, wir führten viele Experimente zusammen aus, wobei man als Schüler direkt was zum Sehen bekam – diese Einheiten weckten sofort Interesse bei mir. Dies führte dazu, dass ich beim Abitur ich für Chemie als Naturwissenschaftliches Fach entschied, statt Physik. Beim Abitur machte ich ähnliche Erfahrungen, meine Lehrerin versuchte den Unterricht interessant gegenüber uns Schülern zu gestalten, dies änderte sich jedoch gegen Ende des Abiturs. Man merkte, dass die Inhalte immer komplexer und weitausgehend vom Allgemeinwissen wurden. Zudem zeigte unsere Lehrerin auch kein Aufwand mehr, dass wir Schüler es verstehen, meine meisten Kameraden und ich konnten somit inhaltlich nicht mehr mithalten.

 

  • In einem Interview zur Sinnhaftigkeit des Hinterfragens naturwissenschaftlicher Informationen in sozialen Medien (zum Beispiel naturwissenschaftsbasierter „Fakenews“) sagte eine Lehrkraft: „Es ist blöd zu sagen, aber es ist im Endeffekt eine intellektuelle Grenze für mich; also auch-… oder Lebensumstandsgrenze, wenn die [Anm.: Die Schüler*Innen] einfach in ihrem Lebensumfeld so anders damit umgehen und nur plakative Äußerungen sozusagen verbreiten und nutzen und das auch völlig in Ordnung ist in deren Umfeld, so…, dann werden die da nicht rauskommen. Also das schaffen die dann alle nicht, das geht dann nicht, das ist dann so Kampf gegen Windmühlen.“. Verfassen Sie eine Antwort darauf.

 

Die Aussage sollte man kritisch betrachten, denn es ist selbstverständlich, dass Schüler viel einfacher und schneller an plakative Informationen, vor allem aus dem Internet, zugreifen können und diese auch weiterverbreiten. Lehrende sollten bei solchen „Fehlern“ reagieren und dementsprechend handeln. Die Aussage „[…] gegen Windmühlen. […]“ (vgl. Aufgabenstellung) ist somit falsch, eine solche Aussage sollte den Schülern nicht verankert werden, sondern es sollte zu Verbesserungsmethoden zugegriffen werden. Insbesondere sollten Lehrende gegenüber den Schülern unterstützend handeln und sie fördern, gegeben, falls Mühe zeigen und mehr Hilfestellung bieten – und somit fehlerhafte Vorgehensweisen verhindern. Der Unterricht könnte auch dementsprechend gestaltet werden, zum Beispiel durch das gemeinsame Erarbeiten wissenschaftlicher Texte. „Teachers in this study strongly endorsed the idea of students reading a variety of popularand professional science texts in the classroom.“ (M. R. Kachan, S. M. Guilbert, G. L. Bisanz, 2006, S.513)

 

 

Literaturverzeichnis

Kachan, M.R., Guilbert, S.M., & Bisanz, G.L. (2006). Do teachers ask students to read news in secondary science? Evidence from the Canadian context Science Education, 90(3), 496–521

Huntemann, H., Paschmann, A., Parchmann, I., & Ralle, B. (1999). Chemie im Kontext‐ein neues Konzept für den Chemieunterricht? Darstellung einer kontextorientierten Konzeption für den 11. Jahrgang. Chemkon, 6(4), 191-196


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Eine Antwort zu „Chemie – Kein Fach für alle? Gesellschaftskritische Ansätze aus der Chemiedidaktik“

  1. Avatar von Jonas
    Jonas

    Ich finde deine drei genannten Thesen zur Modernisierung des Chemieunterrichts alle relevant. Mediennutzung, sowie ein hoher Anteil praktischer Erfahrung in der chemischen Welt erscheinen mir persönlich für die zwei wichtigsten Aspekte. Dabei finde ich zum Beispiel das Beispiel aus der Vorlesung über kritischen Umgang mit Medien (vgl. Folie 46) wichtig und vor allem effektiv. Wenn dies im Unterricht Schritt für Schritt durchgearbeitet wird, so erhalten die SuS eine Art Kompendium für zukünftigen und autonomen Umgang mit fragwürdigen Mediendarstellungen etc.

    Des Weiteren können solche praktischen Einheiten besser Einblicke in zahlreiche gesellschaftlich relevante Sektoren und Industrien gewähren, sei es ein Exkurs in der Parfümproduktion oder eher in der Pharmakologie. Zusätzlich bilden diese Exkurse den SuS Zukunftsaussichten, wie man sie meiner Meinung nach doch eher selten im Schulleben erfährt und die auch weiteres Interesse fördern kann bzw. „chemistry capital“ bilden kann (vgl. Folie 33).

    Deine Argumentation über eine gewisse Grenze der Spezifität des Unterrichtsmaterial, die vom Lehrenden gezogen werden soll, finde ich interessant. Ich stimme in der Hinsicht stark zu, dass das notwendige Allgemeinwissen zu vermitteln besonders im Chemieunterricht höchste Priorität hat, da es eben in vielen gesellschaftlichen Situationen eine chemische Komponente existiert, über die ein gewisses Grundwissen vorhanden sein muss. Darunter können Sicherheitsmaßnahmen für den Umgang mit Chemikalien fallen, oder aber etwas derartig gesellschaftlich „Normales“ wie ein Umgang mit alkoholischen Getränken, der Risiken minimieren kann und soll. In jeder Hinsicht ist chemisches Allgemeinwissen ein Teil der Allgemeinbildung, die letztendlich den SuS eine Grundlage zum Bilden von Fähigkeiten, die in der Gesellschaft und auch im eigenen Leben notwendig sind, ermöglichen soll (vgl. Marks et al., 2014, S. 286). Natürlich muss aber auch eine ausreichende Bildung im Blick auf die Vorbereitung auf das Studium gewährt werden, die sich in der Abiturzeit dem Höhepunkt nähert. Daher kann der Unterricht nicht nur stumpfes Allgemeinwissen bleiben, und es müssen auch weiterführende Unterrichtseinheiten berücksichtigt werden für SuS, die sich in den letzten Jahren der Schulzeit befinden.

    Zu der Lehreraussage über den „Kampf gegen Windmühlen“ möchte ich deiner Argumentation zustimmen, da eine solche Lehreransicht fast schon Fatalismus gleicht. Es ist klar, dass den Schülern gezeigt werden muss, wie kritischer Umgang mit Medien funktioniert, welche Gefahren es in diesem Umgang gibt und wie die SuS verantwortungsvoll den relevanten Inhalt extrahieren können (vgl. Craig-Hare et al., 2018, S.100). Daher kann das Aufgeben der Lehrkraft im Hinsicht auf die Vermittlung dieser Fähigkeiten nicht als positiv wahrgenommen werden, aber dennoch als Motivation solch einer Müdigkeit entgegenzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass sich SuS in einem sichereren medialen Umfeld begeben.

    Marks, R., Stuckey, M., Belova, N., Eilks, I. (2014): The societal dimension in german science education – from tradition towards selected cases and recent developments, S. 286

    Craig-Hare, J., Rowland, A., Ault, M., & Ellis, J. D. (2018). Practicing Scientific Argumentation Through Social Media. In Information Resources Management Association (Ed.), Social Media in Education: Breakthroughs in Research and Practice (S. 100). Hershey, PA: IGI Global.

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